Merken

Gestatten, Dresdens Gestalter

Seit Mai 2016 hat die Stadt eine Gestaltungskommission. Die Erwartungen an sie sind hoch, ihr Spielraum klein.

Teilen
Folgen
© Christian Juppe

Von Kay Haufe

Dresden bekommt ein neues Hochhaus. Und Schuld daran ist die Gestaltungskommission. Sie hat den Investor ermutigt, auf der Marschnerstraße 1, gegenüber der Gläsernen Manufaktur, statt eines „verhaltenen, halbhohen Entwurfes“ lieber etwas zu wagen und ein wirkliches Hochhaus zu planen.

Dieses ist eines von 17 Projekten, die seit Gründung der Gestaltungskommission im Mai 2016 von ihr behandelt wurden. Manche wurden durchaus zwei-, dreimal in den aller zwei Monate stattfindenden Runden diskutiert und begleitet, sagt Thomas Kaup. Der Berliner Architekt ist ein Mitglied, weiterhin gehören dazu die Architekten, Stadtplaner und Landschaftsarchitekten Barbara Hutter, Mikala Holme Samsöe, Ole Flemming und als Vorsitzender Jürg Sulzer.

Die Mitglieder wurden von der Verwaltung ausgewählt. Sulzer stellte am Freitag zur öffentlichen Vorstellung des Gremiums klar, dass es keine einheitliche Definition dafür gebe, was dresdentypische Architektur sei. „Es kommt immer auf den Ort und seine Umgebung an, an dem etwas entstehen soll. Diese bestimmen die Gestaltung. “ Das müsse in Blasewitz anders sein als auf dem Altmarkt oder an der Bautzner Straße. „Die Vielfalt macht Dresden aus“, sagt Thomas Kaup.

Sowohl in der landschaftlichen Prägung mit Hängen, Flussläufen und einzelnen Quartieren als auch in der urbanen Struktur mit barocken Bauten, Gründerzeitvierteln oder offener Bebauung. „Das bieten nicht viele Städte, und wir sind begeistert von Dresden.“ Niemals werde es nur ein Rezept dafür geben, wie Dresden qualitätvoll gestaltet werden soll.

Es sei jedoch gut, dass es Initiativen gebe, die die Architektur neuer Projekte kritisch hinterfragen, sagt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne), der neben fünf Stadträten ebenfalls Mitglied der Gestaltungskommission ist. „Wir brauchen diesen öffentlichen Druck, sonst wäre kein Investor bereit, über seine Vorhaben zu sprechen“, so Schmidt-Lamontain. Es sei aber die falsche Adresse, die Vorwürfe an die Gestaltungskommission zu richten. „Wir sind keine Gestaltungspolizei“, sagt Thomas Kaup und führt aus, dass es nur ganz eingeschränkte Möglichkeiten gebe, überhaupt einzugreifen, wenn Baurecht besteht. „Wenn sich das Vorhaben nach Maß und Art der Nutzung in die Umgebung einfügt, kann man meist nichts machen“, sagt der Berliner Architekt.

Anders sei es im Fall des viel kritisierten Hotelneubaus gewesen, der an der Antonstraße entstehen soll. Der Investor sei bereit gewesen, seine Pläne der Kommission vorzustellen und habe sie auch überarbeitet. „Entstehen soll ein Low-Budget-Hotel, da gibt es auch ein beschränktes Bau-Budget“, sagt der Baubürgermeister. Er glaube nicht, dass Dresden damit verschandelt wird, auch wenn das Haus nicht zu den Top-10-Gebäuden gehören werde, die in seiner Amtszeit entstehen, so Schmidt-Lamontain. Dass die Gestaltungskommission ein zahnloser Tiger sei, wie manche ihr vorwerfen, will Schmidt-Lamontain nicht gelten lassen. Es gebe keine deutsche Stadt, in der eine Kommission bestimmt, was gebaut werde, sagt Jürg Sulzer. Wichtig sei, dass die Projekte möglichst in einem frühen Stadium vorgestellt werden, um sie entwickeln zu können, sagt die Österreicherin Barbara Hutter.

Sie kennt, genau wie der Schweizer Jürg Sulzer, die Kritiker von Architektur. Dies sei kein Dresdner Phänomen. „Ich habe ein gewisses Verständnis für sie“, sagt Sulzer. Immerhin habe Dresden während des Zweiten Weltkrieges viel Substanz eingebüßt. „Die Raumgeborgenheit, die Architektur schaffen soll, war verloren gegangen. Jetzt wünscht man sie sich zurück.“

Am Freitag hat sich die Kommission unter anderem das Gelände der geplanten Hafencity am Neustädter Hafen angeschaut. Ein Filetstück, wie Sulzer sagt, wo es sich lohne, gestalterische Qualität zu bauen.