Merken

Schuhe in der Treppe

Der Ausbau des Kutscherhauses an der Bautzner Straße hat gedauert. Dennoch plant der Investor dort ein weiteres Projekt.

Teilen
Folgen
© René Meinig

Außer Gerd Priebe gehen wohl nur wenige Menschen zur Küchenwand, wenn sie nach dem Salz gefragt werden. Der Investor hat sein Gewürzregal darin eingelassen, eine Holzverblendung macht den Stauraum unsichtbar. Es ist nicht das Einzige, was im einstigen Kutscherhaus auf der Bautzner Straße anders ist. Architekt Priebe hat versucht, mit der Sanierung ein Paradebeispiel für ökologisches und ökonomisches Bauen zu schaffen. Ob ihm das tatsächlich gelungen ist, können Dresdner am kommenden Wochenende selber beurteilen. Zum Tag der Architektur steht auch die Tür zum Denkmal in der Radeberger Straße offen – und gibt den Blick auf allerhand Außergewöhnliches frei.

Einblicke in das neue Kutscherhaus

Architekt Gerd Priebe saniert das einstige Kutscherhaus an der Bautzner Straße 76. Außen muss noch einiges getan werden.
Architekt Gerd Priebe saniert das einstige Kutscherhaus an der Bautzner Straße 76. Außen muss noch einiges getan werden.
Priebe hat drei Buchenholzwürfel in das Haus eingebaut, das Gebäude so in drei Flügel geteilt.
Priebe hat drei Buchenholzwürfel in das Haus eingebaut, das Gebäude so in drei Flügel geteilt.
Das versteckte Gewürzregal in der Wand.
Das versteckte Gewürzregal in der Wand.
Blick in die Küche.
Blick in die Küche.
Holz ist das dominierende Material: Wände, Fußböden, Treppen sind aus dem ökologischen Stoff.
Holz ist das dominierende Material: Wände, Fußböden, Treppen sind aus dem ökologischen Stoff.
Priebe wagt sich schon bald an ein weiteres Projekt auf dem Areal – für die flapsig Smartie genannte linsenförmige Villa soll ein vollkommen neuartiger Baustoff verwendet werden - der sogenannte Textilbeton.
Priebe wagt sich schon bald an ein weiteres Projekt auf dem Areal – für die flapsig Smartie genannte linsenförmige Villa soll ein vollkommen neuartiger Baustoff verwendet werden - der sogenannte Textilbeton.

Vom ehemaligen Kutscherhaus ist nur die Hülle geblieben. Im Inneren ist ein ganz neues Haus entstanden. Oder besser gesagt: neue Häuser. Denn Priebe hat drei Buchenholzwürfel eingebaut, das Gebäude so in drei Flügel geteilt. Holz ist das dominierende Material: Wände, Fußböden, Treppen sind aus dem ökologischen Stoff. Darauf hat Priebe auch bei anderen Dingen Wert gelegt. So gibt es in dem Haus keine Dämmung. Stattdessen ist unter dem Fußboden eine beheizbare Karbonfolie verlegt. An den Wänden werfen Reflektorfolien das Sonnenlicht zurück.

Die ökologischen Materialien wurden aber nur sparsam eingesetzt. Denn Sparsamkeit war das Motto des Architekten: Platz sparen, Ressourcen sparen. So gibt es neben Gewürzregalen in der Wand noch weitere ungewöhnliche Konstruktionen zu entdecken. So stehen die Schuhe nicht in einem Schrank im Flur, sondern in den Treppenstufen. Diese wurden extra dafür ausgehöhlt. Im rechten Flügel des Hauses führt außerdem eine sogenannte Schmetterlingstreppe nach oben, bei der auf jeder zweiten Stufe der Mittelteil ausgespart ist.

„Man gewöhnt sich dran“, sagt Gerd Priebe mit einem Schmunzeln. Er ist mit seiner Lebensgefährtin erst vor rund zwei Monaten eingezogen. Eine Umgewöhnung sei das schon gewesen. Schließlich wurde der Wohnraum von 130 auf 80 Quadratmeter reduziert. An manchen Stellen ist der Platz deutlich knapper: So sind die beiden Toiletten von Zug-WCs inspiriert worden. Sie messen gerade mal drei Quadratmeter und haben trotzdem alles Nötige: Dusche, WC, Waschbecken. „Für mich hat es trotzdem gleich gepasst“, sagt der Architekt. Vielleicht auch deshalb, weil er das Projekt bereits seit Langem betreut.

Denn schon im Mai 2014 wurde der erste Spatenstich auf dem Areal nahe des Diakonissenkrankenhauses gemacht. Dann musste der Investor einige Rückschläge verkraften: Anfang 2015 verstarb der Bruder des gebürtigen Kölners. Die Geschwister hatten die Pläne zusammen ausgearbeitet. Priebe musste sich zunächst neu ordnen, bevor er weitermachen konnte. Im Sommer zerstörten starke Regenfälle dann einen Großteil seines empfindlichen Baumaterials. Nun ist der Innenausbau fast komplett abgeschlossen, es fehlen nur noch Restarbeiten. Trotzdem ist für Priebe noch lange nicht Schluss. Er wagt sich schon bald an ein weiteres Projekt auf dem Areal – das wird wohl noch ambitionierter.

Denn für die flapsig Smartie genannte linsenförmige Villa soll ein vollkommen neuartiger Baustoff verwendet werden. Der sogenannte Textilbeton wurde an der Technischen Universität Dresden entwickelt. Er muss noch untersucht werden, bevor der Bau der Smartie-Villa beginnt. Deswegen will Priebe im kommenden Jahr ein Modell im Garten auf der Bautzner Straße errichten. Dieses soll fünf Meter beziehungsweise 2,50 Meter messen. Anhand des Modells sollen unter anderem das Schwingungsverhalten sowie die Rissbildung des Materials untersucht werden. Mit dem Bau der Villa kann frühestens 2020 begonnen werden.

„Für solche Projekte braucht man viel Geduld“, sagt der Architekt. Er hält trotzdem an dem ökologischen und ökonomischen Bauen fest und wünscht sich, dass noch mehr Architekten sich dafür begeistern. Schließlich sind alle Ressourcen endlich. Damit sich Fachkollegen ein Bild von den Möglichkeiten machen können, soll das Kutscherhaus künftig nicht nur am Tag der Architektur offen stehen.

Geplant ist, dort eine Art Ausbildungs- und Akademiezentrum zu etablieren. Die ersten Seminare für kleine Gruppen von maximal 20 Leuten finden bereits in der Galerie im linken Flügel statt. Größer wird es, wenn die Smartie-Villa fertig ist. Dann ziehen Priebe und seine Lebensgefährtin dort ein, im Kutscherhaus werden Studenten untergebracht, die nicht aus Dresden kommen. Die müssen dann anstelle des Architekten zur Küchenwand gehen, wenn sie nach dem Salz gefragt werden.

Der bundesweite Tag der Architektur findet am 24. und 25. Juni statt. In Dresden werden 41 Objekte gezeigt. Das Kutscherhaus ist am Sonnabend zwischen 11 und 19 Uhr, am Sonntag zwischen 10 und 15 Uhr geöffnet.