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Die Karte der Zwangsarbeit

Die Historikerin Klara O’Reilly erstellte einen besonderen Stadtplan. Er bringt mehr Licht in ein düsteres Görlitzer Kapitel.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Dieses Gespräch mit einem alten Görlitzer hat Klara O’Reilly berührt. Der Rauschwalder erzählte ihr von seiner Kindheit, in der er mit Freunden oft durch die Stadt zog. Und von dem jungen Zwangsarbeiter, den sie manchmal versuchten, ins Spiel zu integrieren. So richtig bewusst sei ihm erst im Gespräch mit Klara O’Reilly geworden, welche Bedeutung das hatte.

Welche Bedeutung Zwangsarbeit in und für Görlitz hatte, hat O’Reilly erforscht. Die Deutsch-Irin hat osteuropäische Kulturgeschichte in Dublin studiert und dort auch promoviert. Für ihren Bachelor in Anglistik und Polonistik studierte sie in Dresden und Krakau. Seit zwei Jahren lebt sie in Görlitz, arbeitet für den Meetingpoint Messiaen und recherchiert zur Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkrieges. Damals hätte niemand einen Stadtplan zur Zwangsarbeit gebraucht, Fabriken, Schuppen, Werkstätten, Hinterzimmer, selbst Lager seien kein Geheimnis gewesen. So steht es auch im Einleitungstext auf dem Stadtplan, den Klara O’Reilly erarbeitet und zusammen mit Juliane Wedlich und Lorenz Kallenbach gestaltet hat.

Pünktlich zu den Messiaen-Tagen, die in Görlitz und Zgorzelec an diesem Wochenende begangen werden, ist er fertig. 1000 Stück haben sie drucken lassen, um dieses düstere Kapitel der Görlitzer Stadtgeschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Den Plan kann man kaufen oder aber an einer Führung teilnehmen, die am heutigen Sonnabend stattfindet – dann gibt es die Karte gratis dazu. Führen wird Alex Winkelmann, der aus Berlin kommt, erst seit Kurzem in Görlitz lebt und hier soziale Arbeit studiert. Seine erste Station: die Wroclawska (Breslauer Straße), wo einst das Hotel „Stadt Breslau“ stand. Es diente als Massenunterkunft für italienische Zwangsarbeiter, die hier unter unwürdigen Bedingungen leben und in der Apparatefabrik auf der Uferstraße arbeiten mussten. „Viele Zwangsarbeiter waren Männer“, weiß Klara O’Reilly.

Ihre Herkunft war bunt gemischt: belgische Kriegsgefangene, polnische Tischler, ukrainische Jugendliche, aber auch junge Frauen aus Leningrad waren darunter – und jüdische Häftlinge. Sie kamen fast alle aus Ländern, die die deutsche Wehrmacht besetzt hatte. Drei große Gruppen gab es in Görlitz: Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Sie arbeiteten in vielen Betrieben der Stadt, waren im Stadtbild zu sehen. „Das belegen Fotos, im Stadtarchiv gibt es einige“, so Klara O’Reilly. Eins davon ist auf der Rückseite des Stadtplans zu sehen – polnische Kriegsgefangene beim Schneeräumen auf dem Postplatz. In der Karte selbst sind Einsatzorte, Außenkommandos, NS-Behörden und Zwangsarbeiterlager markiert. Sie enthält zudem einen QR-Code, denn es gibt den Plan auch digital. Zudem plant Klara O’Reilly im April eine Wanderausstellung, die an mehreren Orten in Görlitz und Zgorzelec zu sehen sein soll.

Die zweisprachige Führung findet heute, um 15.30 Uh,r statt, Start ist an der Altstadtbrücke. Der Stadtplan zur Zwangsarbeit ist für 1,50 Euro im Kaisertrutz oder in der Buchhandlung Art Goreliz, Brüderstraße, zu bekommen.