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Der Märchenmacher

Der Gröditzer Dirk-Torsten Höhne lässt bekannte Erzählungen lebendig werden. Derzeit arbeitet er an einem Großauftrag.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Gröditz. Grimms Märchenwelt liegt in einer Gröditzer Garage. Die goldene Gans, der geknüppelte Wirt – das sind nur zwei von vielen Figuren, die im Moment die Werkstatt von Dirk-Torsten Höhne bevölkern. Seit September hat der 53-Jährige an den teils überlebensgroßen Menschen und Tieren gearbeitet. Nun sind die knuffigen Märchengestalten so gut wie fertig, und der Abtransport an den Bestimmungsort, den Weihnachtsmarkt in Gera, steht bevor.

Zu der 95 000-Einwohner-Stadt im Osten Thüringens hat Dirk-Torsten Höhne eine lange Beziehung. Nach der Wende hat Höhne, der ursprünglich aus Frauenhain kommt, dort als Bühnenbildner im Theater gearbeitet und die Betreuung der damals schon existierenden Weihnachtsmarkt-Figuren übernommen. Als Dirk-Torsten Höhne vor zehn Jahren in seine Heimat zurückgekehrt ist, hat er den Pflege-Auftrag für die 33 Figuren mitgenommen. Seither ist er so etwas wie der Märchendoktor. Jahr für Jahr hält Höhne Frau Holle, die Sieben Zwerge und Co. in Schuss, bessert Schadstellen aus, klebt abgebrochene Gliedmaßen wieder an. Oft passiert das im Jahr in der Werkstatt. „Wenn’s brenzlig ist, fahre ich aber auch in der Weihnachtszeit hin.“

Dieses Jahr gab es den Auftrag für ganz neue Figuren. Weil sich die Werbegemeinschaft in Gera auflöst und Geld frei geworden ist, erzählt Höhne. War zu Jahresanfang noch von einem neuen Märchen die Rede, sind es letztlich drei geworden: Die goldene Gans und Tischlein deck’ dich aus dem Grimm’schen Märchenfundus sowie der Kleine Muck von Wilhelm Hauff.

Dirk-Torsten Höhnes Chefin freut sich über die große Bestellung. „Das ist schon ein außergewöhnlicher Auftrag für uns“, so Anke Spiering-Höhne, Inhaberin der Gröditzer Werbeagentur Spiering Design und Ehefrau des Figurenbauers. Für ihren Mann ist es außerdem eine Abwechslung. Meist kreiert Dirk-Torsten Höhne Bilder an Hauswänden. Zum Beispiel toskanische Landschaften, mit denen sich Hausbesitzer von ihm ein Stück Urlaub an heimische Fassaden zaubern lassen. Je nach Bildgröße braucht Dirk-Torsten Höhne meist nur wenige Tage, um solche Werke zu vollenden.

Versteckte Mühen

Im Fall der Märchenfiguren hat er fast sieben Wochen Arbeitszeit veranschlagt. „Und die werden knapp“, sagt er lachend und zeigt auf Stoff, den er noch zuschneiden muss, um eine Figur anzukleiden.

Allein zwei Wochen hätten die Recherchen nach geeigneten Vorlagen und erste Vorarbeiten gebraucht. Viel Mühe stecke an Stellen, die man gar nicht sieht. So stützen Metallskelette die Figuren auf . Eine gute Statik braucht es, das zeige die Erfahrung mit den alten Figuren. Mal war das Wetter an abgebrochenen Extremitäten schuld, mal Vandalen, mal ein missglückter Transport. Das soll den drei neuen Märchen möglichst erspart bleiben.

Geformt sind die Figuren zu großen Teilen aus Styropor, aber auch Bauschaum. „Das ist wie Bildhauerei mit einem weichen Werkstoff“, sagt Dirk-Torsten Höhne. Eine Kunstharz-Beschichtung macht alles fest und haltbar, die Farben sind wasserfest. Immer wieder hat der Gröditzer auf Kniffe und Materialien aus seiner Theaterzeit zurückgegriffen, zum Beispiel bei der Spachtelmasse, die eine glatte „Haut“ erzeugt. Haltbar seien die Figuren bei pfleglichem Umgang „eigentlich ewig“, so der Gröditzer. „Sie stehen ja auch nur vier Wochen draußen.“

In den nächsten Tagen wird Dirk-Torsten Höhne mit den fertigen Figuren nach Gera fahren und beim Aufbau helfen. Platziert werden die Märchenszenen zwischen insgesamt 90 Weihnachtsmarktständen und Christbäumen. Für den Kleinen Muck, dessen Geschichte in orientalischen Gefilden spielt, hat Höhne im Internet extra passende Palmen besorgt. „Der kann ja nicht zwischen Tannen stehen.“