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Förderer der Diakonissen

Carl Demke war als Pfarrer weit über seine Kunnerwitzer Gemeinde hinaus wichtig. Heute vor 100 Jahren starb er.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

Kunnerwitz. Heiligabend stand Carl Demke noch auf der Kanzel, predigte in der Kunnerwitzer Kirche – und vier Tage später war er tot. Vermutlich, so erzählen es die Chroniken, erlag der Pfarrer einem Herzschlag. In der Familie, so berichtet seine Enkelin AnnaBarbara Klaer, gibt es keine genaueren Überlieferungen über Demkes Todesumstände. Verbürgt ist aber der Todestag: der 28. Dezember 1917 – heute vor 100 Jahren.

Demke muss eine beeindruckende Persönlichkeit gewesen sein und offensichtlich für viele Aufgaben geeignet. So war er nicht nur Pfarrer, sondern auch Königlicher Kreisschulinspektor und Vorsitzender der Oberlausitzer Synodaldiakonie. Mit dieser Funktion ist womöglich auch Demkes wichtigstes Erbe in der Stadt verbunden. Denn in seiner Amtszeit wurde das Diakonissen-Mutterhaus Salem im damaligen Klein-Biesnitz errichtet und eingeweiht.

Damit wurde in Görlitz eine Entwicklung aufgegriffen, die 1836 ihren Ursprung in Kaiserwerth nahm. Dort wurde das 1. Diakonissen-Mutterhaus gebaut. Diakonissen sind evangelische Ordensgemeinschaften, in denen Frauen eine Ausbildung erfuhren, ihren Beruf ausüben konnten und das Leben miteinander verbrachten. Für die damalige Zeit ein Schritt zur Emanzipation der Frauen. In den Gemeinschaften wurden vielerlei Ausbildungen angeboten, beispielsweise zur Krankenschwester, zur Apothekerin, zur Erzieherin, zur Lehrerin oder zur Köchin. Die Diakonissen trugen ein grau-weiß gepunktetes Kleid und eine Haube – die Tracht einer verheirateten Frau. Zwischen 1850 und 1901 wurden in der Kirchenprovinz Schlesien neun Mutterhäuser begründet. Das erste 1850 in Breslau, das letzte 1901 in Grünberg, das Görlitzer geht auf das Jahr 1899 zurück, als sich der „Verein zur Förderung der weiblichen Diakonie“ bildete, der sich 1901 in Oberlausitzer Synodaldiakonie umbenannte. Der Verein pachtete für die ersten beiden Diakonissen ein Bauernhaus an der Promenade in Groß-Biesnitz, später wechselten sie in eine Villa am Pfaffendorfer Weg in Klein-Biesnitz.

Carl Demke förderte wie sein Vorgänger die Diakonissen sehr, die eine besondere Beziehung zur Pfarrei in Kunnerwitz entwickelten. Noch heute zeugen ihre Gräber auf dem Friedhof in Kunnerwitz davon. Als das neue Mutterhaus 1910 eröffnet wurde, war alles da, was Rang und Namen hatte: der Landeshauptmann von Wiedebach-Nostitz, der Generalsuperintendent aus Breslau und der königliche Zeremonienmeister Kammerherr von Wiedebach und Nostitz aus Arnsdorf.

Schnell wurde das Mutterhaus, in dem auch ein Altenheim und ein Säuglingsheim untergebracht waren zu klein. So wurden 1927/28 die Salem-Häuser an der Schlaurother Straße gebaut, in das frühere Diakonissen-Mutterhaus am Aufgang zur Landeskrone zog nach der politischen Wende die Kirchenverwaltung der Görlitzer Landeskirche ein, heute hat der Generalsuperintendent in diesem Evangelischen Zentrum seinen Sitz. So wichtig Demke für die Diakonissen war, so hinterließ er trotz seiner kurzen Amtszeit auch in der Kunnerwitzer Gemeinde seine Spuren.

Geboren 1864 in Berlin, studierte Demke in seiner Heimatstadt Theologie und übernahm nach einer Hilfspredigerstelle in Berlin-Wilmersdorf 1893 die Pfarrstelle in Nieder-Cosel bei Niesky. 1904 kam er nach Kunnerwitz. In seiner Pfarrzeit wurde der Friedhof erweitert, die Kapelle in Jauernick lag ihm am Herzen und eine Orgel aus der bekannten Zittauer Orgelwerkstatt Schuster wurde eingebaut.

Dem beruflichen Beispiel Carl Demkes folgten in der Familie viele. Seine Söhne Friedrich und Paul nahmen auch ein Theologie-Studium auf. Friedrich aber konnte es nicht vollenden, weil er 1914 in den Ersten Weltkrieg eingezogen wurde und bald darauf im Kurland fiel. Paul hingegen, 1897 in Kosel geboren, wurde Pfarrer und Superintendent in Bunzlau. Nach der russischen Gefangenschaft, aus der er erst 1949 zurückkehrte, übernahm er im August 1950 die Pfarrstelle an der Görlitzer Kreuzkirche und amtierte als Superintendent. Wie sein Vater war ihm aber auch kein hohes Alter vergönnt, schon 1960 starb er.

Sein Sohn, Christoph Demke, brachte es als Pfarrer noch weiter und war zuletzt in Magdeburg Bischof der Kirchenprovinz Sachsen. Christophs Schwester Anna-Barbara Klaer, die heute wieder in Görlitz mit Blick auf die Kreuzkirche wohnt, wollte eigentlich Ärztin werden, durfte aber nach dem erfolgreichen Abitur in Görlitz nicht Medizin studieren. So machte sie zunächst eine Ausbildung als Krankenschwester. Als sich die Hoffnungen zerschlugen, dass die DDR sie noch studieren lassen würde, studierte sie an einer kirchlichen Hochschule Theologie und wurde ebenso Pfarrer. Ihr Mann, Ingo Klaer, bildete wiederum künftige Pfarrer am kirchlichen Berliner Sprachenkonvikt und am Katechetischen Oberseminar in Naumburg aus. Bekannte Görlitzer Pfarrer wie Martin Herche oder Hans-Wilhelm Pietz studierten bei ihm. „Ingo Klaer hat den Weg und die theologische Arbeit der Kirchlichen Hochschulen im Osten Deutschlands nachhaltig mitgeprägt“, erinnert sich Pietz, „die theologische Forschung mit inspirierenden Beiträgen vorangebracht und die Studierenden zur eigenen theologischen Existenz und auf dem Weg ins Pfarramt ermutigt.“ Nach Klaers Tod im vergangenen Jahr in Görlitz hat Hans-Wilhelm Pietz in diesem Sommer eine Sammlung von Aufsätzen Klaers zu Fragen von Ethik und der Philosophiegeschichte herausgegeben.

Die Kunnerwitzer Gemeinde wird nun am 7. Januar ihrem Pfarrer Carl Demke gedenken. Ulrich Wollstadt, der heute die Pfarrstelle in Kunnerwitz inne hat, will in einem Gottesdienst ab 14 Uhr im Gemeindehaus in Erzählungen und Berichten das Leben Demkes in Erinnerung rufen.

Ingo Klaer: Mensch sein, Mensch werden, Mensch bleiben – Aufsätze und Vorträge. Aus dem Nachlass herausgegeben von Hans-Wilhelm Pietz. Verlag Gunter Oettel Görlitz/Zittau. ISBN 978-3944560-41-0; 24 Euro