Merken

Geheimsache Aufstieg

Die Dresdner Turnerinnen gewinnen vor heimischer Kulisse, doch vom größten Erfolg wissen die Zuschauer gar nichts.

Teilen
Folgen
NEU!
© Matthias Rietschel

Von Sven Geisler

Psst, das ist noch nicht offiziell, denn eigentlich haben die Turnerinnen des Dresdner SC den Aufstieg knapp verpasst. Trotzdem werden sie im nächsten Jahr in der ersten Liga antreten. Dank einer starken Leistung – und mit sächsischer Hilfe. Mit dem Sieg im Saisonfinale in eigener Halle verteidigte die junge DSC-Riege den zweiten Platz in Liga zwei hinter Ulm. Somit wäre sie der erste Nachrücker, falls sich ein Verein aus der ersten Liga zurückzieht.

Erfolgreiches Duo: Lea Marie Quaas aus Chemnitz turnt für den DSC – betreut von Sophie Scheder, die Olympiabronze gewann.
Erfolgreiches Duo: Lea Marie Quaas aus Chemnitz turnt für den DSC – betreut von Sophie Scheder, die Olympiabronze gewann. © Matthias Rietschel
Starke Schwestern: Weltmeisterin Pauline Schäfer (l.) und Helene werden mit Karlsruhe Zweiter in Liga eins hinter Stuttgart.
Starke Schwestern: Weltmeisterin Pauline Schäfer (l.) und Helene werden mit Karlsruhe Zweiter in Liga eins hinter Stuttgart. © Matthias Rietschel

Genau das wird passieren, kündigt Gabriele Frehse an: „Das war unser letzter Liga-Wettkampf“, sagt die Trainerin des TuS Chemnitz-Altendorf. Die Tür nach oben steht für die Dresdner damit offen, auch wenn darüber niemand reden mag. Deshalb freut sich der DSC über einen klasse Auftritt vor einer Rekordkulisse. So viel Publikum gab es in dieser Saison bei keinem anderen Wettkampf der Turn-Bundesligen, und viele der 1 735 Zuschauer sind schon zur zweiten Liga in der Margon-Arena.

„Die Mädels haben den höheren Druck super verkraftet und ihre Sache klasse gemacht“, sagt DSC-Cheftrainer Tom Kroker. Die meisten Punkte zum Erfolg steuerte Julia Vietor bei, die als einzige Dresdnerin an allen vier Geräten turnte: Sprung, Barren, Balken und Boden. In der Einzelwertung fehlte ihr nur eine Winzigkeit zu Platz drei. „Das ist halt so“, meint sie. „Ich bin trotzdem zufrieden mit meiner Leistung.“

Als kleines Mädchen hatte sie es sogar mal mit Fußball versucht, weil das der Papa spielt, und auch einige andere Sportarten wie Schwimmen und Tanzen ausprobiert. „Meine Eltern wollten, dass ich mich sportlich betätige“, erzählt die 18-Jährige, für die am Sportgymnasium im Frühjahr die Abi-Prüfungen anstehen. Mit vier Jahren hat sie in Klotzsche die ersten Purzelbäume geschlagen, nun führt sie die Mannschaft des DSC als Kapitän – und ist stolz auf ihr Team. „Die Aufregung war bei uns allen zu spüren. Trotz unserer Personalsorgen zu gewinnen, ist einfach der Hammer.“

Wegen der Verletzung von Lucienne Fragel hatten sich die Dresdner eine junge Chemnitzerin ausgeliehen. Lea Marie Quaas, zwölf Jahre, brachte mit drei souveränen Übungen den zweitbesten Wert ins Mannschaftsergebnis. Betreut wurde die kleine Blondine von einer Großen dieses Sports. Sophie Scheder, die bei Olympia 2016 Bronze am Stufenbarren gewonnen hat, ist nach einer Knie-Operation im Aufbautraining, will 2018 wieder dabei sein. Ihr Einsatz als Übungsleiterin ist trotzdem nicht nur ein Ersatz, sondern vielleicht schon ein Vorgriff auf die Zukunft. „Ich könnte mir das sehr gut vorstellen, weil ich es sehr gerne mache“, sagt die 20 Jahre alte Sportsoldatin. „Mal gucken, ob ich es dann wirklich hauptberuflich ausüben möchte oder eher nebenher.“ Die ersten Trainerlehrgänge hat sie erfolgreich abgeschlossen, macht jetzt die A-Lizenz. Auf Quaas konnte sie in Dresden „superstolz“ sein.

Ein emotionaler Abschied

„Da geht das Herz auf, das macht schon Spaß“, sagt Scheder und meint: „Sie hat das Zeug, es auf die internationale Ebene zu schaffen. Ich bin gespannt.“ Während die Jüngste im DSC-Team ihre Karriere erst vor sich hat, erlebte Marlene Bindig einen emotionalen Abschied. Mit ihrer Ausstrahlung und Eleganz auf dem Bodenteppich begeisterte die 20-Jährige noch einmal das Publikum. „Das ging mir sehr nahe, weil es meine letzte Übung war“, sagt sie. „Die Mädels haben mir den Abschied nicht leichter gemacht, dafür umso schöner: ein tolles Team, ein wunderbares Zusammenspiel, eine fantastische Kulisse.“

Eine Glanzleistung zeigte die Stuttgarterin Elisabeth Seitz mit einer Weltklasse-Übung am Stufenbarren. Pauline Schäfer, Weltmeisterin am Schwebebalken, trat zwar an, aber nicht an ihrem Paradegerät. Wegen anhaltender Rückenprobleme – und wohl auch aufgrund der vielen repräsentativen Termine nach dem Titel – sei die Übung im Moment nicht stabil genug, erklärt die 20-Jährige. Sie startet wie ihre Schwester Helene für Karlsruhe, trainiert jedoch in Chemnitz bei Gabriele Frehse.

Die Erfolgstrainerin hat nun der Liga die Freundschaft gekündigt. Auslöser ist, wie sie es ausdrückt, „das ganze Theater“ um einen neuen Modus. Ab nächster Saison soll – wie im Fußball – jeder gegen jeden antreten, je nach Abstand der Wertungen würden Punkte vergeben. Die Mitgliederversammlung der DTL hat das im April mit knapper Mehrheit festgelegt, nun soll der Beschluss gekippt werden.

Doch egal, wie das ausgeht, für Frehse ist der Ausstieg mit Chemnitz unwiderruflich. Mit dem Geld – etwa 15 000 Euro pro Jahr – wolle sie ihren Sportlerinnen internationale Starts ermöglichen. Und der Weg für den DSC in die erste Liga ist damit frei. Leider haben die Zuschauer von dieser Sensation in der Halle nichts mitbekommen, denn – psst! – es fehlen Stempel und Unterschrift. Doch der Traum wird wahr.