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Frau Safaes neue Heimat

Geflüchtete Frauen haben ihre Eindrücke von Sebnitz auf Fotos festgehalten. Postkartenidylle ist dabei kaum zu sehen.

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© Dirk Zschiedrich

Von Dirk Schulze

Sebnitz. Die rostigen Altglascontainer an der Dr.-Steudner-Straße hat sicher kein Tourist je fotografiert. Auch das Pflegeheim und der Lidl-Markt gehören gewiss nicht zu den favorisierten Motiven von Sebnitz-Besuchern. Fasane Safae hat diese Alltagsorte festgehalten. „So was gibt es bei uns nicht“, sagt die 25-Jährige. Vor gut einem Jahr kam sie mit ihrem Mann und den drei Kindern aus Afghanistan nach Deutschland. In ihrem Herkunftsland liegen die leeren Flachen auf der Straße herum. In der neuen Heimat landen sie aufgeräumt im Container. „Das gefällt mir“, sagt die junge Frau mit dem Kopftuch in gutem Deutsch.

Mit einer Einwegkamera knipste Fasane Safae, hier mit ihrem Sohn Junis, die Orte, die für sie eine besondere Bedeutung haben. In einer Ausstellung im Sebnitzer Rathaus sind Aufnahmen von neun Frauen jetzt zu sehen.
Mit einer Einwegkamera knipste Fasane Safae, hier mit ihrem Sohn Junis, die Orte, die für sie eine besondere Bedeutung haben. In einer Ausstellung im Sebnitzer Rathaus sind Aufnahmen von neun Frauen jetzt zu sehen. © Dirk Zschiedrich

Zusammen mit knapp einem Dutzend anderer Frauen und Mädchen trifft sie sich einmal wöchentlich zum Frauencafé, einem Angebot der Caritas, das über die allgemeinen Beratungs-Sprechstunden hinausgeht. „Das Hauptanliegen ist es, nicht über geflüchtete Frauen zu reden, sondern mit ihnen“, erklärt Sozialberaterin Magdalena Schneider. Den Frauen soll über Begegnungen der Zugang zum öffentlichen Leben erleichtert werden. Die gemeinsame Sprache ist Deutsch. Bei den wöchentlichen Treffs werden verschiedenste Themen besprochen – eine Frauenärztin war schon zu Gast –, es geht aber auch um gemeinsame Aktivitäten und kreatives Gestalten.

Für ein Fotoprojekt drückte Sozialarbeiterin Magdalena Schneider jeder der Frauen eine Einwegkamera vom Drogeriediscounter in die Hand. Damit sollten sie ein paar Tage lang festhalten, was Heimat für sie bedeutet. Wie ist es, wenn ich meine eigene Heimat verlassen muss und an einem neuen Ort ankomme? Was verbinde ich mit diesem Ort? Was gefällt mir, was gefällt mir nicht? Neun geflüchtete Frauen aus Libyen, Somalia, Indien, Irak, Kosovo, Pakistan und Afghanistan zogen mit den Kameras durch Sebnitz und Umgebung und knipsten, was ihnen zum Thema „Unsere Heimat“ in den Sinn und vor die Linse kam. „Die Ergebnisse sind spannend, weil ich Sebnitz dadurch auch noch einmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt habe“, sagt Magdalena Schneider von der Caritas.

Fasane Safae fotografierte neben dem Glascontainer beispielsweise noch eine blühende Blumenwiese. So viel saftiges Grün gibt es in Afghanistan nicht, sagt sie. Hier in Deutschland wird der Rasen spätestens alle zwei Wochen gemäht. Unter ihr Foto des Seniorenheims hat sie geschrieben: „Es ist gut, dass es Pflege- und Altenheime in Deutschland gibt.“ In Afghanistan müssen die Menschen bis zuletzt mit anpacken. Auch geparkte Autos hat sie fotografiert. Die 25-Jährige träumt davon, einmal den Führerschein zu machen.

Neben solchen hierzulande für selbstverständlich angesehenen zivilisatorischen Errungenschaften treten aber auch die damit verbundenen Unterschiede im zwischenmenschlichen Miteinander in ihren Fotos zutage. Ein Bild zeigt einen menschenleeren Gehweg in der Vorabendsonne. „Schade, dass in Sebnitz alle Menschen am Nachmittag in ihren Häusern und Gärten sind“, hat Fasane Safae dazu getextet. „Schön wäre es, wenn sie wie in Afghanistan miteinander sprechen und sich treffen würden.“

Ein anderes Foto zeigt ein Eigenheim am Rande einer schmalen Straße. An diesem Haus ging sie immer vorbei, als sie ihre Kinder aus dem Kindergarten abgeholt hat, erzählt die junge Mutter. Als sie noch recht neu in der Stadt war, kam einmal ein Mann aus dem Haus und sagte ihr, sie dürfe dort nicht entlang gehen. Er wollte nicht, dass Asylsuchende die öffentliche Straße vor seinem Haus benutzen. „Das Haus ist mir im Kopf geblieben“, sagt Fasane Safae. Damals konnte sie dem Mann noch nicht antworten. Den Weg benutzte sie trotzdem weiter. Als sich der Vorfall wiederholte, sprach sie schon besser Deutsch. Sie fragte den Mann: „Warum?“

Die Fotoausstellung „Neue Heimat“ mit Bildern und Texten geflüchteter Frauen ist bis zum bis 28. August im Sebnitzer Rathaus zu sehen. Eintritt frei. Das Frauencafé steht allen interessierten Frauen offen. Kontakt: Magdalena Schneider  01735416505 oder per [email protected] melden.