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Ein tierisches Dilemma

Auch das Tierheim Riesa hat mit schwierigen Fällen zu tun. Meist ist aber der Hundebesitzer das Problem.

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© Sebastian Schultz

Von Britta Veltzke

Riesa. Als Tierheimchef Uwe Brestel und Mitarbeiterin Sindy Schneider an Bens Auslauf ankommen, läuft der Hund aufgeregt hin und her. „Ein ganz lieber Bursche. Aber er leidet hier richtig“, sagt Brestel. Länger als ein Vierteljahr ist der Schäferhundmischling jetzt schon im Riesaer Tierheim – ein kräftiger Hund, der Befehle brav ausführt. „Schlecht behandelt wurde er sicher nicht“, meint Brestel. Doch sein Herrchen kann sich derzeit nicht um ihn kümmern. Er sitzt im Gefängnis.

„Ben hätte ich schon dreimal vermittelt“ – Uwe Brestel, Chef des Riesaer Tierheims.
„Ben hätte ich schon dreimal vermittelt“ – Uwe Brestel, Chef des Riesaer Tierheims. © Sebastian Schultz

Ein Rückblick: Im Dezember klingelt am späten Abend das Handy des Tierheimchefs. Die Polizei ruft aus Belgern an. Die kleine Gemeinde im Landkreis Nordsachsen hat kein eigenes Tierheim und daher einen Vertrag mit der Riesaer Einrichtung. Am Telefon ist die Rede von einem Hund, dessen Besitzer gerade eingefahren sei. Brestel ist in diesem Fall eigentlich nicht dazu verpflichtet, das Tier aufzunehmen. „Laut Vertrag sind wir nur für Fundtiere aus Belgern zuständig. Nicht aber für Listenhunde und beschlagnahmte Tiere. Aber wo sollten sie sonst hin?“ Am nächsten Tag fährt er nach Belgern, um den Hund namens Ben abzuholen. Der Tierschutzverein Riesa versucht daraufhin, herauszufinden, wann das Herrchen wieder aus dem Gefängnis kommt. „Die vom Ordnungsamt haben mir gesagt, wir sollen das mit dem Häftling klären. Aber es kann doch wohl kaum die Aufgabe eines Tierheims sein, solche rechtlichen Angelegenheiten zu klären“, so Brestel. Er sei lediglich für die Unterbringung der Tiere verantwortlich.

Irgendwann meldete sich Bens Besitzer aus dem offenen Vollzug. Er wolle seinen Hund unbedingt wieder haben. „Das ist jetzt Wochen her. Seitdem herrscht Funkstille.“ Ein Dilemma für Uwe Brestel. Der Mischling hätte längst ein neues Zuhause haben können. „Ben hätte ich schon dreimal vermittelt.“ Im Schnitt verbringen Hunde vier Wochen im Riesaer Tierheim. Aber was, wenn der Besitzer in ein paar Monaten am Tierheimtor steht und seinen Hund haben will? Nach den Informationen, die Brestel vorliegen, kommt der Mann im Dezember frei.

Der Hund ist sein Eigentum. Rechtlich unterscheidet sich ein lebendes Tier erst mal nicht von einer anderen „Fundsache“ wie einem Portemonnaie. Aus diesem Grund darf er auch nicht vermittelt werden, sagt Rechtsanwalt Andreas Ackenheil, spezialisiert auf Tierrecht. Dafür gebe es nur zwei Möglichkeiten. „Der Hundebesitzer kann sein Eigentum schriftlich aufgeben. Die kompliziertere Variante ist, eine Verwertungsanordnung zu erlassen.“ Damit könne dem Halter das Eigentum entzogen werden. Das passiere nicht automatisch, nur weil sich jemand nicht um sein Tier kümmere. „Letztlich hat das Tierheim aber die Möglichkeit, das Tier nur rauszugeben, wenn der Eigentümer für die Kosten aufkommt, die für die Unterbringung entstanden sind“, so der Jurist. Sofern der Besitzer jemals wieder aufkreuzt.

Ben ist kein Einzelfall und in der Regel bleibt das Tierheim auf den Kosten für die Versorgung sitzen. Letzter Fall vor Ben war Barney – als Staffordshiremix ein sogenannter Listenhund und keiner der ganz einfachen Sorte. Per se für problematisch hält Brestel die sogenannten „gefährlichen Hunde“ aber nicht. „Die Halter sind in diesen Fällen das Problem, nicht die Rasse.“ Auch bei Barney war das offenbar so. „Der Besitzer hat ihn einfach in der Wohnung zurückgelassen und ist abgehauen.“ Auch in diesem Fall habe sich weder die Polizei noch das Ordnungsamt darum bemüht, dem Herrchen klarzumachen, dass er eine Fürsorgepflicht habe. Länger als ein Jahr lang war Barney nun im Tierheim Riesa. Inzwischen ist er in einer anderen Einrichtung, die sich auf Listenhunde spezialisiert hat. Auch hier kommt niemand für die Kosten auf. Dabei ist die wirtschaftliche Lage der Tierheime laut dem Deutschen Tierschutzbund schon schwierig genug. Die öffentliche Förderung sei nicht kostendeckend. „Hinzukommen die durch die steigende Zahl beschlagnahmter und problematischer Tiere erhöhte Verweildauer und die dadurch steigenden Pflegekosten“, heißt es in einem Positionspapier der Organisation.

Der Tierheimchef fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen. „Und die Leidtragenden sind die, die am wenigsten dafür können: die Tiere“, sagt Uwe Brestel und streichelt Ben über den Kopf.