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Ernten auf Russisch

Zwei Mähdrescher aus dem fernen Osten sind auf heimischen Feldern bei Löbau unterwegs. Das ist noch eine Seltenheit.

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© André Schulze

Von Constanze Junghanß

Kein Windhauch streift über die Ähren. Das goldgelbe Korn steht wie eine Eins. Nicht mehr lange allerdings. Denn Stefan Hoffmann tuckert mit einer großen Erntemaschine über das Feld. Auf den Oppelner Feldern bei Löbau ist er ebenso unterwegs wie in der Nähe von Rietschen. Als Fahrer des Kolosses sitzt er etwa zweieinhalb Meter über dem Boden. Fantastischer Ausblick auf die Umgebung durch die Glasfront inklusive.

Das Besondere: Die Erntemaschine kommt aus Russland, genauer aus Rostow am Don. Mit dem Mähdrescher RSM 161 erntet Stefan Hoffmann jetzt den Roggen. Zusammen mit seinem Vater bietet der 25-Jährige Dienstleistungen in der Land- und Forstwirtschaft an. Getreide dreschen gehört dazu. Mit der Maschine aus Osteuropa ist er erstmalig unterwegs. Eine Probefahrt sozusagen bis zum Ernteende. Solche Maschinen wären in der Region bisher noch nicht auf dem Markt gewesen.

Herangeholt hat das russische Fabrikat die Landtechnik Oberlausitz GmbH aus Oppeln. Sie ist eine von zwei russischen Maschinen, die seit 14 Tagen auf den Feldern der Oberlausitz im Einsatz sind. So fuhr der Riese unter anderem schon auf Kleinradmeritzer und Gröditzer Flur. Bereits im März dieses Jahres bahnte sich der Feldversuch der neuen Technik an: Da waren Andreas Zimmermann und Verkaufsmitarbeiter Raimund Hänsel von der Landtechnik in der 2200 Kilometer entfernten Millionenmetropole Rostow am Don. „Dort haben wir uns die Mähdrescherfabrik des Herstellers Rostselmash angeschaut“, sagt Zimmermann, Mitgeschäftsführer der Oberlausitzer Landtechnik Oppach.

Die Technik dieses Herstellers, der laut eigenen Prospekten als größter Landmaschinenhersteller in Russland und Osteuropa gilt, überzeugte den Firmenchef und seine Mitarbeiter. Per Tieflader wurden sie mit Hilfe einer polnischen Spedition nach Ostsachsen gebracht.

Und so gibt es in Oppeln nun zwei „Russen“ bei dem Unternehmen. Die können auch gekauft werden. Dass sie bereits im Einsatz sind, hängt damit zusammen: „Unsere Landwirte können zusammen mit einem Mitarbeiter von uns Probefahrten machen“, erklärt Herr Zimmermann. Das Interesse dafür sei im gesamten Vertriebsgebiet in den Kreisen Görlitz, Bautzen und im südlichen Raum Brandenburg groß. Beim Ersteinsatz vor Ort waren zwei russische Ingenieure mit dabei. „Sie haben den Start fachlich begleitet“, sagt Andreas Zimmermann. Bei der Entscheidung für den neuen Anbieter spielte beim Oppelner Betrieb auch das Ende mit einem bisherigen Kooperationspartner eine Rolle, die nach 24 Jahren im vergangenen Jahr endete. Neue Vertragspartner für Traktoren und Grünfuttertechnik sind nun neben den Rostowern die Traktorenmarke Valtra aus Finnland und Fella für die Futtertechnik mit Standort bei Nürnberg.

Unbekannt ist russische Technik auch auf den hiesigen Feldern nicht. Ihren Boom erlebten Traktoren wie Belarus und Co. bereits ab den 50er und 60er Jahren. Noch bis zur Wende und auch danach waren die robusten Traktoren oft zu sehen. Und einige haben sich mittlerweile sogar zu Liebhaberstücken in der Oldtimerszene gemausert. Natürlich sei die Technik von damals mit heute gar nicht vergleichbar, weiß Zimmermann. Denn die neuen Erntemaschinen vom Don sind mit allen modernen Raffinessen ausgestattet. „Gesteuert wird spurgetreu über Satellit per GPS, ohne dass der Fahrer eine Hand am Lenkrad haben muss“, erklärt Raimund Hänsel. Der sitzt ziemlich bequem in der gefederten Kabine. Ein Bordcomputer ist vorhanden. Auf drei der verschiedenen Knöpfen sind Tiersymbole abgebildet: Schnecke, Schildkröte und Hase stehen für die Geschwindigkeiten langsam, mittel und schnell. Über 1000 Liter Kraftstoff passen in den Tank hinein. Sprit für einige Probefahrten für die hiesigen Landwirte.