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Der Philosoph in der Ecke

Manfred Wolke holte mit Henry Maske das Profiboxen aus der Schmuddelecke. Am Sonntag wird der Trainer 75 Jahre alt.

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© dpa

Von Nikolaj Stobbe

Henry Maske muss nicht lange überlegen. Als der frühere Gentleman-Boxer nach den Qualitäten seines langjährigen Trainers gefragt wird, sprudelt es nur so aus ihm heraus. „Manfred Wolke war der Philosoph unter den Trainern, der Feingeist. Er konnte seinen Boxern mit viel Sachverstand glaubhaft machen, was sie zu tun haben und was nicht“, sagt der ehemalige Profi-Champion über den Jubilar.

Am Sonntag feiert Wolke seinen 75. Geburtstag. Er blickt auf eine große Karriere zurück. Der Potsdamer war erfolgreicher Faustkämpfer. Er gewann 1968 bei Olympia in Mexiko-Stadt Gold im Weltergewicht. Vier Jahre später trug er bei den Sommerspielen die Fahne der DDR ins Münchner Olympiastadion. Seinen Erfolg konnte Wolke nicht wiederholen.

Der breiten Masse bleibt er als Trainer von Maske in Erinnerung. Erst formte er aus dem Amateur einen Olympiasieger (1988) und Weltmeister (1989). Dann wechselten beide zu den Profis und feierten außergewöhnliche Erfolge. „Viele haben uns gewarnt, dass Henry bei den Profis nicht mithalten kann und wir nach einigen Wochen auf der Straße liegen“, erinnert Wolke sich. Es kam anders. Zehnmal verteidigte Maske seinen WM-Titel im Halbschwergewicht. Bis zu 18 Millionen Zuschauer lockte das Duo beim Privatsender RTL vor die Fernseher – Quoten, die heutzutage undenkbar sind. Neben Maske betreute Wolke, der wegen seines breiten Brandenburger Dialekts – „janz ruhig Henry, et läuft“ – häufig parodiert wurde, auch Axel Schulz. Beinahe hätte er aus dem jetzigen TV-Experten den ersten deutschen Schwergewichtsweltmeister seit Max Schmeling geformt. Doch Schulz verlor am 5. November 1994 in Las Vegas gegen George Foreman in einem legendären Fight nach Punkten.

Wolke konnte auch anecken. In der DDR wurde er zur Jugend zwangsversetzt, bevor Maske ihn zurückholte. Als Promoter Wilfried Sauerland 2009 die langjährige Kooperation mit Wolkes Außenstelle in Frankfurt an der Oder aufkündigte, grollte der Trainer und kündigte einen Alleingang an, zumal er kurz zuvor erst eine neue Boxhalle hatte bauen lassen. Doch seine Jahre waren gezählt. Neue Talente konnte er nicht mehr herausbringen. Es wurde ruhig um Wolke. Inzwischen genießt er seinen Lebensabend, häufig auch in seinem Ferienhaus in Prerow auf dem Darß.

2007 hatte Wolke noch einen großen Auftritt. Maske feierte sein Comeback gegen den US-Amerikaner Virgil Hill, der ihm als Profi 1996 die einzige Niederlage beigebracht hatte. Erst setzte Maske auf Starcoach Teddy Atlas. Doch als Wolke frei wurde, schwenkte Maske um und feierte mit seinem langjährigen Trainer in der Ecke eine umjubelte Rückkehr für einen Kampf.

2012 bedankte Maske sich auf seine Art für die jahrzehntelange Partnerschaft. Als er im Berliner Adlon-Hotel die goldene Sportpyramide, die bedeutendste Auszeichnung fürs Lebenswerk in Deutschland, bekam, gab er den Preis an Wolke weiter – für Maske nur logisch: „Ohne Manfred hätte ich das alles nicht erreicht.“ (sid)