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Die Not mit der Notdurft

Ein Verbot verärgert Dresdens Hobbygärtner. Die Alternativen sind nichts für schmale Geldbeutel.

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© René Meinig

Von Nora Domschke

Mit dem Campingklo mehr als 300 Meter zu Fuß? „Nicht mit mir“, sagt Regina Fetter entschlossen. Seit 30 Jahren hat sie einen Kleingarten in der Sparte Am Heiderand in Bühlau. Bislang hat die Dresdnerin ihr Camingklo auf dem Kompost ausgeleert. Seit Kurzem verbietet ein EU-Gesetz, dass Abwasser – darunter zählen natürlich auch menschliche Fäkalien – einfach im Boden versickern. Dadurch soll verhindert werden, dass Krankheitskeime und Medikamentenrückstände ins Grundwasser gelangen. Das alles kann Regina Fetter nachvollziehen. „Allerdings ist die Verordnung praktisch nur schwer umsetzbar“, sagt die Rentnerin, die bis 2007 Vorsitzende ihrer Gartensparte war. Denn die Alternativen seien entweder umständlich, vor allem für ältere Menschen, oder teuer.

Der Stadtverband der Dresdner Gartenfreunde hat deshalb nun Info-Zettel an die 360 Gartenvereine verteilt. Dort wird erklärt, wie mit Fäkalien umzugehen ist. Im Stadtgebiet gibt es etwa 23 300 Kleingärten auf einer Fläche von knapp 764 Hektar. Das sind mehr als 1 000 Fußballfelder. Vor allem im Sommer kommt da eine Menge Abwasser zusammen, wenn die Lauben auch zum Übernachten genutzt werden.

Eine Möglichkeit, mit der Verordnung umzugehen, ist der Weg zum Vereinshaus, wo es in der Regel Gemeinschaftstoiletten gibt. Allerdings sind längst nicht alle diese Gebäude an das Abwassernetz angeschlossen. Wie viele, das lässt der Stadtverband derzeit ermitteln. Im Falle der Bühlauer Sparte bedeutet diese Variante für einige Hobbygärtner – wie Regina Fetter – einen Fußmarsch von gut 300 Metern. Dabei handelt es sich mit insgesamt 70 Parzellen um eine vergleichsweise kleine Anlage. In größeren Sparten sind die Wege mitunter noch länger. „Das ist für manche Senioren, aber auch für Familien mit kleinen Kindern ein Problem“, sagt Regina Fetter.

Auch sie müsste, wenn sie weiterhin ihre Campingtoilette benutzen will, mit dem schweren Kasten bis zum Vereinshaus laufen. Denn dort könnte sie ihr Geschäft in einer abgedichteten Grube entsorgen, die dann regelmäßig geleert wird. Noch gibt es so eine Vereinsgrube in der Bühlauer Anlage aber nicht. Frank Hoffmann, Vorsitzender des Stadtverbandes, hält die Variante allerdings für die kostengünstigste Lösung.

Eine andere Möglichkeit wäre, selbst eine abgedichtete Grube in den Kleingarten zu bauen. Doch allein das Gutachten dafür, ob die Grube wirklich richtig dicht ist, koste rund 350 Euro, sagt Regina Fetter. Und auch mit einer weiteren möglichen Lösung tut sich die Dresdnerin schwer: eine sogenannte Bio-Trockentoilette. In diesen werden die einzelnen Bestandteile beim Toilettengang getrennt voneinander aufgefangen. Damit ist deren Entsorgung wiederum unproblematisch: Großes Geschäft auf den Kompost, kleines Geschäft stark mit Wasser verdünnt an die Sträucher im Garten. Allerdings ist auch das mit Kosten verbunden. Diese speziellen Behälter sind ab rund 500 Euro zu haben. Es gibt aber auch Exemplare für 900 Euro – die sind dann wohl offenbar besonders bequem. Regina Fetter ist wütend. Für sie sind die Kleingärtner und ihr Geschäft das geringste Problem bei der Verunreinigung von Boden und Grundwasser. „Hier werden riesige Felder mit Chemikalien und Gülle gedüngt.“ Da fehle ihr die Verhältnismäßigkeit. „Mir geht es um Gerechtigkeit.“ Sie will sich nicht abfinden mit der neuen Verordnung. Auch, weil sie befürchtet, dass nun viele ältere Dresdner ihre Gärten aufgeben. In ihrer Sparte hätten es bereits zwei Ehepaare getan.