Merken

Ein schwerer Abschied

Das Rätselraten um Stefan Kutschke ist beendet. Der Dresdner verlässt seinen Kultverein.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Jochen Mayer und Tino Meyer

Die Entscheidung ist gefallen. Monatelang hatte es um Dynamo Dresdens Toptorjäger Stefan Kutschke Spekulationen gegeben, ob der ausgeliehene Stürmer bleibt, ob ihn der 1. FC Nürnberg zurückhaben will – oder ob er einfach nicht mehr zu halten ist. Rang drei in der Zweitliga-Torjägerliste mit 16 Treffern wecken Begehrlichkeiten, ändern Marktwerte, bringen das Wertegefüge durcheinander. Jetzt gibt es klare Bilder. Am Donnerstagnachmittag informierte der Zweitligist in einer Pressemitteilung über die Entscheidung. Der Kern der Nachricht lautet: „Stefan Kutschke wird in der kommenden Saison nicht mehr für die SG Dynamo Dresden spielen.“

Der 28-Jährige hatte Dynamos Sportgeschäftsführer Ralf Minge am Mittwoch in einem persönlichen Gespräch über den Stand der Dinge informiert. Wohin die Reise für den umworbenen Stürmer gehen wird, blieb in der offiziellen Stellungnahme noch offen. Nach SZ-Informationen soll er einen Fünfjahresvertrag bei einem ambitionierten Zweitligisten bekommen. Dass es sich dabei um den gerade aus der 1. Bundesliga abgestiegenen FC Ingolstadt handelt, will noch niemand bestätigen. Auch über englische Vereine als mögliche neue Arbeitgeber war orakelt worden.

Die Nachricht ist zwar sachlich und für manchen ernüchternd. Doch zum Abschied klingt es nach Gefühlskino, bekommt der Torgarant Dank und warmherzige Worte wie bei einer Laudatio. So erklärt Minge: „Stefan hat Dynamo Dresden in den letzten anderthalb Jahren mit jeder Faser gelebt und sowohl sportlich als auch menschlich unheimlich viel eingezahlt.“

Auch deshalb hat Dynamo wohl intensiv um Kutschke gekämpft. „Wir haben Stefan eine längerfristige Perspektive auch über seine aktive Laufbahn hinaus aufgezeigt“, beschreibt Minge das Ringen um den Wunschspieler. „Aber es war auch klar, dass eine Verpflichtung nach seinen überragenden Leistungen im vergangenen Jahr kein einfaches Unterfangen wird.“

Mit 16 Treffern war Kutschke in der abgelaufenen Saison ein Erfolgsgarant für Dynamo und ein Grund für den überraschenden Zweitliga-Höhenflug. Besonders spektakulär waren die beiden Hattricks und zwei Doppelpacks. Der Mann mit dem Torinstinkt genoss diesen persönlichen Aufschwung – er hatte auch die andere Seite kennengelernt, mit Tiefen in seiner Laufbahn. „Wenn man alle Facetten im Fußball mal erlebt hat, tut so eine Saison auch mal gut“, sagt er rückblickend im Interview mit dem gerade erschienenen Saisonmagazin Schwarz-Gelb der Sächsischen Zeitung.

Der gebürtige Dresdner hat sich laut Statement des Vereins in den Positionskämpfen um seine Perspektive „zu jeder Zeit offen und ehrlich verhalten und glaubhaft signalisiert, dass er sich eine Zukunft in Dresden vorstellen könnte“. Das deckt sich mit seiner Aussage im Saisonmagazin, dass Dynamo schon immer etwas Spezielles für ihn ist – „im positiven wie im negativen Sinne. Es gibt immer Ausreißer in die eine wie in die andere Richtung. Dynamo ist einfach Kult geworden.“

Und doch endet seine Zeit bei den Schwarz-Gelben. „Wir müssen respektieren, dass es für ihn vielleicht um seinen letzten großen Vertrag als Profi geht“, zeigt der Zweitligist Verständnis für den Wechsel. „Stefan hat die Sportgemeinschaft auf dem Rasen und abseits des Platzes immer vorbildlich vertreten und zu 100 Prozent gelebt. Stefan ist und bleibt ein Dresdner Junge, der in seiner Stadt und bei uns im Verein immer willkommen sein wird.“

Verständnis für Enttäuschung

Kutschke sieht in Dresden auch weiterhin seine Wurzeln, hier lebt seine Familie, sind seine Freunde zu Hause. „Aber schlussendlich galt es, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, was trotz offener und fairer Gespräche leider nicht gelungen ist“, erklärte der Profi seine innere Zwickmühle in der Vereins-Mitteilung. „Ich habe Verständnis dafür, dass das bei vielen Fans für Enttäuschung sorgen wird. Ich bin den Menschen dankbar, die Dynamo Woche für Woche unterstützen. Sie haben mir ganz persönlich die intensivste und schönste Zeit in meiner bisherigen Laufbahn als Fußballer beschert.“

Im SZ-Saisonmagazin nennt Kutschke die Gründe, warum die vergangene Spielzeit der Höhepunkt seiner bisherigen Karriere war: „Weil viele Sachen gepasst haben: das Vertrauen des Trainers, der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft, unser Spielstil, mein vertrautes Umfeld. Das Jahr war für mich persönlich einfach Gold wert, und für Dynamo auch.“ Alle profitierten voneinander. Deshalb wirkt der jetzt anstehende Wechsel auch wie ein schwerer Abschied – für beide Seiten.

Kutschke ist bodenständig und dennoch bereit für Wechsel. In Laubegast hatte sich ihm als Jugendlicher die Kickerwelt geöffnet. „Damals konnte noch keiner ahnen, dass ich mit Fußball mal mein Geld verdienen werde“, sagt er im Interview für Schwarz-Gelb. „Deshalb habe ich meine Ausbildung als Fachangestellter für Arbeitsförderung abgeschlossen.“ Bei seinen Stationen Babelsberg, RB Leipzig, VfL Wolfsburg, SC Paderborn und 1. FC Nürnberg lernte er das Auf und Ab im Profifußball kennen.

Im Januar 2016 wurde Kutschke von Zweitligist Nürnberg nach Dresden ausgeliehen. In der Rückrunde 2015/16 kam der Angreifer 15-mal in der 3. Liga zum Einsatz. In der folgenden Zweitligasaison absolvierte er 32 Spiele. Mit zwei Treffern im Erstrundenspiel gegen RB Leipzig ebnete Kutschke der SGD den Weg in die zweite Pokalrunde. Jetzt sind bei Dynamo neue Torjäger gefragt.