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Einzug im Einkaufsbahnhof

Sechs Jahre nach dem Kauf hat der Herrnhuter Architekt Daniel Neuer der einstigen Ruine neues Leben eingehaucht.

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Herrnhut. Manja Komfort und ihre Kollegin freuen sich schon: „Endlich keine kalten Füße mehr bei der Arbeit!“, sagen die beiden Blumendamen und ein Strahlen huscht über ihre Gesichter. In der Tat wird das neue Geschäft von Thomas Berndt Fußbodenheizung haben – so wie alle Läden im umgestalteten Herrnhuter Einkaufsbahnhof. Den Blumen mache das übrigens nichts aus – aber den Mitarbeiterinnen tue es gut, schmunzelt der Unternehmer. Mit dem Umzug von der Löbauer Straße rund 200 Meter weiter in das frühere Bahnhofsgebäude hat sich Berndt deutlich erweitert: „Das Geschäft ist doppelt so groß und wir werden eine Außenverkaufsfläche nutzen können“, freut sich der Oderwitzer.

Wer noch im Bahnhofsladen zu finden ist

Mit Dampf: Janina Schönfelder bringt den Kaffeegenuss ins Nostalgia Privatim der Donaths. Das Service im Café kann man im Laden nebenan gleich auch für zu Hause erstehen.
Mit Dampf: Janina Schönfelder bringt den Kaffeegenuss ins Nostalgia Privatim der Donaths. Das Service im Café kann man im Laden nebenan gleich auch für zu Hause erstehen.
Viel Stoff: Susan Noack (l.) und Marie Grohmann beim Einräumen der Stoffballen in das Geschäft von Madlen und Matthias Donath. Der Laden hat eine Verbindung zum neuen Café.
Viel Stoff: Susan Noack (l.) und Marie Grohmann beim Einräumen der Stoffballen in das Geschäft von Madlen und Matthias Donath. Der Laden hat eine Verbindung zum neuen Café.
Mit Pfiff: Bioprodukte können Alf Wendland und seine Frau Ramona im neuen Bahnhofsladen besser präsentieren. Ihr Geschäft ist dort, wo früher die Halle mit Schaltern und Mitropa-Eingang war.
Mit Pfiff: Bioprodukte können Alf Wendland und seine Frau Ramona im neuen Bahnhofsladen besser präsentieren. Ihr Geschäft ist dort, wo früher die Halle mit Schaltern und Mitropa-Eingang war.

Vergrößert haben sich auch Madlen und Matthias Donath. Ihr Reich ist genau auf der anderen Gebäudeseite untergebracht, dort, wo einst die Mitropa war. Ein bisschen knüpfen Donaths mit ihrem Doppelladen an diese Tradition an: Zum einen betreiben sie ein Café mit zwölf Sorten selbst gemachtem Eis, einem kleinen, warmen Imbissangebot und dem Verkauf von Backwerk aus der Oderwitzer Feinbäckerei Otto. Zum anderen ziehen im Raum nebenan die Stoffe und Accessoires im skandinavischen Stil ein, die Frau Donath bisher auf der Dürningerstraße angeboten hat.

Zwischen Café und Einrichtungsladen gibt es eine räumliche und auch eine ideelle Verbindung, denn die Kunden können sich direkt im Café von Dekogegenständen inspirieren lassen: „Die Tassen und Teller, auf denen wir hier im Café servieren, gibt es nebenan zu kaufen“, zählt Matthias Donath als Beispiel auf. Seine Frau wird zudem – bei entsprechender Anmeldung und Nachfrage – das Café gelegentlich in ein Nähcafé verwandeln: „Ich gebe gern Kurse, das kann ich hier auch gut einrichten“, freut sie sich. So wie auch der einstige Saal im früheren Bahnhof werden die Café-Räumlichkeiten durchaus für Feste, Weihnachts- oder Familienfeiern offen stehen und zu buchen sein. Einen kleinen Außensitz rund um die ehrwürdige Linde werden die Donaths ebenfalls einrichten.

Ganz neu einrichten wollen sich auch Ramona und Alf Wendland im Bahnhof. Ihr Geschäft mit vielen Bioprodukten lag 25 Jahre lang in der Dürningerstraße. „Da hat man schon ein bisschen Bauchdrücken, wenn man den Laden ausräumt“, gesteht Alf Wendland. Aber viel Zeit zu Sentimentalitäten haben die beiden nicht – und vor allem freuen sie sich auf ihren Neustart rund 500 Meter vom alten Geschäft entfernt. Auch bei ihnen spielte das größere Platzangebot eine entscheidende Rolle: „Wir haben jetzt auch ein Lager und konnten eine Kühlzelle einrichten. Außerdem können unsere Lieferanten bequem heranfahren und entladen, das war bislang immer ein Problem“, schildert Alf Wendland die Neuerungen. Auch die Fläche im Geschäft selbst bietet nun die Chance, das Biosortiment überhaupt erst einmal angemessen zu präsentieren und zu erweitern.

Dass gleich gegenüber mit dem Geschäft von Dienels gewissermaßen die Konkurrenz vor der Haustür ist, sieht Wendland pragmatisch: „Je mehr Geschäfte es hier gibt, desto mehr Kunden kommen.“ Und bislang habe man sich ja auch nichts weggenommen. Dass Wendlands Umzugspläne hegten, sei auch lange bekannt gewesen. „Wir haben uns gleich, als Daniel Neuer den Bahnhof gekauft und erste Ideen entwickelt hatte, mit dem Gedanken getragen, einmal hierherz ziehen“, sagt er.

Der Termin, an dem Daniel Neuer den Bahnhof erstanden hat, liegt in der Tat schon eine Weile zurück: Im September 2011 habe er in Berlin auf einer Versteigerung den Zuschlag erhalten. Für 5 000 Euro damals. Eigentlich wollte Neuer auch viel schneller das leer stehende Gebäude wiederbeleben. Am Ende sind es sechs Jahre geworden – wobei die Bauarbeiten selbst nur ein Jahr in Anspruch genommen haben. In dieser Zeit hat er einige Tausender investiert – wie viel genau, möchte er nicht genau sagen.

Was entstanden ist, kann sich aber sehen lassen: Die Kubatur der Räume im Bahnhof ist weitgehend so geblieben und auch von der „Ursubstanz“ – von Fenstern über Türen bis zu Fliesen – hat Daniel Neuer so viel wie möglich aufarbeiten statt ersetzen lassen. Das war ihm ein wichtiges Anliegen. Das Dach hatte natürlich durch den Brand im April 2012, durch Vandalismus und Nässe enorm gelitten. Nun zieht genau dort die Vergangenheit in das runderneuerte Haus ein: Und das bringt eine kleine Modellbahngruppe mit. Zwei eisenbahnbegeisterte Senioren und drei ebenso modellbahnverrückte Erwachsene mit Behinderung hatten sich zusammengefunden. Sie können sich nun künftig auf dem Dachboden über ihre Miniaturen beugen und basteln.