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„Es geht nicht mehr nur um mich“

Tafel-Chef Andreas Schönherr erklärt im SZ-Interview seine schwierige Privatsituation. Die Kritik am Verein und neuen Veranstaltungsformaten lässt er nicht gelten.

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© Sven Ellger

Die Dresdner Tafel hat wieder einen kompletten Dreiervorstand. Alrik Schumann (26) ist seit dieser Woche neues Mitglied im Führungsgremium des in der Kritik stehenden Vereins. Er unterstützt nun den umstrittenen Vorsitzenden Andreas Schönherr (40), der sich einem SZ-Interview stellte.

Herr Schönherr, wie ordnen Sie die heftige Tafel-Kritik ein?

Das hängt mit den Veränderungen der Tafel zusammen. Für viele ist sie so etwas wie das Pendant zu Mutter Theresa. Sie haben beim Gedanken an die Tafel die Idee, dass da Suppentöpfe dampfen und eine lange Schlange von Armen und Obdachlosen ansteht. Es hat sich über die letzten 20 Jahre ein Tafel-Bild entwickelt, das stark über Edith Franke und ihre Bedürftigkeitsrhetorik geprägt wurde. Ich kenne Leute, die gehen nicht zur Tafel, weil sie denken, dass sie dafür nicht arm genug sind. Wir müssen uns darum kümmern, dass sie sich nicht stigmatisiert fühlen.

Und woher kommt die Kritik?

Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Phänomen. Viele Leute sind grundsätzlich schnell mal bereit, sich aufzuregen. Vielleicht wohnt einem großen Teil der Bevölkerung einfach eine große Unzufriedenheit inne. Und vielleicht hat es in Dresden durch Pegida ja auch so etwas wie einen Dammbruch gegeben.

Haben Sie selbst Fehler gemacht?

Intern hätten wir nichts anders, richtiger und besser machen können. Wir stehen immer für alle Fragen zur Verfügung. Wenn aber die internen Kritiker nicht kommen und fragen und ihre Antworten übers Spekulieren finden, dann kann man nichts machen.

Müssen Sie also extern etwas besser machen?

In dem Moment, in dem wir etwas tun, erklären wir es ja schon. Es gibt keine Hinterzimmerentscheidungen, und es wird keine Information zurückgehalten. Es ist eine Art von Missgunst, Neid und Boshaftigkeit, die den Menschen innewohnt, die dann die Tatsachen verdrehen, sich Erklärungen nicht zu eigen machen und Gerüchte streuen. Das ist intern passiert und von Externen sehr dankbar aufgegriffen worden.

Warum vergibt die Dresdner Tafel Darlehen?

Das hat sich historisch so entwickelt. Ich sehe unsere Aufgabe nicht nur darin, dafür zu sorgen, dass der Magen gefüllt ist. Tafeln helfen, die soziale und kulturelle Teilhabe zu steigern, in finanzieller und materieller Hinsicht.

Für Darlehen gibt es doch aber Banken?

Die sind da außen vor. Alle Tafelkunden haben ein zu niedriges Einkommen, um ein Darlehen bei einer Bank zu bekommen.

Sie haben selbst Darlehen bekommen, fast 15 000 Euro. Gehören Sie zu den Menschen mit zu niedrigem Einkommen?

Ich habe mein Geld in der Finanzkrise verloren und bin hoch verschuldet. Ich habe sechsstellige Schulden gegenüber einer Firma, die keine Banklizenz mehr hat, aber weiter existiert. Jetzt lebe ich mit ALG-II-Beziehern auf Augenhöhe. Ich habe angefangen, entmaterialisiert zu leben. Mein Kühlschrank wird gefüllt von Menschen, die in der solidarischen Landwirtschaft arbeiten. Ich ziehe aus meinen Unternehmungen nicht mehr Geld als ich für meine Transportmittel, Kommunikationsmittel und meinen Arbeitseinsatz benötige. Darüber hinaus erarbeite ich mir kein Einkommen.

Sie zahlen das Darlehen zurück?

Ich zahle jeden Monat 400 Euro zurück, manchmal auch mehr.

Glauben Sie, dass mit Ihren Stellungnahmen jetzt die Kritik endet?

Nein. Ich habe das Gefühl, dass der Wille, zu verstehen und zu akzeptieren, dass es hilfreich ist, unkonventionell Entscheidungen zu treffen, nicht sehr stark ist.

Könnte diese Auseinandersetzung enden, wenn Sie in die zweite Reihe zurücktreten?

Das glaube ich auch nicht. Nur dann, wenn jemand entscheidet, Andreas Schönherr hat gegen Recht und Gesetz verstoßen. Aber es geht nicht mehr nur um mich, es müsste dann ein neuer Vorstand kommen.

Das Gespräch führte Christoph Springer.