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Getreten, geschlagen, gezogen

Wasserball gehört zu den härtesten Sportarten. Beim Länderspiel in Dresden kann man Fouls sehen, die sonst unentdeckt bleiben.

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© Robert Michael

Von Daniel Klein

Immer wieder rudert Hagen Stamm mit den Armen, fordert lautstark einen Pfiff oder eine Bestrafung. Die Schiedsrichter reagieren auch, aber anders als von ihm erhofft: Sie zeigen dem Bundestrainer die Gelbe Karte. „Heimschiris waren das ganz bestimmt nicht“, urteilte Stamm über das Gespann aus Serbien. Schuld an der 11:12-Niederlage der deutschen Auswahl gegen Russland nach Fünfmeterwerfen beim ersten Wasserball-Länderspiel in Dresden sind die Unparteiischen jedoch nicht. Sie pfeifen kleinlich, das aber konsequent.

Zweifach-Torschütze Julian Real (r.) ringt mit Sergey Lisunov.
Zweifach-Torschütze Julian Real (r.) ringt mit Sergey Lisunov. © Robert Michael
Nur Fotografen dürfen durch die Bullaugen im Beckenrand sehen.
Nur Fotografen dürfen durch die Bullaugen im Beckenrand sehen. © Robert Michael

Schiedsrichter sind bei der ältesten olympischen Mannschaftsportart enorm wichtig und im Dauerstress. Alle paar Sekunden ahnden sie ein Foul, 20-Sekunden-Strafen sind im Wasserball Kavaliersdelikte. Es wird getreten, geschlagen und gezogen. Für die Zuschauer zu erkennen sind die Unsportlichkeiten meist nur, wenn ein Spieler plötzlich abtaucht, weil der Gegner ihn unters Wasser gezogen hat. Hart geht es zur Sache, aber auch brutal? „Nur ganz selten“, sagt Moritz Schenkel, Torhüter von Vizemeister Waspo Hannover. „Wasserball ist eine Mischung aus Ringen, Schwimmen, Athletik und Ballsport.“

Die erste Komponente kann man in Dresden gut beobachten. Bei den Zweikämpfen geht schon mal eine Badekappe verloren. In die, das ist vorgeschrieben, sind Ohrenschützer integriert. Die Badehosen werden aus reißfestem Material hergestellt, die Männer tragen zudem Tiefschutz. Vor dem Anpfiff kontrollieren die Schiedsrichter, ob die Fingernägel akkurat gestutzt sind. Kleinere und größere Blessuren bleiben trotzdem nicht aus. „Blutende Augen, verstauchte Finger, geprellte Rippen kommen häufiger vor“, erzählt Schenkel, der mit seinen Paraden das deutsche Team im Spiel hält.

Mit der Schlusssirene trifft Julian Real zum 8:8, es ist das erste Mal, dass Stamms Männer ausgleichen können. Die neue Schwimmhalle am Freiberger Platz, in die sich mehr als 800 Zuschauer gezwängt haben, feiert die Mannschaft lautstark. Dass sie im Fünfmeterwerfen noch unterliegt, kann die Stimmung nicht trüben. „Wir haben gezeigt, dass wir mit unserer jungen Truppe gegen den WM-Achten mithalten können. Es geht Schritt für Schritt voran“, sagt Schenkel. Das große Ziel sind die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, nach zwei verpassten Teilnahmen soll es mit der Qualifikation unbedingt klappen.

Spiele wie das in Dresden sind deshalb enorm wichtig. Für die deutsche Auswahl war es der Start in die Weltliga, der Wettbewerb selbst gerät jedoch fast zur Nebensache – auch, weil er stark an Attraktivität verloren hat. Schuld daran ist ein Gerangel zwischen dem Weltverband Fina und dem europäischen Verband, der Len. Die hat in diesem Jahr einen Europacup für Nationalteams ins Leben gerufen. „Kalender und Finanzmittel lassen aber nur den Start in einem Wettbewerb zu“, sagt Stamm. Das erklärt auch, warum diesmal lediglich neun Mannschaften aus Europa in der Weltliga antreten. Neben Russland gehört noch Favorit Kroatien zur deutschen Gruppe.

Die Termindichte ist ohnehin ein Problem im Wasserball. Die deutsche Auswahl setzt sich nahezu komplett aus Spielern von Serienmeister Spandau 04 und Hannover zusammen. Die kamen erst Sonntagabend von ihren Champions-League-Einsätzen in Russland und den Niederlanden zurück. „Eine optimale Vorbereitung auf ein Länderspiel sieht anders aus“, findet Stamm.

Umso erstaunlicher war die Leistung am Dienstagabend in Dresden. Daran könnten auch die Zuschauer ihren Anteil gehabt haben. Aus ganz Sachsen waren sie angereist, brachten Trommeln, Fahnen und Tröten mit. „Die Unterstützung war beeindruckend“, fand Schlussmann Schenkel und lobte die vielen ehrenamtlichen Helfer, die vor allem vom Zweitligisten TuR Dresden kamen, der noch viel mehr Karten hätte verkaufen können. Bei derart viel Zuneigung lassen sich auch die üblichen Blessuren viel leichter verschmerzen.