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Gastbeitrag: Gemeinsinn hat Zukunft

Die SZ hat verschiedene Menschen um Beiträge gebeten, was sich ändern muss. Heute: Diakon Volker Krolzik.

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© Matthias Weber

Von Volker Krolzik

„Sag’s mir ins Gesicht!“ Mit diesem Aufruf wendet sich die „Tagesschau“ seit einigen Wochen an Bürger, die im Internet Hass und Hetze verbreiten. Eine notwendige und wichtige Aktion, denn Hass ist keine Meinung und Hetze keine Meinungsäußerung. Eine Empörungs- und Wutkultur, in der jeder Dissens skandalisiert wird, verbreitet sich in den digitalisierten sozialen Medien und wird nach meinem Eindruck auch dadurch gefördert, dass man selbst nicht das eigene Gesicht zeigen muss und auch dem Gegenüber nicht ins menschliche Angesicht zu schauen braucht. Das führt häufig zu Verletzungen und gesellschaftlichen Tabubrüchen.

Deshalb brauchen wir in den Kommunen und Regionen niedrigschwellige Gesprächsforen, in denen Meinungen vertreten und angehört werden, um Kompromisse gerungen wird und auch verschiedene Auffassungen toleriert werden. In meinem Wohnort habe ich vor ein paar Wochen eine solche offene und respektvolle Diskussion über das Umgehen mit Geflüchteten und die notwendige Zuwanderung in unserer Region erlebt. Der faire Streit hat der Gesprächskultur gutgetan und die Freude an der Demokratie befördert. Kommunalpolitiker, Parteien, Vereine, Kirchen und soziale Einrichtungen sind aufgefordert, mehr Foren des offenen Gesprächs jenseits der eigenen Stammklientel zu schaffen. Und die Bürger sind aufgefordert, sich aktiv und konstruktiv einzubringen.

Zuwanderung ist auch in der Oberlausitz ein Reizthema. Für die Zukunft unserer schönen Region im Herzen Europas ist es aber wichtig, sich darüber zu verständigen, wie wir Menschen aus anderen Regionen und Ländern, Kulturen und Religionen dafür gewinnen wollen, hier zu leben und zu arbeiten. Schon jetzt fehlen uns Ärzte und Ingenieure/innen, Lehrer/innen und Pflegefachkräfte. In Kürze wird das auch für viele weitere Berufsgruppen gelten. Die Herausforderungen des demografischen Wandels werden wir nur bewältigen, wenn wir andere einladen, daran gleichberechtigt mitzuwirken. Wer an die Zukunft der Oberlausitz glaubt, wird sich dafür einsetzen, dass hier junge und alte Menschen verschiedener Herkunft gut und sicher leben können. Das ist freilich nicht leicht und wird gelegentlich auch zu Enttäuschungen führen. Doch kulturelle, religiöse und ethnische Vielfalt werden letztlich unsere Region bereichern und stärken.

Neben der notwendigen Zuwanderung brauchen wir auch eine höhere Wertschätzung und leistungsgerechte Entlohnung sozialer Berufe. Das gilt für Erzieher und Sozialpädagoginnen, denen wir unsere Kinder anvertrauen, ebenso, wie für Altenpfleger und Sozialarbeiterinnen, die die Würde der Mitmenschen pflegen, die auf Hilfe angewiesen sind. Sie alle sorgen für eine menschenfreundliche Gesellschaft. Junge Menschen, die heute Sonderpädagogik, Soziale Arbeit oder Pflegewissenschaften studieren oder eine Krankenpflege- oder Erzieherausbildung absolvieren, haben morgen einen sicheren und erfüllenden Arbeitsplatz. Außerdem sind Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe, Kliniken und Schulen bedeutende Arbeitgeber sowie wichtige Auftraggeber für Handwerk und Handel. Sie tragen wesentlich zur Zukunftsfähigkeit, zu Wohlstand und wirtschaftlichem Erfolg der Oberlausitz bei.

Schließlich kommt es auf unser bürgerschaftliches Engagement an. Hier gilt der Satz John F. Kennedys: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst.“ Einsatzmöglichkeiten für Freiwillige gibt es genug in den Kommunen, Kirchgemeinden, Vereinen, sozialen Einrichtungen und nicht zuletzt auch in den demokratischen Parteien. Ehrenamtlich Tätige wirken sozialer Kälte entgegen. Sie erfahren, dass Gemeinsinn wichtig ist, Sinn macht, Freude und Erfüllung schenkt. Mitmachen lohnt sich!