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Flüchtlingshelfer warnen vor neuem Ärger

Im Moritzburger Asylheim leben nun viele ohne Bleibeperspektive. Werden sie sich selbst überlassen, drohen Probleme.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Moritzburg. In den vergangenen Monaten ist etwas Ruhe eingekehrt rund um die Moritzburger Asylunterkunft. Das freut Heimleiterin Sandra Wolf genauso wie Grit Saathoff, die Sprecherin der Flüchtlingsinitiative in der Gemeinde. Das Krisengespräch Ende Januar scheint etwas gebracht zu haben. Nach einer Reihe von nächtlichen Brandfehlalarmen und gehäuften Diebstählen im Supermarkt war der Gesprächsbedarf groß. Bürgermeister, Polizei, Feuerwehr, Heimleitung und Landratsamt berieten über die nötigen Schritte.

Seit etwa einem Vierteljahr hat es Sandra Wolf zufolge keine Fehlalarme mehr gegeben. In den Hauptkochzeiten führt sie verstärkt Küchenkontrollen durch. „Aber einige Fehlalarme hatten auch bauliche Gründe“, erklärt sie. Die Brandmelder seien von der zuständigen Firma in der Sensibilität korrigiert worden. Eine Brandschutzübung soll in den nächsten Wochen für die Bewohner des Heims erfolgen.

Der vorübergehend von Netto beauftragte Sicherheitsdienst ist nach Informationen von Grit Saathoff nicht mehr vor Ort. Neun Bewohner haben von dem Discounter ein bundesweites Hausverbot erhalten. Auch Strafen wurden verhängt. „Die werden von den Männern über die Kürzung ihrer Gutscheinwerte zurückgezahlt“, sagt Heimleiterin Sandra Wolf. Zudem darf beim Kauf von Flaschen nur noch eine bestimmte Menge erworben werden. Denn einige Bewohner hatten sich massenweise mit Getränken eingedeckt, um den Inhalt auszuschütten, das Pfand einzulösen und so an etwas Bargeld zu gelangen.

Doch sowohl die Heimleiterin als auch die Initiative sehen den aktuellen Frieden auf sehr wackeligem Fundament. Denn an den Voraussetzungen hat sich nichts geändert: Anders als die ersten Heimbewohner, die Anfang 2016 kamen und überwiegend Syrer waren, leben jetzt viele Männer ohne Bleibeperspektive in der Unterkunft. Nach Angaben von Landkreis-Verwaltungsdezernent Manfred Engelhard haben 19 bereits eine Ablehnung ihres Asylgesuchs bekommen, bei 33 läuft das Asylverfahren gegenwärtig noch. Als die größten vertretenen Nationalitäten nennt er Afghanen, Marokkaner und Libyer. Alles Gruppen, die in der aktuellen Entscheidungspraxis wenig Aussicht auf einen Aufenthaltstitel haben. Entsprechend frustriert ist die Grundstimmung im Heim.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass inzwischen innen alles baulich auf Vordermann gebracht wurde. Seit Ende vergangenen Jahres erfüllt das zunächst als Notunterkunft eröffnete Heim die Standards einer normalen Gemeinschaftsunterkunft. Laut Manfred Engelhard erfolgten Arbeiten im gesamten Gebäude. Dabei wurden die Raumgrößen reduziert und überwiegend Dreibettzimmer geschaffen, Gemeinschaftsküchen eingebaut und die sanitären Anlagen erneuert sowie nach Geschlechtern getrennt. Insgesamt hält das Heim 85 Plätze bereit. 63 davon sind aktuell belegt – ausschließlich von Männern.

Was unter diesen für zusätzliche Frustration sorgt, ist die Zuteilung von Coupons statt Bargeld. Etwa jeder dritte Bewohner bekommt vom Landratsamt nur personenbezogene und im Verwendungszweck festgelegte Gutscheine. Das betrifft Grit Saathoff zufolge alle abgelehnten Bewerber. „Wenn es als Sanktion dient, kann ich es verstehen, sonst aber nicht“, sagt die Ehrenamtlerin. Dann nehme man ihnen das letzte Stück Menschlichkeit, indem man sie wie Menschen zweiter Klasse behandelt.

„Man möchte sie zur freiwilligen Ausreise bewegen“, erklärt sich Heimleiterin Sandra Wolf die Regelung. „Aber man muss sich überlegen, was mit denen wird, die hartnäckig hier bleiben, weil ihre Perspektive zu Hause noch viel schlechter ist.“ Die Politik müsse sich Gedanken machen, wie man sie beschäftige, um ihr Potenzial zu nutzen. „Warum kann man ihnen nicht auch Jobs geben?“, fragt sie.

Doch wie Manfred Engelhard erläutert, sind die vom Landkreis angebotenen und vom Freistaat geförderten Arbeitsgelegenheiten nur für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive vorgesehen. „Unser Anliegen ist, dass die Abgelehnten Deutschland so schnell wie möglich verlassen müssen.“

Die Realität gestaltet sich anders. „Marokko stellt keine Pässe aus. Die Marokkaner hängen hier fest“, sagt Initiativensprecherin Grit Saathoff. Darum hält sie zumindest Freizeitangebote in der Unterkunft für dringend erforderlich. Sporttreffs sind gefragt. Auf den jüngsten Hilferuf der Vielfaltsmitstreiter in der SZ meldete sich ein Dresdner, der Interesse hat, die Bewohner ehrenamtlich im Fußball zu trainieren. Als Ziel stehen schon Turniertermine fest. Auch ein Moritzburger will sich mit einbringen.

Doch die Initiative braucht weitere Verstärkung. Von ehemals weit über 100 Unterstützern ist nur noch ein Kern von rund 20 Personen praktisch tätig. Diese Wenigen sind vielfach voll berufstätig und betreuen nebenbei bis zu vier Flüchtlinge. Flüchtlinge, die das Heim meist bereits verlassen haben. Mit diesen sind sie bereits ausgelastet.

Für die neueren Bewohner werden neue Helfer benötigt. Großer Bedarf besteht an Paten. Deren wichtigste Aufgabe ist es, die Asylsuchenden bei Behördengängen zu begleiten und ihnen bei der Suche nach einem Praktikumsplatz unter die Arme zu greifen.

„Wir müssen präventiv arbeiten“, mahnt Initiativensprecherin Grit Saathoff. „Wenn der Lagerkoller kommt, haben wir ein Problem.“