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Drei Verkehrstote 2017

Das sind drei weniger als 2016. Aber es kracht sieben- bis achtmal auf den Straßen in Görlitz und Niesky. Täglich!

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© Danilo Dittrich

Von Ralph Schermann

Die gute Nachricht ist nicht wirklich gut: 2017 gibt es zwar einen leichten Rückgang der Verkehrsunfälle und der dabei Verletzten auf den Straßen der Stadt Görlitz, des Umlandes sowie der Nieskyer Region, die Zahl der Verkehrstoten halbiert sich sogar – und doch ist täglich ein Verletzter weiterhin täglich einer zu viel.

Die Verkehrsunfallstatistik Revier Görlitz/Niesky - Diese Zahlenangaben sind vorläufige Werte / Quelle: 2009 bis 2016 Polizei; 2017 SZ-Recherchen
Die Verkehrsunfallstatistik Revier Görlitz/Niesky - Diese Zahlenangaben sind vorläufige Werte / Quelle: 2009 bis 2016 Polizei; 2017 SZ-Recherchen © SZ-Grafik

Todesfahrten: Zur traurigen Bilanz gehören Auto- und Fahrradlenker

So lautet die gute Nachricht: Es kracht 2017 gegenüber dem Vorjahr rund 115-mal weniger, und die Zahl der Verletzten geht um 20 zurück. Das aber zeigt auch Tücken der Statistik, die bei Verkehrsunfällen stetig schwankt. Schaut man weiter zurück, dann zeigt sich, dass 2017 der vierthöchste Unfallstand seit 2009 zu Buche steht. Insgesamt macht es diese Entwicklung den Fachleuten nicht leicht, die Unfallschwerpunkte dabei herauszufiltern. Nur eines steht fest: Rund 60 Prozent aller Unfälle ereignen sich innerhalb der Stadt Görlitz.

Die Polizeidirektion meldet 2017 für die Revierbereiche Görlitz und Niesky drei Verkehrstote. Das ist die traurige Chronik:

Mittwoch, 9. August, 12 Uhr: Ein Mann (90) befährt die Oberreichenbacher Straße in Reichenbach mit seinem Nissan. Bei Querung der B 6 beachtet er nicht den aus Richtung Löbau kommenden Renault Clio. Beim Zusammenprall wird der Mann schwer verletzt und stirbt in der Folge im Görlitzer Klinikum. Der Fahrer (48) des Renault wird bei dem Unfall leicht verletzt.

Montag, 4. September, 15 Uhr: Eine Renaultfahrerin (20) will von der Schützenstraße aus links in den Mühlweg einbiegen. Dabei übersieht sie einen als Gegenverkehr vorfahrtberechtigten Radfahrer (66) und erfasst ihn beim Abbiegen. Der Mann wird ins Klinikum geflogen. Dort erliegt er am nächsten Tag seinen Verletzungen.

Freitag, 29. September, 14.30 Uhr: Mit seinem Opel ist ein Fahrer (56) auf der B 115 in Niesky in Richtung Kodersdorf unterwegs und will nach links in die Straße Am langen Haag einbiegen. Dabei beachtet er den Gegenverkehr nicht. Es kommt zum Zusammenstoß mit einem Audi. Der Mann wird in ein Krankenhaus geflogen, wo er einen Tag später stirbt. Die Audi-Fahrerin (37) wird bei dem Unfall schwer verletzt.

Die Todesmeldungen der vergangenen Jahre weisen in ihrer Unterschiedlichkeit weder auf Unfallschwerpunkte noch auf vorbeugende Möglichkeiten hin. Auffallend unterschiedlich ist dabei: Das leidvolle Geschehen konzentriert sich 2016 vor allem auf die erste Jahreshälfte, das ist in den Vorjahren und auch 2017 anders.

Überschatten Sterbefälle jede Statistik, lässt aber allein schon die Fülle der polizeilich aufgenommenen Unfälle aufhorchen. So nehmen die Beamten des auch für Niesky mit zuständigen Polizeireviers Görlitz 2 850 Unfälle auf. Zu Buche stehen dabei 357 Verletzte. Diese Zahlen sind – wie in jedem Jahr an dieser Stelle – vorläufig, da einige Auswertungen der Dezember-Unfälle noch fehlen. Offizielle Zahlen kann die Polizeidirektion Görlitz deshalb voraussichtlich erst im März nennen. Dennoch dürfte sich an der Tendenz der vom Statistischen Landesamt begleiteten und von der Sächsischen Zeitung aus Zwischenstatistiken berechneten Angaben kaum etwas ändern. Das betrifft auch die gleichbleibende Tendenz der bei Unfällen in der Region Görlitz/Niesky verletzten Personen. Auch 2017 wieder wurde etwa ein Drittel in die Kategorie „schwerverletzt“ eingeordnet.

Grenzfälle: Es gibt Tote bei Unfällen, die nicht als Verkehrstote zählen

Wie hauchdünn statistische Bewertungen sein können, zeigen 2017 zwei Unfälle, bei denen Menschen starben, die aber nicht als Verkehrstote zählen:

Freitag, 24. März, 21 Uhr: Auf der Reichenbacher Straße verliert ein Fahrer (75) das Bewusstsein. Die Beifahrerin (73) versucht sofort, zu lenken, doch der Honda kollidiert mit einem Fahrradständer, einer Säule sowie einem Baum und überschlägt sich. Der Fahrer stirbt kurz darauf im Klinikum, die Beifahrerin bleibt unverletzt.

Freitag, 13. Oktober, 15.45 Uhr: Mit einem E-Bike radelt ein Görlitzer (75) um den Berzdorfer See. Vermutlich erleidet er dabei einen Herzinfarkt und stürzt. Durch Ersthelfer erfolgt sofort eine Herzdruckmassage, dann übernehmen Rettungskräfte lebenserhaltende Maßnahmen. Kurz darauf aber stirbt der Mann im Klinikum.

Ursachenforschung: Falsches Tempo und Vorfahrtfehler begünstigen Unfälle

Möglicherweise deutet auch die Statistik darauf hin, dass sich eine stärkere Kontrolle des fließenden Verkehrs positiv auf Unfallzahlen auswirken könnte. Denn wie wichtig Kontrollen sind, zeigen schon die Hauptunfallursachen: unangepasste Geschwindigkeit, Missachtung der Vorfahrt, Nichteinhalten von Sicherheitsabständen, Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot sowie Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren. Mit je rund 25 Prozent sind die Altersgruppen der über 65-Jährigen und der 18- bis 24-Jährigen daran beteiligt. Wie in den Vorjahren sind bei 50 Unfällen Alkohol oder Drogen im Spiel, allerdings bei keinem einzigen der tödlichen Unfälle.

Zur Vollständigkeit der Unfallursachen gehört auch die Zunahme von Wildunfällen. Jedes Jahr rücken die Beamten des Polizeireviers Görlitz zu rund 500 solchen Fällen aus, zunehmend auch in den innerstädtischen Gebieten. Insgesamt zeigt der Unfallkalender weiterhin ein diffuses Auf und Ab. Die meisten Unfälle ereigneten sich auf trockenen Straßen, nur in 20 Prozent spielt Nässe, in nur zwei Prozent Glätte eine Rolle. Unfallschwächste Monate 2017 sind Februar, Juli und November, Unfallschwerpunkte der Juni, August, September und Dezember. Die Monate Mai bis August ragen mit den meisten verletzten Personen heraus. Relativ gleich bleibt die Verteilung der Unfälle auf Wochentage und Tageszeiten. Am wenigstens mussten auch 2017 die Polizisten an Sonn- und Feiertagen zu Unfallaufnahmen gerufen werden.

Sachschäden: Jahr für Jahr stehen Kosten in Millionenhöhe zu Buche

Durch Verkehrsunfälle entstehen in Görlitz/Niesky jährlich Sachschäden von über sechs Millionen Euro, allein in der Stadt Görlitz müssen die Versicherungen 2017 an die 3,3 Millionen Euro Unfallschäden regulieren. Und da sind die nicht der Polizei gemeldeten kleineren Blechschäden noch gar nicht mit dabei. Zudem vervielfältigen sich oft Werkstattkosten, wenn zunächst nicht sichtbare Materialschäden registriert werden. Und noch eine Dunkelziffer macht der Polizei Sorgen: Sie beobachtet, dass es von Jahr zu Jahr nicht weniger Zeitgenossen werden, die als Verursacher kleiner Unfälle einfach das Weite suchen.