Merken

Die Zimmerfee

Schmutzige Handtücher, Bettwäsche und vermisste Socken – Hausdame Susann Laes vom Altenberger Raupennest hilft.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Altenberg. Poch, poch, poch. Susann Laes neigt den Kopf leicht zur Seite und horcht an der Tür. Kein Mucks dringt nach draußen. Für sie das Signal: Patient ausgeflogen. Sie drückt die Klinke nach unten und öffnet mit weitem Schwung die Tür. Licht durchflutet den Raum. Nur noch das zerknautschte Bett und die gebrauchten Handtücher zeugen davon, dass hier bis vor Kurzem jemand wohnte.

Susann Laes bugsiert den großen Wäschewagen durch die Gänge. Rund sechs Tonnen Wäsche bewältigen die fünf Hausdamen Monat für Monat.
Susann Laes bugsiert den großen Wäschewagen durch die Gänge. Rund sechs Tonnen Wäsche bewältigen die fünf Hausdamen Monat für Monat. © Egbert Kamprath

Täglich reisen in Fachklinik und Gesundheitszentrum Raupennest in Altenberg Gäste an und ab. Für Susann Laes und ihr vierköpfiges Team fängt dann die Arbeit an, damit die Zimmer rechtzeitig für die Neuankömmlinge fertig werden. Die Schmiedebergerin arbeitet im Housekeeping, früher hieß das Zimmerservice. Susann Laes aber ist eine Hausdame, von der ersten Stunde an im neuen Raupennest.

Als vor 20 Jahren der Gebäudekomplex am Großen Galgenteich eröffnet wurde, tauchten erstmals in der jahrzehntelangen Geschichte der Reha-Klinik Hausdamen auf. Mancher dachte schmunzelnd an morgens Fango und abends Tango. Tatsächlich kümmerten sich die Hausdamen um die vielen Tausend kleinen Dinge, die das Leben im Krankenstand um ein Vielfaches angenehmer gestalten. „Am Anfang haben wir vor allem Kontrollgänge gemacht“, erinnert sich Susann Laes. Genau so wie im Film in einem Hotel, erzählt sie, weißer Handschuh und – die zierliche 42-Jährige stellt sich auf die Zehenspitzen – fährt dann mit dem Finger durch die Luft, so als ob dort ein Spiegel hängen würde und sich auf der obersten Kante noch ein Staubkörnchen verstecken könnte. Später übernahmen die Hausdamen das Kommando über die rund 400 Betten.

Susann Laes kann sich nichts anderes vorstellen, auch wenn sie abends spürt, was sie tags geleistet hat. „Da muss man schon was machen für die Gesundheit“, sagt sie. Als sie hörte, dass gebaut wird, bewarb sie sich sofort. „Und ich hatte Glück.“ Fremd war ihr die Branche nicht. Sie hatte vorher Hotelfachfrau gelernt und als Kellnerin gearbeitet. Der Beruf der Hausdame macht ihr mehr Spaß – keine Schichten, abwechslungsreicher Job und viel Kontakt mit Menschen. „Außerdem verstehen wir uns gut untereinander“, sagt sie. Der jungen Frau macht es nichts aus, in der dreckigen Wäsche anderer Leute zu wühlen. Sie streckt ihre Hände aus, die in violetten Einweghandschuhen stecken. „Eigenschutz ist aber schon wichtig“, sagt sie und packt beherzt an. Mit ihrer Teamkollegin Karina Mathea, 39 Jahre jung und ebenfalls eine langjährige Hausdame, versteht sich Susann Laes blind. Sonst würden sie ihr Minutenprogramm, wie sie ihre Arbeit scherzhaft bezeichnen, gar nicht schaffen. Drei Minuten haben sie für einen Bettwäschewechsel. Diesmal ziehen zwei Gäste ins Zimmer ein. Das verraten Frau Laes die beiden roten Pünktchen, die sie als Gedächtnisstütze auf ihrem Zettel unter der Zimmernummer vermerkte. Den hat ihr am Vorabend der Computer ausgespuckt mit allen An- und Abreisen und Wäschewechseln zwischendurch.

Ausgefallene Fundstücke

Während ihre Kollegin Wasser in den Eimer einlässt und einen Schuss Spezialreiniger dazugibt, zieht Frau Laes die Bettwäsche des Vorgängers ab. Schon knien beide vor den Betten, wischen über Rahmen, Lichtschalter und Lampen, knipsen nebenbei die Bettleuchten an und aus, damit sie sehen, ob alles funktioniert. Der Wischlappen kreist weiter über Nachttische, selbst Telefonbuch und Bibel entkommen der feuchten Runde nicht. Dann stehen die beiden Frauen auf, packen zusammen die Matratze an, kippen sie hoch, um das Bettlaken besser überziehen zu können. Dann geht’s wieder runter, glatt ziehen, fertig, nächste Matratze.

Manchmal finden sie auch was. Kämme, Schmuck, Socken, Handy-Ladekabel, Hörgeräte. „Sogar ein Gebiss war schon dabei.“ Das wird dann eingesammelt und im hauseigenen Fundbüro aufbewahrt. Diesmal hat der Gast gründlich eingepackt. Auch dabei helfen die Hausdamen auf Wunsch. Nun muss noch die frische Bettwäsche bezogen werden. Sie kommt von einer Firma, wird links herum geliefert. So können sich die Hausdamen die Bezüge gleich schnappen und einfach über die Decken streifen. Nur an den Kopfkissen fummeln sie, ziehen und drehen mit den Fingern an den Zipfeln, bis diese spitz wie Ohren nach oben stehen. Dann gibt’s noch mit der Handkante einen Schlag in die Mitte. Bei den Handgriffen achtet Susann Laes mit ihren Kolleginnen darauf, „was am schnellsten geht und am schönsten aussieht“. Zum Schluss wirft sie noch einen Blick ins Schließfach, ob auch wirklich alles leer ist. Dann kommt ein Schildchen auf den Tisch „Alles frisch“ und ein kleiner Willkommensgruß mit Mini-Schokolade und Mineralwasser. Weiter geht’s.

Doch weit kommen sie mit ihrem großen Wäschewagen und dem Sammler für Schmutzwäsche nicht. Ein älterer Herr hat schon auf sie gewartet. „Ihr hübschen Frauen“, spricht er sie an, „wart ihr schon vorn bei mir? Ich hätte noch ein kleines Handtuch gebraucht für den Wadenwickel.“ Eigentlich ist sein Zimmer heute nicht an der Reihe. Doch auch für extra Wünsche fühlen sich die Hausdamen zuständig. Frau Laes greift ins mobile Wäschelager und bekommt ein Lächeln geschenkt.