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Dresdner Experten für Schiebung und Untergrundarbeit

MSD rüstet weltweit Bahnen aus. Aber auch der Gotthard-Tunnel trägt seine Handschrift.

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© Ronald Bonß

Von Michael Rothe

Dresden. Der Chef vom Maschinen- und Stahlbau Dresden (MSD) hätte es sich nicht träumen lassen, dass der Bahntechnik-Spezialist mal die Schweizer Presse aufmischt. Im Februar gab es dort fast kein Blatt, das nicht über ihre einzigartige Drehverschiebeeinheit berichtet hatte – Herz des für 34 Millionen Euro modernisierten Reparaturcenters der Schweizer Bundesbahn SBB.

Per Spezialtransport war der 30 Meter lange und 90 Tonnen schwere Koloss nach Zürich transportiert worden. Wie der Name verrät, kann die Konstruktion Waggons und Loks um 90 Grad drehen und so auf 13 Gleise in einem fast 110 Jahre alten Baudenkmal manövrieren – weltweit ein Novum. Zwar gibt es Anlagen, die je eine Aufgabe übernehmen, aber die Kombination aus beiden steht nur in Zürich-Altstetten.

Für MSD war es ein 1,5-Millionen-Euro-Job, für die SBB der Beginn einer neuen Ära, weil das komplizierte Rangieren entfällt. „Die Einrichtung ist nun ein knappes halbes Jahr in Betrieb“, sagt Werkstattleiter Martin Fischer. „Wir bewegen damit rund 40 Waggons pro Woche.“ Für ein abschließendes Fazit sei es noch zu früh, „aber so viel ist schon klar: Nach einer Feinjustierung läuft die Drehverschiebeeinrichtung stabil und erfüllt unsere Erwartungen.“

Bahntechnik und mehr für alle Welt

In Deutschland blieb der Superlativ unbemerkt. Grund: MSD-Chef Raimund Schäfer ist kein Selbstdarsteller. Der 49-jährige Badener will nicht mal mit aufs Bild, als der SZ-Fotograf am Montag die Verladung einer Verschiebeeinheit für die Deutsche Bahn festhält. Der Koloss soll bald 32 Gleise im Paderborner Instandhaltungszentrum bestücken und mit eingebauter Hebehydraulik sogar Höhenunterschiede ausgleichen.

Für MSD ging es zuletzt nur nach oben. Doch das war nicht immer so. 1946 unter dem Namen „Hünich & Löwe“ als Betrieb zur Rekonstruktion von Industrieanlagen gegründet, kristallisierten sich später Bahntechnik, Maschinenbau und Stahlbau als Kernkompetenzen heraus. Verstaatlichung, Umfirmierungen, der Sitz des DDR-Kombinats Baumechanisierung sowie Reprivatisierung sind Teile einer bewegten Geschichte. Die Badener Herrenknecht AG übernahm den Betrieb 1991 und machte ihn später zu ihrer Niederlassung.

Interne Querelen und schwankende Auftragslage drückten zwischendurch aufs Betriebsklima, die Belegschaft schrumpfte um ein Viertel auf 80 Leute. Zwar mache Fachkräftemangel weiter zu schaffen, sagt Schäfer, „aber durch den festen Kundenstamm, faire Verträge und ein neues Miteinander wurde es viel entspannter.“ Auch er, der seit 22 Jahren die Geschicke von MSD leitet, habe gelernt. Der verheiratete zweifache Familienvater ist zuversichtlich, den Engpass bei Schweißern, Stahlbauschlossern und Maschinenbauern zu meistern. Im September begann beispielsweise ein syrischer Flüchtling seine Lehre.

Die Zukunft liegt unter der Erde

Verschiebeeinheiten, die sich mit Fernwartungssystemen von Dresden aus überwachen lassen, machen 20 Prozent vom Geschäft aus. Der große Rest sind Ausrüstungen für die Bahn, aber auch Tunneltechnik, wie einst die 600 Meter langen Nachläufer hinter der Bohrmaschine am Gotthard, dem längsten Eisenbahntunnel. Auch beim Primus in spe, dem Brenner-Basistunnel, und den neuen Pariser U-Bahn-Linien 14 und 15 wollen die Sachsen mitmischen. Ferner gibt es größere U-Bahn-Projekte bei den Scheichs in Dubai und Doha.

Womöglich wartet langfristig gar ein Job vor der Haustür: mit dem angedachten und zum Großteil unterirdischen Bahnneubau Dresden–Prag. Wegen der Engpässe über Tage liegt für Schäfer die Zukunft des Gütertransports unter der Erde. „Da kommt einem keiner in die Quere“, sagt er.

Bei allem Understatement des Chefs: Die Erfolge der Dresdner sprechen sich rum. Unlängst machte dort ein besonderer Gast seine Aufwartung: der Ex-Bahnchef und Unternehmensberater Rüdiger Grube.