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Der Motocross-Macher

Jens Willig bereitet wochenlang ein Rennen über Stock und Stein vor. Dabei fährt er selbst gar nicht Motorrad.

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© Sebastian Schultz

Von Uta Büttner

Glaubitz/Radewitz. In seiner Freizeit dreht sich fast alles um Motocross. Er ist Mitglied im Motorsportclub (MSC) Riesa und Mitorganisator des Stoppelcrosses in Radewitz – doch selbst fährt Jens Willig keine Rennen. „Das ist viel zu gefährlich, ich darf beruflich nicht ausfallen“, sagt der 49-Jährige, der bei Wacker in Schichten arbeitet. Aber auf dem Motorrad seines elfjährigen Sohnes Tim habe er schon gesessen, aber nur aus Spaß. Sein Junior betreibt diesen Sport mit Begeisterung. Mit vier Jahren fuhr Tim das erste Mal mit einem Motorrad.

Für seinen Sohn ist Jens Willig 2011 in den Verein MSC Riesa eingetreten, der ein Jahr zuvor gegründet wurde. Von den 30 Mitgliedern fahren gerade einmal fünf Erwachsene selbst. „Wir machen das hauptsächlich für die Kinder.“ Ein eigenes Gelände hat der Verein noch nicht gefunden: „Einmal standen wir kurz vor dem Vertragsabschluss.“ Doch Einwände wegen Lärm- und Naturschutz hätten bisher alle Bemühungen scheitern lassen. „Aber wir haben noch nicht aufgegeben, wir sind immer noch auf der Suche“, sagt Willig.

Die Strecke des vom Verein ausgetragenen Wettbewerbs „Stoppelcross“, die nur ein paar Hundert Meter hinter Willigs Haus liegt, darf nur einmal im Jahr genutzt werden. Die nächste Ausgabe findet am Sonntag, 30. April, statt. Ein Bauer stelle dafür die etwa zwei Hektar große Fläche zur Verfügung. Der Streckenaufbau beginnt an diesem Wochenende. „Voriges Jahr haben mein Schwager und ich eine Woche vor dem Rennen Urlaub genommen, um alles vorzubereiten. Aber dieses Mal ging das zeitlich nicht“, sagt Willig. Etwa 150 Tonnen Erde werden zu Hindernissen verarbeitet. Hinzu kämen alte Reifen und Strohballen. „Zuvor muss das alte Gras entfernt werden.“ Doch das ist nicht alles: Anmeldung des Rennens, Versicherung, Notarztwagen, Essen und Getränke – alles müsse organisiert werden. „Hätten wir die Feuerwehr Radewitz nicht, die uns sehr stark unterstützt, könnten wir das nicht machen“, sagt Willig. 120 Starter im Alter von fünf bis 60 Jahren werden erwartet. Natürlich ist auch Tim auf seiner KTM SX 85 mit 30 PS dabei. Die Maschine wiegt 53 Kilogramm, er gerade einmal 45.

„Bei dieser schweren Maschine muss Tim körperlich noch richtig fit werden“, sagt Mutter Annett. Deshalb trainiere sie dreimal pro Woche gemeinsam mit Tim Kraft und Ausdauer. „Denn wenn die Kraft schwindet, dann passieren auch Fehler und Unfälle.“ Zum Glück sei Tim noch nichts passiert, abgesehen von ein paar Prellungen. Verletzungen habe er sich immer woanders geholt. „Einmal ist er auf dem Eis ausgerutscht und hat sich den Arm gebrochen“, erzählt Annett. Auch sie sei bei den Rennen immer dabei, wenn es geht – und fiebere mit. Natürlich mache sie sich auch Gedanken: „Man ist eben Mutter.“ Aber sie sei in diesen Sport hineingewachsen, wie auch die 18-jährige Tochter Kim, die immer die Fotos vom Stoppelcrossrennen mache. Annett würde auch gern einmal auf Tims Maschine fahren, aber ihr Sohn sage: „Ich will nicht, dass du dir was tust.“ Tim selbst sei auch keiner, der einfach drauf losfahre, erzählt Vater Jens. „Er fährt mit Köpfchen.“

Im Motocross-Rausch ist die Familie seit sechs Jahren. „2012 waren wir von April bis Oktober an 21 Wochenenden zu Rennen unterwegs“, erzählt Willig. „Anfangs haben wir im Zelt geschlafen. Ostern sind wir bei Minusgraden aufgewacht. Später haben wir uns dann einen gebrauchten Wohnwagen zugelegt.“ Und Annett fügt hinzu: „Wenn man diesen Sport liebt, nimmt man einiges auf sich.“

Heute fahren die Willigs nur noch zu vier bis fünf Rennen im Jahr. Aber nicht nur der zeitliche Aufwand sei hoch, auch der finanzielle. So koste ein Renn-Wochenende etwa 150 Euro. Eine neues 85er Motorrad etwa 5 000 Euro, eine Reparatur schnell mal 1 000. Hinzu käme die Schutzausrüstung einschließlich Knieorthesen und Protektoren. Und ganz wichtig: der Nackenschutz für mehr als 300 Euro. Die Sicherheit von Tim stehe ganz oben: „Da machen wir keine Abstriche“, sagt der Vati.