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Die Kühlschrank-Revolution

Vor einem Vierteljahrhundert läuft in Sachsen das erste Gerät ohne Treibhausgas vom Band. Das damalige Zweckbündnis hat einen Verlierer.

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© Sebastian Kahnert/dpa

Von Martin Kloth

Niederschmiedeberg. Vor 25 Jahren blickte die Welt für einen Tag in die sächsische Provinz. Ein ungewöhnliches Schulterschluss von Wirtschaft und Umwelt und ein damals seltenes Hand-in-Hand von Ost und West leiteten eine technische Revolution ein.

Mit Tamtam startete am 15. März 1993 in Niederschmiedeberg im Erzgebirge die Serienproduktion des ersten Kühlschranks der Welt komplett ohne den Ozon-Killer FCKW. Verantwortlich waren das frühere DDR-Unternehmen Foron Hausgeräte GmbH und die Umweltschutzorganisation Greenpeace.

„Wir waren ein Herz und eine Seele“, erinnert sich Wolfgang Lohbeck, der seinerzeit bei Greenpeace die Fäden für das Projekt in der Hand hielt, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur an den Produktionsstart. Euphorie herrschte an jenem kalten Montag, an dem sich der heute 73-Jährige trotz Fiebers in die entlegene Gegend gequält hatte. „Das Event hat alles überstrahlt.“ Nach seinen Angaben hatten wie er mehr als 100 Journalisten und zig Fernsehteams den Beginn einer neuen Kühlschrank-Ära miterleben wollen.

Eigentlich ging es ums Überleben

Weit nüchterner blickt Albrecht Meyer auf diesen Märztag zurück. Der Diplom-Ingenieur für Kältemaschinenbau hatte gemeinsam mit dem 2015 gestorbenen damaligen Geschäftsführer Eberhard Günther gegen alle Widerstände die Revolution vorangetrieben. „Der Weg war steinig.“ Dabei ging es weniger um Überzeugung als vielmehr ums Überleben des Werkes. Denn als Ex-DDR-Betrieb dkk Scharfenstein stand Foron unter der Verwaltung der Treuhand und sollte mangels Kaufinteressenten abgewickelt werden.

Das Unternehmen am wirtschaftlichen Abgrund und Greenpeace kamen 1992 zusammen. Wegen des Montreal-Abkommens von 1987, bei dem sich 197 Länder inklusive beider deutscher Staaten zum Verzicht auf ozonschichtschädliche Substanzen bekannt hatten, tüftelten die DDR-Kältetechniker an neuen Lösungen. Die bundesdeutschen Unternehmen setzten auf das Mittel R134a, ein Fluorkohlenwasserstoff (FKW). Das stand jedoch auf der Embargoliste und daher für die DDR nicht zu Verfügung. Greenpeace war ohnehin gegen den Einsatz des Treibhausgases.

„Es war meine Arbeit damals, herumzuziehen und das propagieren und die Fertigung zu überwachen“, berichtet Meyer. Was er anpries: Die später als „Greenfreeze“ vertriebenen Geräte mit der sperrigen Bezeichnung KT 1370 RC wurden mit Propan und Butan als Kühlmittel betrieben, die Dämmung war aus Polystyrol, das im Gegensatz zum üblichen Polyurethan anderer Hersteller ebenfalls keinen Fluorchlorkohlenwasserstoff enthielt.

Pikant war, dass Foron zum Zeitpunkt der Experimente noch unter Verwaltung der Treuhand stand. Weder die Anstalt noch Bosch als potenzieller Käufer wussten davon. „Das war Verschlusssache. Das war mit Greenpeace so abgestimmt“, erzählt Meyer. Bosch sprang als Investor ab, das Werk sollte liquidiert werden. Daraufhin lüfteten Greenpeace und das Werk im Juli 1992 das Geheimnis ihrer Zusammenarbeit.

Allein 50 000 Bestellungen von Neckermann

Die Umweltorganisation bestellte zehn FCKW-freie Kühlschränke und zahlte dafür 26 000 Mark. Die Treuhand stellte fünf Millionen Mark für die Markteinführung bereit. Im Dezember des gleichen Jahres zertifizierte der Tüv die Kühlschränke neuer Technik. Im Februar 1993 stellte Foron vier Geräte auf der wichtigen Hausgerätemesse Domotechnika in Köln aus. Greenpeace rührte die Werbetrommel. Und bereits vor Produktionsstart lagen 70 000 Bestellungen vor, allein 50 000 davon durch den Versandhändler Neckermann. Wie die FCKW-Kühlschränke kostete das Foron-Gerät rund 500 Mark.

Foron wurde für die technische Revolution bejubelt und erhielt 1993 auch den ersten Deutschen Umweltpreis dafür, der mit 500 000 Mark dotiert war. Von der alteingesessen Konkurrenz wurde das Unternehmen aber angefeindet. „Die chlorreichen Sieben“, wie Greenpeace die Firmen AEG, Bauknecht, Bosch, Electrolux, Liebherr, Miele und Siemens in Anlehnung an einen Westerntitel nannte, warnten in einem gemeinsamen Schreiben die Händler.

Aufgeführt wurden Explosionsgefahr wegen des brennbaren Propan/Butan-Gemisches, sechsmonatige Lieferzeiten, schwache Wärmedämmung und höherer Energieverbrauch. Nur ein halbes Jahr später aber brachte Bosch ein Gerät mit der gleichen technischen Lösung auf den Markt. „Foron konnte seinen technischen Vorsprung nur wenige Monate halten“, sagt Umweltaktivist Wolfgang Lohbeck.

Ein Patent hatte Foron laut Abmachung mit Greenpeace nicht anmelden dürfen. Die Zweckgemeinschaft von Greenpeace und den Sachsen zerbrach. „Es ging uns um die Technik und nicht um die Firma“, erklärt Lohbeck. In den Jahren danach brach der Umsatz ein, mit Foron ging es bergab. 1996 kam die erste Insolvenz, 2001 trotz Besitzerwechsels die zweite und endgültige.

Dennoch ist Albrecht Meyer noch heute stolz auf den damaligen Coup. „Wenn wir nicht gewesen wären, wäre hier schon 1992 duster gewesen“, sagt er beim Gespräch im Heimatmuseum in Niederschmiedeberg. „Durch uns hatten ein paar Hundert Leute noch acht Jahre lang Arbeit.“ Zum Produktionsstart arbeiteten 600 Beschäftigte in dem Werk, 1996 waren es noch 210 - von mehr als 5 000 zur Wendezeit.

Laut Lohbeck, der sich auf Angaben der UN stützt, wurden seit 1993 weltweit zwischen 800 Millionen und einer Milliarde FCKW-freie Kühlschränke verkauft. „Es hat sich bestätigt, dass wir nicht ganz unrecht hatten“, sagt Albrecht Meyer. (dpa)