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Gefahr durch gefälschte Medikamente

Eine Fernsehsendung ist Gesprächsstoff im Kreis Meißen. Apotheker und Krankenhäuser sagen, wie sie sich schützen.

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© ?Sebastian Schultz

Von Ronja Münch, Dominique Bielmeier, Jana Richter und Peter Redlich

Sie habe jetzt ein ganz schlechtes Gefühl, sagt eine ältere Dame, die regelmäßig auf Herzmedikamente angewiesen ist. Sie hat am Mittwochabend den ARD-Film „Gift“ und die anschließende Doku über gefälschte Medikamente gesehen. Vor allem diskutierten am Donnerstag Bürger im Supermarkt, im Bus und erst recht in Apotheken, wie sie mangelhafte Präparate erkennen können, wenn doch das Etikett der anerkannten Arzneimittelfirma darauf ist.

Die Organisation German Doctors, die in Ländern wie Indien Menschen hilft, schreibt: „Weltweit entspricht laut Weltgesundheitsorganisation WHO bei zehn Prozent der Medikamente der Inhalt nicht dem Packungsaufdruck; in Deutschland gehen Experten von einer Fälschungsrate von einem Prozent aus, Tendenz steigend.“

Wie schützen sich Apotheker davor, Fälschungen untergeschoben zu bekommen? Gab es schon Fälle von Beanstandungen? Wie wird darauf reagiert? Was kann der Patient selbst erkennen?

Was müssen Verbraucher beachten?

Medikamente sollten nur bei einer Apotheke gekauft werden. Deren Lieferkette ist gut nachvollziehbar und das Risiko gefälschter Arzneimittel daher gering.

Pillen auf einem Markt in Tschechien zu erwerben, ist nicht ratsam. Hier ist es sehr schwer nachzuvollziehen, ob das Medikament echt ist

Beim Kauf von Medikamenten im Ausland ist allgemein größere Vorsicht geboten. Von manchen Medikamenten seien 50 bis 60 Prozent Fälschungen auf dem Markt, so Apotheker Oliver Morof. Das betrifft besonders afrikanische und asiatische Länder. Für den Urlaub ist es also sinnvoller, die Medikamente aus Deutschland mitzubringen.

Auch beim Kauf im Internet ist Vorsicht geboten. Es gibt zwar seriöse Online-Apotheken, die nach denselben Qualitätskriterien arbeiten müssen wie Vor-Ort-Apotheken. Doch Betrüger sind oft schwer zu erkennen. Die Bestellmaske kann seriös aussehen und trotzdem eine Fälschung sein. Um sicherzugehen, hilft eine kurze Recherche beim Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information. Auf der Webseite www.dimdi.de gibt es eine Liste registrierter Versandhändler.

Auch optisch lässt sich manche Fälschung erkennen. Viele Hersteller verwenden Siegel, um die Echtheit zu bestätigen – allerdings nicht alle. Die Informationen auf Verpackung und Beipackzettel sollten übereinstimmen. Medikamente müssen außerdem eine Seriennummer und ein Verfallsdatum aufgedruckt haben. Viele Medikamente haben eine Prägung

Bei Zweifeln, und wenn ein Medikament nicht wie erwartet wirkt, sofort zum Arzt oder Apotheker.

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Apothekerin Bettina Lange betreibt zwei Apotheken, die Stadtapotheke in Radebeul-West und die Alte Apotheke in der Hauptstraße in Weinböhla. Sie sagt, dass ihre Mitarbeiter verpflichtet sind, an jedem Tag wahllos eine Verpackung aus dem Medikamentenschrank zu greifen und diese zu prüfen. Untersucht werden beispielsweise die Verpackung, Farbe der Tabletten, Klarheit von Lösungen, Chargenübereinstimmung. Auch die Packungsbeilage wird genau verglichen – etwa, ist sie in deutscher Sprache, oder welche Angaben zur Einnahme gibt es. Knapp 40 Punkte werden so, auch anhand von vergleichenden Abbildungen im Internet, geprüft. „Einmal hatten wir in den letzten Jahren bröselige Tabletten“, sagt Apothekerin Bettina Lange. Das werde dann unverzüglich an die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheken (AMK) gemeldet. Von dort wiederum würden sofort alle Apotheken im Land aufmerksam gemacht und das Medikament aus den Regalen genommen.

Es darf, bis zur Klärung, nicht mehr verkauft werden. Was die Mitarbeiter jedoch nicht erkennen können, ist die Zusammensetzung der Wirkstoffe. Ist wirklich in der Tablette oder in der Flüssigkeit das drin, was auch auf der Packung steht?

Ein gefälschtes Medikament ist der Inhaberin der Apotheke Altriesa, Dagmar Bach, in ihrem Geschäft noch nicht untergekommen. „Aber Betrug ist nie komplett auszuschließen“, sagt sie. Auch in ihrer Apotheke hat der Film schon die Runde gemacht. Zwar hat sie den Beitrag nicht selbst gesehen, aber eine Kollegin hat ihr davon erzählt. Wirklich überrascht ist Bach nicht: „Sicherlich wird es im Zuge von Gewinnoptimierung manchmal bei einigen Firmen zu Fälschungen kommen. Der Internethandel und die Globalisierung fördern das.“

Die Riesaer Allgemeinmedizinerin Doris Raum war erschüttert, als sie im Radio von dem Ausmaß gefälschter Medikamente hörte. „Bisher haben mich noch keine Patienten auf das Thema angesprochen, aber ich bin mir sicher, dass das noch passieren wird.“ Die Medizinerin achtet bei Verpackungen in erster Linie auf die Aufschrift.

Wegen des Preisdrucks wurde ein Großteil der Arzneimittelherstellung in den vergangenen Jahren in Entwicklungsländer verlegt, weil es dort billiger ist. „Schlitzohren, die Medikamente nicht richtig produzieren, etwas anderes beimischen oder sie fälschen, suchen sich seriöse Vertriebswege, um ihre Produkte zu möglichst guten Preisen zu verkaufen“, erläutert die Riesaer Apothekerin Dagmar Bach. „Hoffentlich wird das Gesundheitsministerium reagieren und die Importbestimmungen überprüfen“, so Bach.

Ihre Radebeuler Kollegin Barbara Seidel von der Bethesda-Apotheke meint: „Hundertprozentig nachvollziehbar sind die Wirkstoffe, wenn wir Medikamente selbst im Labor zubereiten, etwa Salben bei Hautkrankheiten.“ Die Apothekerin sagt auch, dass sich schon Patienten gemeldet hätten, wenn plötzlich „etwas anders“ an ihrer Medizin war. „Dann wenden wir uns direkt an die Herstellerfirma und klären das auf.“ Mitunter würden die Firmen auch selbst mitteilen, wenn sich beispielsweise die Farbe ändert.

Mittels der Kontrollen in deutschen Apotheken, so die Arzneimittelkommission der deutschen Apotheken, würden in den rund 20 000 Apotheken rund sechs Millionen Stichproben durchgeführt. Pro Jahr würden von den Apotheken etwa 10 000 Verdachtsfälle gemeldet, zum Beispiel Verpackungsfehler oder unerwünschte Wirkungen. Bei Kontrollen würden auch Arzneimittel-Fälschungen und -Manipulationen auffallen. Diese seien aber sehr selten. Im Jahr 2016, so die AMK, seien 14 Fälle mit Verdacht auf Arzneimittelfälschungen registriert worden. Aber keines der Medikamente aus Apotheken war wirklich gefälscht, heißt es in einer AMK-Mitteilung. Sollte so etwas dennoch auftreten, würden innerhalb weniger Stunden die betroffenen Arzneimittel aus allen deutschen Apotheken zurückgerufen.

Die größere Gefahr, auf unsaubere Medikamente zu stoßen, lauere im Internet, sagt Apothekerin Lange. Zum Beispiel beim Thema Viagra. „Ein Kunde, der dieses Mittel haben möchte, soll vorher zum Urologen gehen und von dort mit dem Rezept in die Apotheke kommen“, so die Radebeulerin. Manche würden aus Scham oder Kostengründen lieber im Internet, auch im Ausland bestellen. Da gebe es eine große Grauzone.