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Ein 140-Tonnen-Tank für Wacker

Der Koloss wurde aus Bayern nach Nünchritz geliefert – die S 88 war deshalb am Donnerstag zeitweise gesperrt.

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© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Nünchritz. Kurz nach fünf riegeln Polizei und Werkfeuerwehr am Donnerstagmorgen die S 88 in Nünchritz ab. Die ersten Berufstätigen sind da schon unterwegs und nicht erfreut über das Blaulicht vor dem Chemiewerk. Doch der Schwerlasttransport, der wenige Minuten später über die regennasse Straße angeschlichen kommt, braucht viel Platz. Mit den beeindruckenden Maßen von mehr als fünf Metern in Höhe und Breite sowie 65 Metern Länge ist die Fahrt eine Herausforderung – und mittlerweile liegen schon knapp 400 Kilometer hinter dem Tross.

Die Einfahrt ins Werksgelände erwies sich als Millimeter-Arbeit. Polizei und Werkfeuerwehr hatten dafür für etwa eine halbe Stunde lang die Staatsstraße gesperrt
Die Einfahrt ins Werksgelände erwies sich als Millimeter-Arbeit. Polizei und Werkfeuerwehr hatten dafür für etwa eine halbe Stunde lang die Staatsstraße gesperrt © Sebastian Schultz

Mittwochabend ist der Transport mit dem riesigen Tank für die Wacker Chemie AG in Abensberg bei Regensburg gestartet. Schneller als 60 Stundenkilometer geht es nicht voran. Und dann steht der Koloss auch noch mehr als drei Stunden auf der A 93, weil die Polizeieskorte zu einem Lkw-Unfall gerufen wird. Mit großer Verspätung trifft der Tank am nächsten Morgen in Nünchritz ein und muss jetzt in das Werktor an der Meißner Straße regelrecht eingefädelt werden.

Fünfmal stößt der Zug vor und zurück, bis der Tank senkrecht zum Werkzaun steht. Der Mitarbeiterparkplatz wurde dafür größtenteils gesperrt, diverse Poller abgebaut. Trotzdem bleibt es Millimeter-Arbeit. Mit Taschenlampen wird die Engstelle am Tor genau beobachtet, über Funk steht das Speditionsteam ununterbrochen in Kontakt. Eine halbe Stunde später steht der Koloss endlich im Werk.

Es ist ein Mammutprojekt, das dahinter steckt. „Von der Planung her läuft das Projekt schon seit circa anderthalb Jahren“, sagt Projektleiter Christoph Jakobitz. Insgesamt sind etwa 100 Mitarbeiter bei Wacker und den Partnerfirmen involviert. Die reine Bauphase habe im Chemiewerk im März begonnen. Seitdem wurde die Baufläche neben dem bereits bestehenden Tanklager des Destillationsbetriebes vorbereitet und eine riesige Stützmauer errichtet. Nachdem der Fahrtweg für den Transport ins Werkinnere feststand, musste außerdem überprüft werden, ob die Straßen im Werk den 140 Tonnen des Transportes überhaupt standhalten. Teilstrecken wurden mit Asphalt stabilisiert, Hydranten umgelegt und Kreuzungen freigeräumt, damit der Transporter mit seinem 32-Meter-Wendekreis um die Kurven kommt. Denn Donnerstagmorgen bleibt dafür keine Zeit.

„Der Zeitplan ist streng, denn die Produktion wird nicht gedrosselt“, so Projektleiter Jakobitz. Und weil das Tanklager relativ zentral im Werk liegt, können zwei Anlagen ihre Produkte nicht abtransportieren, während der Tank angeliefert wird. So bleibt nur eine Stunde, um den Koloss an seine vorläufige Position zu transportieren. Und danach ist noch einmal viel Fingerspitzengefühl gefragt.

Zwei riesige Kräne hieven den Tank am Vormittag vom Transporter herunter – der doppelwandige Koloss muss dabei wie ein rohes Ei behandelt werden. Die Glasfaserbeschichtung darf zum Beispiel keine Kratzer abbekommen, denn sie schützt vor Rost und eventuellen Lecks. Der Tüv prüft später auch noch einmal genau nach – schließlich sollen in dem Tank einmal Hunderte Tonnen eines Rohstoffes für die Silikonherstellung sicher unter der Erde gelagert werden.

Den Behälter vor Ort zu fertigen und so das umständliche Prozedere der Anlieferung zu umgehen, sei trotzdem keine Alternative gewesen. „Das Schweißverfahren ist so empfindlich. Das können wir auf der Baustelle nicht leisten oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand“, sagt Baustellenleiter Rainer Schallmoser. – Alles in allem habe die Anlieferung aber auch gut geklappt, heißt es von der Eskorte des Schwerlasttransportes. Es gab weder große Zwischenfälle, noch viele Schaulustige, die Fotos von dem beeindruckenden Fahrzeug machen wollten.

Das wird sich in den nächsten Wochen übrigens noch einmal auf den Weg nach Nünchritz machen und einen weiteren baugleichen Tank an Wacker ausliefern. „Die Tanks dürfen nicht im Konvoi gebracht werden“, erklärt Christoph Jakobitz mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverkehrsamtes. Da man aber mit demselben Team wie bei der ersten Anlieferung arbeiten will, sei eine Pause erforderlich.

Liegen beide Behälter dann an der richtigen Stelle, beginnt der Stahl- und Rohrleitungsbau, erklärt der Projektleiter. Erst im April 2018 sollen die Tanks endgültig in Betrieb genommen werden. Die Kapazität des Lagers werde dann um etwa ein Drittel erhöht – und das mehrere Millionen Euro teure Projekt nach etwa zweieinhalb Jahren abgeschlossen.