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Der singende Händler

An Stephan Noacks Stand auf dem Bautzener Wenzelsmarkt gibt’s Windlichter und Räucherstäbchen. Eigentlich hat der 53-Jährige einen völlig anderen Beruf.

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© Uwe Soeder

Bautzen. Die Stimme lockt schon in die Wenzelsmarkthütte auf dem Bautzener Hauptmarkt. Hinter leuchtenden Windlichtern in Weiß oder ganz bunt, Kerzen, Duftkerzen und Räucherstäbchen steht Stephan Noack gleich gegenüber der Weihnachtsmannbühne. „Den Bärtigen kenne ich noch aus meiner Zeit als Sänger beim National-Ensemble“, sagt der 53-Jährige schmunzeln. Der Countertenor und Eberhard Rabovsky – vielen besser bekannt als Bautzens Weihnachtsmann – haben schon zusammen im Bautzener Theater auf der Bühne gestanden.

In der Bude mit den Geschenkartikeln bekommt an diesem Vormittag Stephan Noack die fast ungeteilte Aufmerksamkeit der Besucher. Der Duft der Räucherstäbchen übt Magie aus. „Ich habe von der Stelle in der Zeitung gelesen und es einfach probiert“, sagt der Bautzener. Er überbrückt damit noch einen Monat zwischen seiner Selbstständigkeit und einem neuen festen Job im neuen Jahr. In den vergangenen 15 Jahren war er als freiberuflicher Sänger vor allem in der Ober- und Niederlausitz unterwegs – bei Liederabenden genauso wie auf Hochzeiten.

Seine Liebe zur Musik wird Stephan Noack schon in die Wiege in Horka gelegt. „In unserer Familie wurde immer viel gesungen, gerade auch in der Weihnachtszeit“, sagt der Verkäufer auf Zeit. Das Talent spricht sich herum, in der Kirche wie in der Schule ist die Stimme des jungen Sorben begehrt. Trotzdem macht er erst eine Ausbildung zum Werkzeugmacher. Im Beruf arbeitet er nie, da er sich nach der Lehre sofort im damaligen Staatlichen Ensemble für sorbische Volkskultur bewirbt. Nach seinem Probejahr absolviert er ein externes Studium im Klassischen Gesang an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Ab 1983 ist er festes Ensemblemitglied.

In dieser Zeit holt er sich Applaus auch bei den großen Musiktheaterproduktionen ab, für die Theater und Ensemble häufig zusammenarbeiten. „Ich war von Anatevka bis zur Zauberflöte im Chor mit dabei“, sagt der Sänger. Im Jahr 1986 singt er sogar die Titelrolle in der Uraufführung des Stücks „Der Wassermann“. Bis 1999 bleibt er am Vier-Sparten-Theater, macht sogar noch ein Aufbaustudium in der Lied- und Oratoriumsklasse in Wien.

Stephan Noack kümmert sich derweil um zwei Kundinnen. „Von den Kerzen habe ich nur noch die kleineren da. Die Großen sind aber nachbestellt“, sagt er mit sonorer Stimme und einem Lächeln. Ein anderer Passant begutachtet die Karussell-Gläser. Das ist in diesem Jahr der Verkaufshit am Stand. Ein Weihnachtslied dagegen bekommen die Kunden nur aus dem Lautsprecher zu hören. Denn der Countertenor mag es zu Weihnachten dann doch gern ein bisschen leiser. Das sorbische Weihnachtslied „Hody“ singt er dann am liebsten, wenn am 25. Dezember die Familie in Horka zusammenkommt.