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Der Lieblingsfeind der Balkanländer

Die immer autoritärer auftretenden Regierungen sehen für sich nur eine Gefahr: Die vom US-Milliardär Soros unterstützten Vereine, die sich für Menschenrechte und Demokratie einsetzen.

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© dpa

Budapest. Ob in Ungarn, Serbien, Rumänien, Mazedonien oder in Bulgarien: Die oft mit zweifelhaften Methoden Regierenden fürchten sich nicht vor den Wählern und schon gar nicht vor der Opposition. Was ihnen wirklich Angst macht sind die vielen Bürgerverbände, die nicht selten vom US-Milliardär George Soros (86) mitfinanziert werden. Und weil die am laufenden Band Affären, Korruption in großem Stil und Demokratiedefizite aufdecken, sehen die Mächtigen ihre Positionen und den daraus wachsenden persönlichen Reichtum bedroht.

Entsprechend aggressiv gehen sie gegen diese als Gefahr begriffenen Nichtregierungsorganisationen (NGO) vor. In Ungarn läuft seit eineinhalb Jahren eine massive Kampagne der Regierung und der von ihnen kontrollierten Medien, um die Soros-Stiftungen verächtlich und nach Möglichkeit mundtot zu machen. Regierungschef Viktor Orban hat 2017 zum „Jahr der Verdrängung“ von Soros erklärt und sein enger Mitstreiter Szilard Nemeth will die Soros-Organisationen sogar „wegputzen“.

In Mazedonien ließ der langjährige Regierungschef Nikola Gruevski erst in diesem Monat von seiner Partei behaupten, die Soros-Leute stifteten „Vandalismus und Anarchie“ und riefen „barbarisch“ zu gewalttätigen Demonstrationen gegen seine Regierung auf. Seine Anhänger gründeten vor kurzem die „SOS - Stop Operation Soros“. Die Ausschaltung der Soros-Stiftungen nach dem Vorbild von Russlands Präsidenten Wladimir Putin wird als „Entsorosierung“ beschrieben. Das zweite Kunstwort „Sorosisten“ ist in Südosteuropa inzwischen ein oft genutztes „Totschlagargument“.

Was Soros und seine Leute nach diesen Verschwörungstheorien nicht alles unternehmen: Sie gäben den regierungskritischen Demonstranten in Rumänien, Serbien und Mazedonien „Tagegelder“ für ihre Teilnahme. Selbst die mitgebrachten Hunde bekämen noch 30 Euro, behauptete der regierungstreue Sender „Romania TV“ ganz ernsthaft. Viele unter den Tausenden Demonstranten in Bukarest und in anderen Städten malten als ironische Anspielung Hunde und Katzen auf Protestschilder.

Die Spitzenpolitiker auf dem Balkan bedienen sich altbewährter Techniken, um die Bürger von ihren Anschuldigungen zu überzeugen. Die von Soros unterstützten Bürgerbewegungen seien die „fünfte Kolonne“ des missgünstigen Auslandes, heißt es landauf und landab. Der Milliardär wolle sein Vermögen zur Destabilisierung dieser Länder einsetzen. Die „heimischen Verräter“ verkauften ihren Patriotismus, ja sogar ihre Seelen wegen einer „Handvoll Dollar“.

In Bulgarien wie in Serbien veröffentlichten auch seriöse Medien lange Listen von Organisationen, die Geld der von Soros 1984 gegründeten „Open Society Foundation“ erhalten. Bürgerrechtler werden mit Fotos und nicht selten sogar mit Wohnadressen öffentlich an den Pranger gestellt. „Soros finanziert das Chaos“, tönt die als Regierungssprachrohr geltende serbische Boulevardzeitung „Informer“ immer wieder.

Dabei waren sich einige heutige Spitzenpolitiker oft selbst nicht zu schade, früher Soros-Stipendien anzunehmen. Ungarns Viktor Orban finanzierte damit zum Beispiel 1989/90 seinen Studienaufenthalt in Oxford. Die 1991 von Soros in Budapest ins Leben gerufene Zentral-Europäische Universität (CEU) haben hunderte Studenten aus Ost- und Südosteuropa absolviert, von denen heute einige in ihren Heimatländern hohe Regierungs- und Verwaltungsämter bekleiden. (dpa)