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Die Stunde Null der Landesbibliothek

Vor 70 Jahren sind zwei Jahre nach Kriegsende wieder Bücher ausgeliehen worden.

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© Deutsche Fotothek/SLUB Dresden

Von Ralf Hübner

Es ist nur eine kurze Meldung in der Zeitung. Sie informiert vor 70 Jahren in dürren Worten darüber, dass am 15. August 1947 die Ausleihe der Sächsische Landesbibliothek wieder geöffnet sei. 100 000 Bände Gebrauchsliteratur aller Wissenschaften stünden zur Verfügung, hieß es. Ausländisches Schrifttum sei in reicher Auswahl vorhanden, die ehemalige Lesesaalbibliothek mit allen wichtigen Nachschlagewerken sei vollständig erhalten. Die wissenschaftlichen Abteilungen würden fortlaufend vervollständigt. Von einer großen Eröffnungsfeier mit Ministern und Ehrengästen wird nicht berichtet. Auch von den schweren Tagen 1945 und der Zeit danach ist nichts zu lesen.

Seit 1786 war die Landesbibliothek im Japanischen Palais zu Hause. Nach mehreren Umbauten – die letzte von 1927 bis 1935 – galt sie als eine der modernsten und auch schönsten Bibliotheken in Deutschland. Bei der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg am 13. und 14. Februar 1945 wurde auch das Japanische Palais teilweise ein Raub der Flammen. Doch hielten sich die Schäden in Grenzen. Deutlich schlimmer war ein weiterer Luftangriff am 2. März, als das Haus mehrmals von Spreng- und Brandbomben getroffen wurde. Glücklicherweise hielt der Keller stand, sodass viele Bücher und Kataloge gerettet werden konnten. Ein besonderer Tiefkeller war 1940 eigentlich so präpariert worden, dass er Feuer und Wasser widerstehen konnte. Einige wichtige Schätze waren dort in Stahlschränken deponiert worden. Die Schränke galten als stabil und wasserdicht. Doch als nach dem Luftangriff die Mitarbeiter die Tür öffneten, mussten sie durch meterhohes Wasser waten. Der Inhalt der Schränke war durchnässt und konnte erst rund einen Monat später weggebracht und getrocknet werden.

Weiterer Schaden entstand in den letzten Stunden des Krieges, als die Wehrmacht noch am 7. Mai vor dem Eintreffen der Roten Armee ein Munitionsdepot im Palaisgarten sprengte. In einem der Keller lagerten zu der Zeit etwa 350 000 bis 400 000 Bände und alle Kataloge. Sie waren bis dahin verschont geblieben. Bei der Sprengung aber fielen Schutt und Geröll auf die Bücher, Wind und Wetter drangen in den Keller ein. Vier Mitarbeiter sind bei den Rettungsaktionen ums Leben gekommen.

Nach mehreren Zwischenstationen kam die Bibliothek elf Monate später im April 1946 in einer ehemaligen Kaserne in der Marienallee unter -– ihrer Bleibe für Jahrzehnte.

In den Jahren 1945/46 hat die Bibliothek fast die Hälfte ihrer damals rund eine Million Bände verloren. Dazu gehören auch etwa 258 000 Bücher, Handschriften und Karten, die im Mai 1946 von einer Trophäenkommission der Roten Armee beschlagnahmt und mit einem Zug von Radeberg aus in die damalige Sowjetunion abtransportiert wurden. Viele dieser Bestände waren während des Krieges ausgelagert gewesen. Nur ein kleiner Teil davon ist bisher nach Dresden zurückgekehrt. 1958 erhielt die Landesbibliothek 5 697 Handschriften zurück, weitere 55 Bände übergab 1997
die Republik Georgien.

Der jetzige Bibliothekschef Thomas Bürger verweist jedoch darauf, dass die russische Seite mit der Rückgabe der Gemäldegalerie und der Handschriften in den 1950er-Jahren einen großer Schritt getan habe. „Daran muss man sich dankbar erinnern“, sagt er.

Gegründet wurde die Landesbibliothek 1556 von Kurfürst August I. Sie ist damit eine der ältesten Bibliotheken Deutschlands. Lange war sie vor allem im Residenzschloss, später nach mehreren Stationen im Zwinger und ab 1768 im Japanischen Palais untergebracht. Seit 1788 ist sie öffentlich.

1996 wurde die Landesbibliothek mit der Bibliothek der Technischen Universität zur Sächsischen Landesbibliothek  – Staats- und Universitätsbibliothek vereint. Mit mehr als 5,5 Millionen Bänden ist sie nach eigenen Angaben eine der größten wissenschaftlichen Bibliotheken Deutschlands. Im Januar 2003 wurde ihr fast 100 Millionen Euro teurer Neubau auf dem Uni-Campus offiziell eröffnet. Diesmal mit Festakt, dem damaligen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) und vielen weiteren Ehrengästen.