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Die Fibel des Feuerwehrmanns

Sein Traum von der Berufsfeuerwehr platzte. Doch nun könnte Philip Junkersdorf Generationen von Rettern schulen.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Oben auf dem Schrank drängeln sich die Kindersitze. Viele kleine Leute, die in Gedanken schon Brände löschen, müssen sich noch einige Jahre gedulden, bevor sie selbst mit Blaulicht zum Einsatz rasen dürfen. Dafür muss man 16 sein.

Philip Junkersdorf kann sich noch gut an seine eigene Zeit bei der Jugendfeuerwehr erinnern. „Ich hab lange auf diesen Tag hingefiebert, an dem ich endlich meinen Pieper bekommen habe“, sagt der 23-Jährige. 365 Tage im Jahr zu jeder Tages- und Nachtzeit auf einen Einsatz vorbereitet zu sein, das ist für viele angehende Feuerwehrleute das Größte.

Inzwischen ist Junkersdorf schon seit sieben Jahren im aktiven Dienst bei der Freiwilligen Feuerwehr Cossebaude, die ihre moderne Wache direkt an der Dresdner Straße hat. Er ist nun Gruppenführer und seit zwei Jahren zudem Chef für den Nachwuchs – und den gibt es reichlich. Mit 22 Kindern ist seine Jugendfeuerwehr eine der größten in der ganzen Stadt. „Mehr Spinde haben wir gar nicht“, sagt er. Allein im vergangenen Jahr seien neun kleine Nachwuchsretter dazugekommen. Und die Warteliste ist lang.

Philip Junkersdorf selbst wollte eigentlich zur Berufsfeuerwehr. Er bestand alle Tests und Prüfungen, letztlich stoppte ihn aber seine trockene Haut. „Das war damals hart für mich“, sagt er. „Mein Kindheitstraum war geplatzt. Ich wollte am liebsten alles hinschmeißen.“ Am Ende fand er doch seinen Frieden damit – und blieb der Freiwilligen Feuerwehr treu. Sein Geld verdient er heute als Rettungsassistent in der Rettungswache in Meißen. Nebenbei studiert er Medizinpädagogik und hält hier und da bereits Fachvorträge. „Mit einer 40-Stunden-Woche ist es da zwar nicht getan, aber das nehme ich gern in Kauf.“

Bei der Feuerwehr in Cossebaude fuhr er im vergangenen Jahr etwa jeden zweiten Einsatz mit. In den seltensten Fällen sind das Brände. Deutlich häufiger liegt ein Baum quer auf der Straße oder eine Ölspur behindert den Verkehr. Feuerwehrmann sein ist eben kein Wunschkonzert. Da er nur zwei Querstraßen von der Wache entfernt wohnt, ist er immer als einer der ersten abfahrbereit.

Regulär kommt Junkersdorf alle zwei Wochen rein und bildet am Versammlungstisch in seinem eigenen Büro die Jugend weiter. Mal geht es um die Einsatztaktik, mal um die Fahrzeuge, mal um die Geräte. „Die Themen wiederholen sich etwa jedes Jahr und ich hatte oft das Gefühl, dass ich wieder bei Null anfangen musste“, erinnert er sich. Es müsste etwas geben, womit man die wichtigsten Fakten jederzeit nachschlagen kann. Eine Art Lehrbuch für die Feuerwehrausbildung, träumte er. „Für die Aktiven gibt es jede Menge Fachliteratur, die aber viel zu speziell ist.“ Deswegen kam er auf die Idee, eine kleine Broschüre zu schreiben und zu drucken, in der er das wichtigste Fachwissen so knapp wie möglich und in einfachen Worten zusammenfasste. Eigentlich war diese Broschüre nur für die eigene Jugend in Cossebaude gedacht, doch das Echo war überwältigend. „Die Eltern der Kinder haben es fast noch mehr gelesen“, sagt Junkersdorf.

Bald interessierten sich immer mehr Menschen in Sachsen für das „ABC der Jugendfeuerwehr“, wie Junkersdorf sein Werk nannte, bei dessen Weiterentwicklung auch einige seiner jungen Kameraden halfen. Wehrleiter Albrecht Rößler musste dagegen nicht Korrekturlesen. „Das ist eine fitte Truppe“, sagt er. „Die kennen sich besser aus als so mancher alte Hase.“

Im Laufe von Wochen und Monaten wurde die Broschüre immer komplexer, bis Junkersdorf ein richtiges Buch in den Händen hielt. Er schrieb drei Verlage an – und der Neckar-Verlag in Baden-Württemberg sagte zu. Seitdem ist das Buch auf allen Onlineportalen erhältlich. „Deutschlandweit ist gerade die 5. Auflage im Umlauf“, sagt er stolz. Mehr als 5 000 Exemplare seien schon verkauft worden. Bei einem Preis von 5 Euro pro Stück und einer Beteiligung von 10 Prozent macht sich das in seinem eigenen Portemonnaie zwar nicht groß bemerkbar – aber das stört den 23-Jährigen nicht. „Ich würde mir wünschen, dass das Buch irgendwann zu einem Standardwerk für die Feuerwehrausbildung wird“, sagt er. Durch die extra große Schrift und die bewusst einfach formulierten Sätze könnten auch Achtjährige schon etwas damit anfangen. Aus allen Teilen Deutschland bekam Junkersdorf schon Feedback. Oft großes Lob, manchmal auch Verbesserungsvorschläge.

Die Zeichnungen der Feuerwehrleute auf dem Cover und im Kapitel über Einsatzfahrzeuge steuerte übrigens Philips Freundin Miriam bei, die künstlerisch äußerst begabt sei. Er selbst kümmert sich nun ständig um Erweiterungen. Die aktuelle Auflage hat 72 Seiten, bei der nächsten werden es schon über 100 sein. Hinzukommen unter anderem Kapitel über den Notruf und die Knotenkunde. Die Erste Hilfe fehlt bislang noch komplett. Es gibt es also noch reichlich zu tun für den neuen Erfolgsautor von Cossebaude.

Wenn sein Traum von der Berufsfeuerwehr auch geplatzt sein mag, so hat Philip Junkersdorf doch schon jetzt seinen Teil dazu beigetragen, dieses Land ein klein wenig sicherer zu machen.