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Eine Maschine voll dreckiger Wäsche

Eine Lommatzscherin soll von ihrem Schwager geschlagen worden sein. Sie belastet ihn schwer. Der Staatsanwalt zieht schließlich die Notbremse.

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© André Braun

Von Jürgen Müller

Meißen. Die 54-jährige Frau aus Lommatzsch ist zwar als Zeugin geladen, aber sie muss nichts sagen. Denn auf der Anklagebank sitzt ihr Schwager. Deshalb hat sie ein Aussageverweigerungsrecht. Niemand muss Verwandte vor Gericht belasten. Sie will dennoch aussagen. Und nutzt die Gelegenheit reichlich, um ihren Schwager ins schlechte Licht zu rücken. Es wird deutlich: Das hier ist eine schrecklich nette Familie. Man ist offenbar total zerstritten. Und will den Streit nun vor dem Strafgericht fortsetzen.

Die Frau ist nicht nur Zeugin, sie ist mutmaßlich auch Opfer einer Straftat, deretwegen ihr 66-jähriger Schwager angeklagt ist. Der Döbelner soll die Frau, die er von einer Feier abgeholt hatte, geschlagen, getreten und beleidigt haben. Zuvor soll er versucht haben, die 54-Jährige aus dem fahrenden Auto zu stoßen. Zu den Vorwürfen will sich der Angeklagte nicht äußern.

Dafür redet die Schwägerin. Sie sei an jenem Oktobertag vorigen Jahres bei einer Geburtstagsfeier in Lommatzsch gewesen, von der sie vereinbarungsgemäß ihr Schwager gegen 23 Uhr abgeholt hatte. „Es war sehr schön, es floss viel Alkohol“, sagt die Frau, die Stunden nach der Tat noch einen Blutalkoholwert von 1,81 Promille hatte. Für diese hohe Alkoholisierung hat sie erstaunlich präzise Erinnerungen. Im Auto sei es zum Streit mit dem Schwager gekommen. Der prahle oft mit seinen Nebenbeschäftigungen, die er auch bei ihrem Ex-Mann habe, sagt die Frau. „Der arbeitet schon viele Jahre schwarz. Ich sagte ihm, er solle das nicht überall rumerzählen“, sagt sie. Sie habe gedroht, ihn anzuzeigen. „Da ging das Theater los.“ Daraufhin sei der 66-Jährige ausgerastet. Erst habe er sie am Arm gegriffen und versucht, sie „mitten in der Pampa“ aus dem Auto zu werfen. Dann habe er angehalten, sie geboxt und mit den Worten „Steig aus“ aus dem Wagen befördert. Vor dem Hoftor sei das „Gefecht“ weitergegangen. Der Mann habe sie geschlagen, sie sei gestürzt. Daraufhin habe er die am Boden liegende Frau mehrfach mit den Füßen getreten. „Ich bin zur Seite gerobbt und habe um Hilfe gerufen“, sagt sie.

Was für eine Firma denn ihr Ex-Mann habe, bei welcher der Schwager angeblich schwarzgearbeitet habe, will der Richter wissen. Jetzt hat die Frau plötzlich keine Erinnerungen mehr. „Er hat eine ganze Menge Baufirmen“, sagt sie. Bei welcher ihr Schwager gearbeitet haben soll, wisse sie aber nicht. Das ist sogar verständlich, immerhin ist sie seit 17 Jahren von ihrem Mann geschieden.

Doch sie wäscht weiter eine ganze Waschmaschine voll schmutziger Wäsche, antwortet auf Fragen, die gar nicht gestellt wurden, um ihren Schwager in einem schlechten Licht erschienen zu lassen. Nach der Tat war sie im Krankenhaus, hat sich aber selbst entlassen. Auf dem Heimweg habe sie festgestellt, dass durch die Tat ein Schneidezahn abgebrochen sei. Deshalb sie sie zurück ins Krankenhaus gegangen. Dort nahm die Polizei dann auch eine Blutprobe bei der Frau.

Der Staatsanwalt zieht die Notbremse, schlägt ein Rechtsgespräch vor, um das unwürdige Spiel zu beenden. Dass es einen Vorfall gegeben hat, ist für das Gericht klar. Aber die Schilderungen der Zeugin sind äußerst unglaubwürdig und von hohem Belastungseifer geprägt. Das Gericht stellt deshalb das Verfahren gegen eine Auflage ein. Der Rentner muss 80 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten. Alles andere müssen die Streithähne vor einem Zivilgericht klären.