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Einsatz auf dem Martinshof

Die Studenten der Polizeihochschule zeigen was sie können. Bei der Übung helfen Bewohner des Diakonischen Werks in Rothenburg.

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© Jens Trenkler

Von Sabine Ohlenbusch

Die Spannung steigt. Vor allem bei Cathrin Geißler. Die junge blonde Frau aus Rothenburg ist die heutige Hauptdarstellerin. Gleich, gegen acht Uhr am Freitagmorgen, wird ihre Betreuerin eine Vermisstenmeldung bei der Polizei machen. Cathrin Geißlers Lebensgefährte Christian Schleuder sei im Streit am Abend zuvor aus der gemeinsamen Wohnung gestürmt und seitdem nicht zurückgekehrt. Zuvor habe er noch das Zimmer verwüstet und Bierflaschen eingepackt. Um die Sicherheit und Gesundheit des Mannes sei zu fürchten.

Glücklicherweise ist diese Geschichte ausgedacht. Die beiden Hauptfiguren des kleinen Dramas leben in Wirklichkeit gemeinsam in einer Wohngruppe auf dem Martinshof. Sie sind nicht liiert, haben sich nicht gestritten und Christian Schleuder ist auch nicht in Gefahr. Dennoch kommt kurz nach acht Uhr der erste Streifenwagen vorgefahren. Die beiden jungen Männer in Polizeiuniform studieren an der Hochschule der Polizei. Sie stehen kurz vor dem Abschluss und beweisen ihr Können bis Freitag auf den Straßen Rothenburgs.

Dazu gibt es verschiedene Übungsszenarien, an jedem der fünf Termine ein neues. Die Geschichten handeln jeweils nicht von Verbrechen im engeren Sinne, sondern in allen Fällen müssen die Studenten einen vermissten Menschen finden. Dringlich wird das, weil jede der Personen sich selbst gefährdet. Das müssen die Studierenden aber an jedem Tag erst einmal herausfinden. In diesem Szenario suchen sie eben Christian Schleuder.

Der Kurs an der Hochschule, für den die Studenten sich in die Praxis stürzen, dreht sich um Einsatzlehre und deren Management. Rund 125 haben ihn in diesem Semester besucht. In Gruppen von etwa 25 verteilen sie sich auf die verschiedenen Tage. Entworfen hat die Übung samt Szenarien Polizeidirektor Jürgen Siegert. Er ist Dozent an der Hochschule und sucht sich für seine Übungen in jedem Jahr eine andere Einrichtung in Rothenburg, mit der er zusammenarbeitet. Zum ersten Mal ist nun der Martinshof Partner. „Mein Ziel ist eine sehr realitätsnahe Übung“, sagt Jürgen Siegert. „Im Gegenzug bedeutet es einen recht hohen Aufwand mit Privatpersonen zu arbeiten.“

Cathrin Geißler bittet vor dem Gebäude einen Mitarbeiter des Diakonischen Werkes um eine Zigarette. Eben ist sie noch unruhig auf ihrem Stuhl herumgerutscht und hat bereut, ihre eigenen vergessen zu haben. Sie hat noch nicht ganz fertig geraucht, da begleiten sie die gerade angekommenen Studenten René Müller und Christopher Werner wieder hinein. Die 33- Jährige wird nun als Zeugin gebraucht.

Sofort fragt das Team aus dem Streifenwagen nach dem Erscheinungsbild ihres ausgedachten Partners. Auch ob sie ein Foto bei sich habe, wollen sie wissen. Da haben die beiden Glück, an dieses Detail gedacht zu haben. Cathrin Geißler hat zuvor von Jürgen Siegert die klare Anweisung erhalten, das Foto nur auf Nachfrage herauszugeben. Damit die Übung nicht zu leicht wird. Per Whatsapp teilen René Müller und Christopher Werner das Porträtbild mit ihren Teamkollegen, die sich überall in der Stadt aufhalten.

Dann geht alles ziemlich schnell. Ein kurzer Funkspruch kommt aus dem Walkie-Talkie und ein leiser Seufzer aus Jürgen Siegerts Mund. Noch vor halb neun bringt eine weitere Polizeistreife den Vermissten Christian Schleuder wohlbehalten ins Wichernhaus zurück. Mit seinem Markenzeichen, einer gelb-schwarzen Bommelmütze, ist er durch den Rothenburger Park weithin sichtbar gewesen. Die Studierenden haben gut zusammengearbeitet und die richtigen Schlüsse gezogen.

Der Vollständigkeit halber kommen noch zwei Studenten, die an diesem Morgen in die Rolle von Kriminaltechnikern bei der Kriminalpolizei schlüpfen. David Rast und Philipp Fitzmann untersuchen die eigens für diesen Zweck verwüstete Wohnung, machen Fotos und stellen Beweisstücke sicher. Sie befragen auch Cathrin Geißler noch einmal ausführlich. Christian Schleuder sieht ihnen aus dem Hintergrund zu. Er dürfte sich freuen, dass die Teams ihre Aufgabe in Rekordzeit gelöst haben.

„Ich finde, solche praktischen Aufgaben gibt es viel zu wenig im Studium“, sagt David Rast. Er hat zwar durch seine vorherige Ausbildung als Polizist selbst schon eine Menge Erfahrung. Aber für seine Kollegen, die direkt von der Schule kommen, seien Gelegenheiten wie diese Übung viel zu selten.