Merken

Die Dorfverschönerer

Ein Verein will den zweitgrößten Ortsteil der Gemeinde beleben. Es gibt erste Erfolge – aber auch Kritik. Das ärgert die Chefinnen.

Teilen
Folgen
© Eric Weser

Von Eric Weser

Röderaue. Der Blick bleibt unweigerlich an den großen, bunten Blubber-Buchstaben hängen. Ein gewollter Effekt. „Der absolute Hingucker“, freuen sich Sophie Knabe und Waltraud Müller über den Schriftzug an der Spielplatzmauer. Seit Oktober macht er ihren Heimatort Pulsen ein ganzes Stück farbiger. Das Graffito ist eins der jüngsten Projekte und gleichzeitig auffälligsten Projekte des Vereins „Lebendiges Pulsen“.

Die Vereinsidee entstand 2015, erzählt das Frauen-Vorstandsduo. Den 800-Seelen-Ort schöner machen, liebenswerter. Das habe man sich zum Ziel gesetzt. Die Zwischenbilanz nach gut anderthalb Jahren: mehrere Putz- und Pflanzaktionen im kleinen Park, Sandtausch auf dem Kinderspielplatz, Hilfe bei der Märchenaufführung im Saal und der Kita-Renovierung, Kugelschmuck für den Christbaum vor der Schule. Alles mit gerade mal 14 Vereinsmitgliedern und einer Handvoll weiterer Helfer.

Größer ist der Unterstützerkreis derzeit nicht. Leider, so Sophie Knabe und Waltraud Müller. „Wir freuen uns über jeden, der mitmacht.“ Mitglied müsse man dafür nicht werden, zu den Treffen oder Aktionen zu kommen, genüge. Sophie Knabe wünscht sich, dass sich noch deutlich mehr Leute im Verein engagieren. Ihre Hoffnungen setzt sie unter anderem in rüstige Rentner, die gerade in den Ruhestand gehen. Die hätten noch Tatkraft, aber vielleicht etwas mehr Zeit als die Berufstätigen.

Auch die 26-jährige Vereinschefin arbeitet – in der Gemeindeverwaltung in Frauenhain. Daneben drückt sie immer freitags und sonnabends in Dresden die Schulbank, um Verwaltungsfachwirtin zu werden. Ihre Freizeit verbringt sie gern im Fitnessstudio. Oder sie kümmert sich um ihren Ort. Sie findet das selbstverständlich. „Man sollte sich für sein Dorf einsetzen und auch selbst anfassen, wenn was werden soll.“

Mit Pulsen ist Sophie Knabe von Kindesbeinen an verbunden. Ihre Eltern leben hier, die Großeltern auch. Bis zu deren Schließung ging sie in die frühere Mittelschule im Ort. 2014 verpasste Sophie Knabe nur hauchdünn den Einzug in den Ortschaftsrat. Absichten, woanders hinzugehen? Habe sie nicht.

„Ich brauche Action“

Waltraud Müller ist eine der agilen Rentnerinnen, von denen der Verein noch ein paar mehr gebrauchen könnte. Die einstige Schlecker-Mitarbeiterin ist seit der Pleite des Händlers 2012 im Ruhestand und sagt von sich: „Ich brauche Action.“ Eigentlich habe sie mal geplant, als Rentnerin zurück nach Oschatz zu ziehen, wo sie herstammt. Das sei aber nach 42 Jahren in Pulsen kein Thema mehr. Zu viel hat die Ruheständlerin investiert, um Pulsen zu verlassen. Wohnung, Kleingarten – und dann ist da ja noch die Arbeit in Gemeinde und Ortschaftsrat. Und nun auch noch der Verein. Genug Action. Schließlich will allerhand organisiert sein. Zum Beispiel Spendengelder, um die fleißigen Helfer nach einem Dorfputz in der Feuerwehr mit Kaffee und Bockwürsten beköstigen zu können.

Der Dorfputz war die erste Aktion, mit der der Verein in die Öffentlichkeit gegangen ist. Fürs Vereinsimage hatte das einen eher unschönen Nebeneffekt, erzählt Sophie Knabe. „Manche sehen uns als Putzverein, der jetzt das Dorf sauber hält.“ Das sei aber Quatsch. „Wir machen das vor allem, weil man das gut mit menschlicher Kraft und wenig Geld umsetzen kann.“ Großen finanziellen Spielraum habe der Verein bei 20 Euro Jahresbeitrag pro Mitglied nicht. Die Summe sei jedoch bewusst niedrig, um keine unnötigen Hürden für Neu-Mitglieder aufzubauen.

Deshalb ist jeder Spender beim Verein gern gesehen. Zu den größten Unterstützern gehöre bisher die Gemeinde, aber auch der Großvermieter Gröditzer Wohnbau. Der Genossenschaft gehören die im Krieg erbauten Arbeiterwohnblöcke, die bis heute das Pulsener Ortsbild prägen.

Und sie prägen auch das Leben in dem Siedlungsdorf, das 1945 mal 4 000 Einwohner zählte. Eine Gemeinschaft, wie es sie in gewachsenen Orten gebe, existiere in Pulsen nicht, sagen die Vereinschefinnen. Zwar habe das Dorf noch eine Ladenzeile mit Versicherung, Bäcker, Fleischer, Tante-Emma- und Blumenladen. Doch die alternde, insgesamt schrumpfende Bevölkerung hinterlässt auch im zweitgrößten Ortsteil der Gemeinde Röderaue merkliche Spuren. „Die Sparkasse ist schon weg und der Arzt auch“, sagt Waltraud Müller.

Umso mehr gefällt den beiden Vereins-Frauen, dass durch Kita und Grundschule nach wie vor junges Leben im Dorf ist. Junges Leben, das in letzter Zeit wieder Zuwachs habe. Es seien vermehrt Kinderwagen auf den Gehwegen zu sehen. „Das ist auffällig und das freut uns“, sagt Waltraud Müller. „Und auch ein Ansporn für den Verein“, sagt Sophie Knabe.

Aktionen und Kontaktdaten und weitere Infos zum Verein gibt es unter https://facebook.com/lebendigespulsen.