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Genossen genießen gute Geschäfte

Die Dresdner Genossenschaft Energiehaus hat bereits 10 000 Kunden, die sie mit Strom und Gas beliefert.

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© Sven Ellger

Von Bettina Klemm

Im Besprechungsraum an der Wiener Straße steht ein kleines Kunstwerk. Um die Buchstaben „WIR“ sind kleine Figuren zu sehen – selbstgeschmiedet von den Energiehaus-Mitarbeitern. „Wir sprechen von Wir-Energie, weil wir den Gemeinschaftsgedanken in allen Belangen ernst nehmen“, sagt Vorstand Sebastian Brandt von der Energiehaus Dresden eG. Das Kürzel eG für die eingetragene Genossenschaft werde in betriebswirtschaftlichen Vorlesungen kaum genannt und sei wenig bekannt, das mache es oft schwer. Dabei wurde die Genossenschaftsidee von der Unesco als immaterielles Kulturerbe der Menschheit anerkannt.

Entstanden ist die Energiehaus-Genossenschaft aus verschiedenen Bürgerinitiativen — im Verein Haus & Grund vereinte Immobilienbesitzer, Menschen mit ökologischen Ambitionen und solche, die einfach nur einen Gegenpol zu den Preisen der großen Stromanbieter schaffen und deren Preisdiktat aufbrechen wollten, schlossen sich vor gut zehn Jahren zusammen.

Inzwischen wurde daraus ein erfolgreiches Unternehmen mit derzeit 15 Mitarbeitern. Ziel sei es, die inzwischen etwa 10 000 Kunden zu fairen Preisen zu beliefern. 2016 hatte Energiehaus einen Nettoumsatz von 15 Millionen Euro erreicht. Vor allem beim Strom wuchs die Nachfrage von Kunden, die abgesetzte Menge lag 61 Prozent über der des Vorjahres. Die Gaslieferung stieg um elf Prozent. „Die Zahlen für 2017 werden erst Mitte März vorliegen, aber wir gehen von einer ähnlichen Steigerung wie 2016 aus“, sagt Vorstand Ronny Leszkiewicz.

Auch wenn der Großraum Dresden das Kerngeschäft bildet, bietet die größte Energie-Genossenschaft Sachsens seit 2009 eine bundesweite Lieferung von Strom und Gas an, seit 2015 auch eine Versorgung mit Wärme aus Strom. Das stabil wachsende Unternehmen spricht zunehmend auch Gewerbekunden an.

Die beiden Vorstände sind Diplom-Kaufleute von Beruf und haben zuvor in anderen energiewirtschaftlichen Unternehmen gearbeitet. Das garantiert Fachkenntnisse. Der 39-jährige Ronny Leszkiewicz war bei den Stadtwerken in Leipzig tätig, bevor er 2014 zur Genossenschaft kam. Sebastian Brandt hat sich bei der enviaM um Vertrieb und Produktentwicklung gekümmert. Seit 2012 ist er hauptamtlicher Vorstand von Energiehaus Dresden. „Begonnen haben wir mit 160 Mitgliedern, jetzt sind es 270“, sagt der 41-Jährige. Zum Grundprinzip der Genossenschaft gehöre der Verzicht auf eine Gewinnmaximierung. Wir arbeiten kostendeckend plus einem kleinen Risikozuschlag. Das bedeutet, die Preise sind bei uns rückwärts kalkuliert“, erklärt Brandt. Ziel sei es nicht, bei Vergleichsportalen wie Verivox oben zu landen. Es gebe auch keine Prämien für Neukunden, die sich erst, wenn überhaupt, nach Jahren rechnen.

100 Euro pro Anteil

Energiehaus nutzt die Vorzüge der Börsenpreise. „Preissenkungen auf dem Energiemarkt geben wir an unsere Kunden weiter, Preiserhöhungen versuchen wir, verträglich abzufedern. So gibt es in unserer Genossenschaft auch keine Nachschusspflicht“, erläutert Leszkiewicz das Prinzip. Läuft das Geschäft in der Genossenschaft gut, partizipieren die Mitglieder und erhalten eine Rückvergütung. Für 100 Euro erhalten sie einen Anteil, maximal 50 Anteile sind möglich. Entscheidungen treffen die Mitglieder. Diese haben unabhängig von der Höhe der Anteile jeweils ein Stimmrecht. „Unsere Arbeit ist hochtransparent, es gibt jährliche Pflichtprüfungen durch Wirtschaftsprüfer. Diese stehen den Mitgliedern in der Generalversammlung Rede und Antwort.“ Neben dem Brot-und-Buttergeschäft mit Energie und Gas setzt die Genossenschaft zunehmend auf Ökologie. „Wir bieten Öko-Strom aus Windkraftanlagen und haben auch ein Öko-Gasprodukt im Angebot. Beides ist jedoch etwa zehn Prozent teurer. Da steht die Frage, ob das der Kunde bezahlen will“, sagt Brandt.

Aus seiner Sicht ist die Energiewende für den Osten nicht fair gelaufen. Aber warum sollen hauptsächlich nur Großinvestoren und nicht normale Bürger von der Förderung und den damit verbundenen garantierten Preisen profitieren? „Wir verstehen uns als Anwalt für Mieterinteressen. Diese haben in der Regel keine Möglichkeit, eine Solaranlage auf das Dach ihres Wohnhauses zu stellen. Mieterstrom und lokale Stromnetzwerke könnten eine Lösung sein“, erklärt Vorstand Brandt. So ist Energiehaus darüber mit Wohnungsgenossenschaften im Gespräch.

Die beiden hochgewachsenen Vorstände legen Wert darauf, dass ihre Genossenschaft ein „ordentlicher Gewerbesteuerzahler“ in der Stadt ist. Doch sie möchten gern noch mehr tun, um Zukunftsthemen und die lokale Energiewende voranzutreiben. So engagiert sich Energiehaus als Partner im Zukunftsstadtprozess. „Dabei möchten wir nicht nur punktuell Projekte anstoßen, sondern sie auch bis zur Umsetzung begleiten“, sagt Leszkiewicz. Er ist gerade Vater geworden und würde es cool finden, einen Kindergarten aufzumachen. Der vierfache Vater Brandt sieht es ähnlich.