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Die rechte Klebe kann auch feinfühlig

Der Görlitzer Handball-Rückraumspieler Moritz Kaiser ist auch auf dem Cello ein Ass. Das nutzt ihm bald auch in Südamerika.

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© H.-E.Friedrich

Von Robert Eifler

Sportlich hätte es für den 18-jährigen Moritz Kaiser, Handballer des SV Koweg Görlitz, kaum besser laufen können. Vor einem Jahr saß er zu den Heimspielen des Sachsenliga-Teams noch als Besucher auf der Tribüne. Jetzt ist er selbst einer der Stammkräfte. Dass er mit seinem Aufstieg in den Erwachsenenbereich so schnell ins kalte Wasser geworfen wurde, stellte für Kaiser selbst kaum ein Problem dar. Das Handball-Talent bringt er mit.

... und mit dem Cello ganz zarte Saiten anschlagen.
... und mit dem Cello ganz zarte Saiten anschlagen. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Die Entwicklung des Gymnasiasten haben in den letzten Jahren fünf Trainer begleitet. René Palme und Andreas Nicht legten in seinen ersten Jahren die Grundlagen, unter Matthias Wolf, Michael Schuller und Hagen Richter ging Kaiser unter anderem durch die Schule im taktischen Verständnis. Sein aktueller Trainer Petr Masat kann nun das volle Potenzial ausschöpfen. In den Juniorenteams waren zwei Vizemeisterschaften in der Sachsenliga und die Teilnahme an der mitteldeutschen Oberliga für Kaiser die größten sportlichen Erfolge. „In der Oberliga waren die großen Mannschaften wie Magdeburg, Eisenach und Leipzig versammelt. Das war schon eine großartige Erfahrung“, sagt er dazu. Dabei wollte der 1,86 Meter große Rechtshänder eigentlich in einer ganz anderen Sportart Fuß fassen. In jungen Jahren entschied er sich für das Geräteturnen. Der Auslöser, die Sportart zu wechseln, war 2007 die Handball-Weltmeisterschaft im eigenen Land, die die deutsche Nationalmannschaft gewann. Damit wurde beim bewegungstalentierten Achtjährigen das Handballfieber geweckt.

Seinen Entschluss hat er bis heute nicht bereut. „Das Geräteturnen hat mir vielleicht ein paar motorische Vorteile verschafft. Letztlich war die Entscheidung, zum Handball zu wechseln aber richtig. Denn fürs Geräteturnen bin ich vielleicht etwas zu ungelenkig und zu groß.“ Vor dieser Saison in den Kader des Sachsenligateams zu rücken, war trotzdem keine leichte Entscheidung. „Ich wusste nicht, ob ich das alles mit dem Abitur unter einen Hut bekomme. Die Trainingszeiten sind oft sehr spät. Mit der Zeit habe ich mich allerdings daran gewöhnt. Dreimal in der Woche zu trainieren, war mir ja bereits von früher bekannt“, sagt Moritz Kaiser. Im Kreis der ersten Männermannschaft fühlt er sich sehr wohl. Besonders wichtig sei, dass er viel Zuspruch von seinen Mitspielern erfährt. „Das Team ist echt spitze. Alle sind sehr ehrgeizig und haben einen großen Kampfgeist. Und es gibt immer jemanden, der mich ermutig, mir ein Herz zu fassen.“

Rekordspiel in der Debütsaison

Dass das Team nun wieder um die Bronzemedaille mitspielt, überraschte ihn nach der Vorgeschichte im Sommer mit den Abgängen wichtiger Spieler sehr. Kaiser: „Alle Mannschaften in dieser Liga spielen auf hohem Niveau. Wir müssen uns vor keinem Gegner verstecken. Wir sind als Truppe ziemlich gut zusammengewachsen, die Absprachen funktionieren mit der Zeit immer besser, und wir sind alle flexibler geworden.“ Einen großen Anteil schreibe Kaiser dabei Trainer Petr Masat zu. Ihm liege sehr die Art des Trainings. Vor allem die Übungen mit stetig wechselnden Positionsbesetzungen helfe dem Team auch in schwierigen Situationen weiter. „Wir können uns so auch immer wieder aufraffen, wenn wichtige Spieler fehlen“, sagt Kaiser, der sich vor allem im linken Rückraum wohlfühlt. So ein Spiel mit ersatzgeschwächtem Kader war auch der Auswärtsauftritt bei der zweiten Vertretung des HC Elbflorenz, wo ihm sein bisher größter Wurf gelang. Beim Tabellenführer überragte Kaiser alle Akteure an diesem Tag und warf insgesamt 13 Tore. Ein neuer Rekord – kein anderer Koweg-Spieler hat jemals zuvor so häufig in einem Spiel getroffen.

Einen Gegenpol zum körperlich harten Handballsport findet Kaiser in seiner zweiten Leidenschaft. Über das Grundschul-Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ fand er großen Gefallen am Cello. Seit der dritten Klasse musiziert er nun schon auf dem Streichinstrument, nimmt dafür einmal in der Woche Einzelunterricht. Seit mehreren Jahren spielt Kaiser im deutsch-polnischen Jugend-Sinfonieorchester, seit 2015 gehört er fest zur Besetzung eines Cello-Quartetts. Wie im Handball ist Kaiser auch bei seinem zweiten Hobby sehr erfolgreich. So gewann er mit dem Quartett Ende 2016 den Regionalentscheid von „Jugend musiziert“ in Hoyerswerda, wodurch sich die vier Musiker für den Landeswettbewerb qualifizierten. Dieser fand voriges Wochenende in Bautzen statt – parallel zum Heimauftritt des Sachsenliga-Teams gegen Einheit Plauen. Moritz Kaiser: „Dort waren alles richtig gute Musiker dabei. Bei diesem Wettbewerb zählt allein die Teilnahme, und das ist schon eine hohe Auszeichnung.“ Bescheidenerweise erwähnt er nicht, dass es auch dort für das Cello-Quartett mit Moritz Kasier zu einem beachtlichen 3. Preis gereicht hat.

Preisträger im Cello-Quartett

Weil aber gerade solche Auftritte überwiegend an den Wochenenden liegen, bringt ihn das in Konfliktsituationen: Handball oder Cello. „Es ist manchmal nicht ganz einfach zu entscheiden, wo man Prioritäten setzt. Aber in dem Quartett ist ein fehlender Part eben nur sehr schwer zu ersetzen.“ Eine Kostprobe seines Könnens bekamen übrigens auch seine Mannschaftskollegen schon zu hören: Auf der Team-Weihnachtsfeier spielte er ein paar Stücke vor.

In diesen Genuss werden die Görlitzer Handballer aber vorerst nicht mehr so schnell kommen. Kaiser absolviert gerade sein Abitur am Joliot-Curie-Gymnasium mit der nicht ganz alltäglichen Leistungskurs-Kombination Deutsch/Chemie. Nach dem Abitur zieht es Kaiser in die weite Welt hinaus, genauer gesagt ins über 10 000 Kilometer entfernte São Paulo. Er absolviert dort in einem der 1 700 Elendsviertel ein freiwilliges soziales Jahr, wird unter anderem den Musikunterricht mit seinem Cello unterstützen. Über die Trägerorganisation „Freunde der Erziehungskunst“ in Deutschland wird sein Vorhaben unterstützt. Allerdings muss Kaiser auch einen Eigenanteil in Höhe von 3 200 Euro leisten – für Seminare, Fahrt- und Flugkosten und anderes. Damit Moritz Kaiser das Geld zusammenbekommt, ist ein Spendenkonto eingerichtet worden. Kaiser: „Ich bin für jede Unterstützung dankbar. Im Gegenzug würde ich gern allen, die mir beim Zusammentragen des Geldes helfen, regelmäßig von meinen Erfahrungen berichten und mit Fotomaterial einen authentischen Eindruck meiner Arbeit dort vermitteln.“

Moritz Kaisers Brasilien Projekt

In São Paulo gibt es rund 1700 Elendsviertel, die Favelas. Die Organisation „Monte Azul“, die 1979 gegründet wurde, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die dortigen Lebensumstände zu verbessern. Mittlerweile hat sich daraus ein riesiges Netzwerk entwickelt, welches über 18 000 Menschen betreut und unterstützt. Es gibt neben Kindergärten, Krankenstationen und berufsausbildenden Werkstätten für Jugendliche, auch Schulen für die Kinder. Moritz Kaiser hat sich um eine Stelle in der Schule zur Unterstützung der Lehrer in den Fächern Englisch, Deutsch und Sport beworben und eine Zusage erhalten. Eventuell kann er im dortigen Orchester auch Cellounterricht geben.

Die Organisation finanziert sich ausschließlich aus öffentlichen Mitteln der Stadt und Spenden. Das Spendengeld für Moritz Kaiser geht an die Trägerorganisation „Freunde der Erziehungskunst“ in Deutschland. Diese organisiert die gesamte Reise, mit Seminaren, Fahrt-und Flugkosten und allem anderen.

Das Spendenkonto: Moritz Kaiser, IBAN: DE94 5001 0060 0834 9416 06, BIC: PBNKDEFF, Betreff: Freiwilligendienst

Für eine Spendenbescheinigung bitte im Betreff die Adresse hinterlegen.