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Ein Oldtimer namens Rosi

Der Mercury von Katrin und Ronny Wandelt aus Merka ist ein Hingucker. Doch vor der ersten Fahrt war Geduld gefragt.

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© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Sie lieben dieses Auto. Auch mit der etwas ungewöhnlichen Farbe. Oder gerade deswegen? Nein, das ist nicht etwa rosa. Das ist sunset orchidee. So steht es in den Papieren. Und die sind – genau wie fast jedes Detail an diesem Auto – original erhalten. Das macht diesen Mercury Monterey eben auch so besonders.

Stylish: Die Details machen das Auto aus. Sie sind alle original.
Stylish: Die Details machen das Auto aus. Sie sind alle original. © Uwe Soeder
Ungewohnt: Auf der Sitzbank haben drei Leute Platz. Vorn und hinten.
Ungewohnt: Auf der Sitzbank haben drei Leute Platz. Vorn und hinten. © Uwe Soeder
Pfiffig: Unter diesem Kopf versteckt sich das Schloss zum Kofferraum.
Pfiffig: Unter diesem Kopf versteckt sich das Schloss zum Kofferraum. © Uwe Soeder

Katrin und Ronny Wandelt leben in Merka. Doch viele Jahre nach der Wende waren sie wegen der Arbeit im Schwarzwald, er als Krankenpfleger, sie als gelernte Reiseverkehrskauffrau kurzzeitig in der Gastronomie. Denn dann wurden ihre beiden Töchter im Abstand von zwei Jahren geboren, und Katrin Wandelt blieb zu Hause. „Im Westen gab es ja keine Krippen“, erinnert sie sich. Den Kontakt zur Heimat hat die Familie jedoch nie verloren. Um die lange Strecke vom Schwarzwald nach Bautzen oder Görlitz, wo seine Eltern wohnen, möglichst bequem zurücklegen zu können, besaßen sie damals einen Van. Auch schon ein amerikanisches Fabrikat. „Das war so einer, wie ihn die Leute aus der amerikanischen Actionserie vom A-Team kannten“, erklärt Ronny Wandelt. Mit Bett hinten drin, sodass die Kinder während der Fahrt auch mal schlafen konnten. 13 Jahre hatten sie das Fahrzeug. Doch als die Familie 2007 wieder in die Heimat zurückkehrte, sich in Merka ein Haus baute und Arbeit fand, war für den Van nicht mehr viel Zeit. „Und wenn man solch ein Auto nicht bewegt, ist das der Tod für das Fahrzeug“, weiß Ronny Wandelt. So wurde er verkauft. Für das tägliche Leben hatte jeder sein Auto. „Meins ist das Schlumpi-Auto, das meines Mannes für die Familienfahrten“, lacht die gebürtige Sorbin. Doch irgendwie fehlte etwas.

Neues Familienauto gesucht

Bei einem Familienausflug fuhr ein mintgrünes Cadillac Cabrio vor ihnen. Die Kinder waren ganz begeistert und machten Fotos. „Papa, guck mal, der ist schön“, sagten sie. Und so schaute man gemeinsam im Internet und suchte nach einem neuen Familienauto. Ronny Wandelt hat sogar spontan gesagt, dass er sein Auto verkauft, um das neue zu finanzieren. Es gab verschiedene Modelle, doch an Rosi kam niemand ran. „Wir drei Frauen haben sofort Ja gesagt“, schmunzelt die 40-Jährige. Eine Hamburger Firma wurde dann mit dem weiteren Vorgehen beauftragt. „Das läuft alles über Computer und Internet. Selbst Gutachten kann man so in Auftrag geben“, weiß die Familie nun. Doch vom ersten Liebäugeln bis zur Ankunft in Merka vergingen Monate. „Allein einen Monat hat der Container mit dem Auto beim Zoll im Hafen von New York gestanden“, sagt der 37-jährige Rettungssanitäter. Dank neuester GPS-Technik konnten Wandelts immer verfolgen, wo ihr Auto stand – oder gefahren wurde. Rund ein Dreiviertel Jahr hat es von der Bestellung bis zur Ankunft gebraucht. Und kurz bevor ihr Traumauto hier war, half ihnen ein Artikel in der Sächsischen Zeitung. Thomas Kurz aus Daranitz hatte eine kleine Firma gegründet, die amerikanische Autos wieder flott macht. Die „Edelschmiede“ in dem kleinen Kubschützer Ortsteil ist seitdem für Wandelts und ihre Rosi ein Anlaufpunkt. Dort wurde der Mercury Monterey, Baujahr 1957, für deutsche Verhältnisse straßentauglich gemacht. Immerhin ist der 60 Jahre alte Wagen in Amerika nur 100 000 Kilometer gefahren – und das bis zum Verkauf. „Ich erinnere mich noch an unsere erste Fahrt im März. Die war im strömenden Regen“, sagt Katrin Wandelt.

Und Rosi ist nicht einfach nur ein Auto. Es ist auch Fotomodell. „Überall, wo es steht, während der Überführung von Hamburg oder auch in Bautzen, zücken Leute ihre Handys oder Fotoapparate“, sagt Katrin Wandelt, die sich auch gern an verschiedene Episoden erinnert. Einmal standen Kinder neben dem Auto, und ein Mädchen rief aus: Oh, ein Barby-Auto. Ein Mann dagegen, der wissen wollte, ob das Fahrzeug zu Hochzeiten ausgeliehen werden kann, fragte nach der Farbe. Als er sie erfuhr, sagte er dann doch lieber ab. „Aber wenn ich die Leute Ü60 sehe, freue ich mich. Die haben dann ein Strahlen im Gesicht und wirken gleich jünger“, sagt Katrin Wandelt. Das liegt wohl auch am Baujahr, vermutet Ronny Wandelt, denn Rock’n’roll-Musik gehört im Auto dazu. Er ist schon immer Amerika-Fan und liebt den Rock’n’roll der 50er.

Immer geruhsam unterwegs

Für Katrin und Ronny Wandelt und die beiden zwölf- und 14-jährigen Töchter ist das Auto einfach zum Entspannen. Sie sind am Wochenende geruhsam unterwegs. Immerhin dürfen vorne wie hinten drei Personen sitzen. Die Sitze sind bequem wie eine Couch, das Auto ist gut gefedert. Nur die Lenkung macht Katrin Wandelt etwas Schwierigkeiten. „Ist ja keine Servo, und ans Fahren in dem doch eher wuchtigen Auto muss man sich schon gewöhnen“, gibt die quirlige Frau zu. Also lässt sie meist ihren Mann hinters Steuer.

Wandelts haben sich einen ihrer Träume erfüllt. Seit März sind sie mit dem Auto unterwegs, auch zum Beispiel zu US-Car-Treffen. Und sie erfüllen sich einen weiteren Traum: Im Urlaub geht es nach Miami, zum ersten Mal nach Amerika. „Ich weiß, wie schnell ein Leben zu Ende sein kann“, sagt der Rettungssanitäter. Deshalb leben Wandelts ihre Träume.