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Der Komödien-König

Als Autor für Theaterstücke schaut Michael Kuhn Menschen in die Seele und aufs Maul und trifft die Lachmuskulatur.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Dramen machen sich von selbst. Komödien muss man können. Dass es viel schwerer ist, Menschen zu belustigen, als ihnen Abenteuerliches, Aufregendes, Trauriges zu erzählen – in Büchern, Filmen oder Theaterstücken – gilt als Binsenweisheit. Für Michael Kuhn gehört der Spaß zum Ernst des Lebens. Er schreibt Komödien. Nicht ausschließlich, aber so talentiert, dass sein Name in der Autorenzeile zahlreicher heiterer Inszenierung steht.

Als Sohn einer Hydrologin und eines Physikers hat Kuhn naturwissenschaftliches Verständnis, bekam aber dennoch Humor vererbt. Es zog ihn zu den Geisteswissenschaften und zur Kunst. Nach dem Abi entschied er sich für ein Lehramtsstudium der Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde und folgte dann seinem Faible für Sprache und Theater.

Schon damals schrieb der heute 38-Jährige Stücke für die Studentenbühne. „Da hat es mir am besten gefallen, wenn die Schauspieler nicht alles, was ich vorgab, kommentarlos hinnahmen“, erinnert er sich. Hinterfragen, diskutieren, kritisieren, das gehört für ihn zum Theatermachen dazu. Vor allem Lacher zu schaffen, geht selten so leicht wie ein Grölen am Stammtisch. Einigkeit herrscht meist über Gefühlsregungen in traurigen oder packenden Szenen. Doch des einen Schenkelklopfer ist des anderen Lachmuskellähmung.

Emotionale Kollisionen

Beruflich befasste sich Michael Kuhn zunächst mit dem Texten für Rundfunk- und Fernsehsendungen, blieb aber immer auch mit der Dresdner Theaterszene verbunden. Als er vor 14 Jahren das Angebot bekam, das Stück Baba Jaga zu schreiben, lockte ihn vor allem seine Lust an russischen Märchen. „Die Figuren da sind so herrlich ambivalent“, sagt er. Bösewichte haben weiche Seiten, und die Guten sind auch nicht immer nur perfekt. „Jeder Mensch trägt alles in sich: Liebe, Wut, Hass, Romantik, Albernheit und Bosheit.“ Das weiß Michael Kuhn nicht nur, wenn er ehrlich zu sich selbst ist. Als guter Menschenbeobachter findet er diese Widersprüchlichkeit auch an anderen spannend.

Besonders interessant wird es für ihn, wenn unterschiedliche Charaktere aufeinandertreffen oder Gefühlslagen kollidieren. Gerade für Komödien sind diese Begegnungen Gold wert. Es können Tragödien daraus entstehen, doch Michael Kuhn verwandelt sie in Jux und Tollerei – nicht ohne dem Publikum hier und da einen Wermutstropfen einzuschenken. „Ich frage mich bei der Arbeit immer: Was kann ich tun, damit sich die Zuschauer gut unterhalten fühlen und trotzdem etwas Sinniges erzählt bekommen.“ Botschaften, Lehren, Aha-Effekte in lauthals Lachen zu verpacken, das ist die Kunst. „Jedes Stück wirkt politisch, und wenn es dazu beiträgt, dass sich Leute an putzige Figuren gewöhnen. So akzeptieren sie vielleicht auch im echten Leben Menschen, die anders ticken.“

Dem Kaiser die Kleider auszuziehen, heißt ja nichts anderes, als zu zeigen: Man muss vor den Mächtigen der Welt nicht immer Angst haben. „Es wäre doch schön zu erreichen, dass sich der eine oder andere im Nachhinein fragt: Warum reagiert mein Gegenüber jetzt so? Was hat er erlebt, um so zu sein?“ In Michael Kuhns Geschichten hat jede Figur ihre Gründe, nicht ausschließlich böse und nicht unerschütterlich gut zu sein. Mit Stücken wie „Restlos ausverkauft“, „Gentle Spackos“, „Tortelkiller“, „Die Fete“, „Sherlock Holmes“, mit sechs Baba-Jaga-Teilen und vielen anderen hat Michael Kuhn genau das gezeigt. Sie waren und sind in der Comödie Dresden und im Boulevardtheater gut besucht.

Einen Witz an den anderen zu reihen, ist dem Autor zu wenig. Er will zum Nachdenken, aber auch zu Albernheiten anstiften, dazu, über sich selbst zu lachen und dem Altväterlichen etwas Kindliches zurückzugeben. „Jeder findet es herrlich, Kindern auf einer Wasserrutsche zuzusehen. Aber welcher Erwachsene rutscht einfach selbst?“ Michael Kuhn hat es getan, zusammen mit seinem Theaterkollegen Jürgen Mai. Den Spaß wird er nie vergessen.