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Der Gauner als Kundschafter

Schwere Diebstähle und Wohnungseinbrüche gehen zurück. Dennoch gibt es keinen Grund, weniger wachsam zu sein.

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© dpa

Von Ralph Schermann

Görlitz. Sie machen Schlagzeilen: „Die Mädchen mit den Schraubenziehern“. Internationale Banden schicken junge Frauen, Jugendliche noch, auf Tour. Sie sollen Wohnungen ausspähen, einbrechen, stehlen. Oft werden sie dazu gezwungen. Drahtzieher bleiben im Hintergrund. In München haben es Ermittler jetzt geschafft, erstmals fünf dieser weitverzweigten Organisationen vor Gericht zu bringen.

Wenn Görlitzer solche Schlagzeilen aus den deutschen Ballungsräumen verfolgen, zumeist aus Großstädten mit genügend Zielen für Kriminelle, aber auch mit flotten Möglichkeiten für diese, unterzutauchen, dann könnte man eigentlich aufatmen. Gegen diese organisierte Kriminalität geht es selbst an der deutsch-polnischen Grenze gemäßigt zu. „Wohnungseinbrüche werden bei uns ein, zweimal im Monat angezeigt“, sagt der Leiter des Görlitzer Polizeireviers, Dirk Linczmajer. 2017 ist zudem ein weiterer Rückgang zu verzeichnen.

Dass die öffentliche Wahrnehmung eine andere ist, kann er erklären: „Obwohl eine Ähnlichkeit besteht, sind Besonders schwerer Diebstahl (BSD) und Wohnungseinbruch unterschiedliche Paragrafen. Wohnungseinbruchsdiebstahl ist als eigenes Delikt und als Verbrechen eingestuft. Generell orientiert sich subjektive Wahrnahme von Kriminalität insbesondere an Eigentumsdelikten, neben BSD und Wohnungseinbrüchen also auch an einfachen Diebstählen. Auch dieser ganze Komplex ist aber in den vergangenen Jahren weniger geworden.“ Manchmal gibt es Vorstufen zu Wohnungseinbrüchen, meist dann, wenn Täter Chancen nutzen: „Da bleibt die Tür nur angelehnt, wenn man in den Keller geht. Da steckt der Schlüssel, wenn im Garten gearbeitet wird. Da ist die Garage nicht verschlossen, steht ein Fenster offen. Da wird dann schnell mal ein Einschleichdiebstahl daraus“, beschreibt es Dirk Linczmajer. Auch wird so manche Möglichkeit schlicht und einfach ausgekundschaftet. Mit 25 Prozent Aufklärungsquote beim BSD liegt Görlitz weit über anderen Dienststellen Sachsens. Noch höher ist der Wert bei Wohnungseinbrüchen. „Das kommt daher, dass rund zwei Drittel dieser Fälle auf Beziehungstätern beruhen“, erläutert der Revierleiter. Getrennt Lebende, teils sogar noch mit einbehaltenen Originalschlüsseln, Szene-Bekannte, WGs im Drogenmilieu – oft führen solche Spuren zu Tätern. Die Klärung des Einbruchs bei „Unbekannten“ hingegen ist von guter Spurensicherung abhängig. „Deshalb nichts anfassen, ehe wir vor Ort sind“, rät Dirk Linczmajer allen Betroffenen. Denn nur dank lückenloser Spurenauswertung gelingt es, Tätern mehrere Delikte zuzuordnen und somit beweissicher eine Grundlage dafür zu liefern, dass sie der Haftrichter nicht wieder laufen lässt.

Aus dem Einsatztagebuch des Polizeireviers: Schlüssel, Schläfer, Scharfmacher

Eingepennt: Wie man sein Bett in der Toilette sucht

Der Bowling-Betreiber im City-Center fand in den Toiletten eine liegende Person. Die alarmierte Polizeistreife gab Entwarnung: Es handelte sich weder um eine Leiche noch um einen hilflos Betrunkenen – sondern um einen 23-Jährigen, der nach einem Toilettengang einfach eingenickt war. Als er von den Beamten geweckt wurde, stellte er fest, dass alle seine Kollegen der Weihnachtsfeier schon weg waren und ihn offenkundig auch nicht vermisst hatten. Für den weiteren Nachtschlaf ging er dann traurig nach Hause. (szo/rs)

Eingestiegen: Wie man bei seiner Hilfe verdächtig wird

Auf der Lausitzer Straße kletterte ein Mann über einen Balkon. Das teilte ein Passant über Notruf mit. Die sofort eingesetzten Streifen trafen auf einen 67-Jährigen – jedoch auf keinen Einbrecher. Der Mann sagte, sein Freund läge im Klinikum und habe ihn beauftragt, etwas aus der Wohnung zu holen. Tatsächlich bestätigte das im Klinikum der Betreffende. Den Polizisten blieb da nur ein guter Rat an den Auftraggeber des Klettermaxels: „Das nächste Mal geben Sie doch einfach den Haus- und Wohnungsschlüssel mit!“ (szo/rs)

Eingesperrt: Wie man vom Sohn befreit werden kann

Eine Zollstreife meldete der Polizei, dass aus dem Keller eines Hauses auf der Schützenstraße Hilferufe drangen. Die Polizisten fanden heraus, dass sich eine ältere Dame in dem Keller befand und nicht mehr herauskam. Im Haus war sonst niemand, so dass Feuerwehr und Rettungsdienst gerufen wurden. Noch bevor diese eintrafen, kam der Sohn der Frau nach Hause und konnte mit dem Schlüssel seine Mutter schnell befreien. Offen aber blieb, wie die Frau in dem Keller eingeschlossen werden konnte. (szo/rs)

Eingefallen: Wie man ganz unverhofft Damenbesuch hat

Ein Görlitzer von der Pontestraße hatte Glück. Oder auch nicht. Die Nachbarin hämmerte an seine Tür und weinte. Doch nix da mit trösten und so. Die Frau hatte Streit mit ihrem Freund gehabt, der daraufhin die Wohnung verließ und wegfuhr. Die junge Dame wollte ihn aufhalten, rannte hinterher – und ihre Tür fiel ins Schloss. Der Nachbar war Gentleman, schaute nicht lange aufs luftige Negligé, sondern bat die Polizei um Hilfe. Die verständigte den Freund, der kam zurück. Und alle feierten dann die Versöhnung… (szo/rs)

Eingezogen: Wie man mit Luft die Polizei alarmiert

Bei der Ortsfeuerwehr in Hagenwerder-Tauchritz gab es Alarm. Allerdings keinen Feueralarm. Die Görlitzer Berufsfeuerwehr registrierte von dort das Anschlagen eines Sicherheitsmelders – also Einbruchsverdacht. Die Polizei schaute nach, doch es war alles in Ordnung. Bei der Überprüfung mit einem Verantwortlichen der Wehr stellte sich dann heraus, dass ein Luftzug die Jalousie des Fensters im Büro des Ortswehrleiters bewegt und damit den auf Bewegungen reagierenden Alarmmelder ausgelöst hatte. (szo/rs)

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„Das gelingt immer besser“, sagt der Revierleiter: 2017 wurden rund 30 Festgenommene dank sicherer Spurenlage vom Haftrichter sofort ins Gefängnis gesteckt, darunter auch fast alle Tatverdächtigen von Wohnungseinbrüchen. „Wenn Täter immer bekannter werden, gut registriert sind, erleichtert das die Ermittlungen“, sagt Linczmajer. Mehr noch: Weggesperrt sinken „draußen“ weiter die Fallzahlen. „Insofern kann man in Görlitz durchaus auch einmal eine positive Entwicklung sehen, erst recht, wenn man mit der Bandenkriminalität der Großstädte vergleicht.“

Dennoch ist Leichtsinn fehl am Platz. Nicht selten schließen Mieter ihre Wohnungen, vergessen aber Balkone oder Keller. Manche legen Ersatzschlüssel an angeblich sichere Orte, etwa unter Blumentöpfe. Kriminelle kennen alle diese Ablageorte. Wichtig ist der Polizei, auf Gefahren hinzuweisen, die in Eigenheimen ebenso wie in Mehrfamilienhäusern lauern. Es sollte selbstverständlich sein, im Treppenhaus nachzuschauen, wenn man auf den saloppen Ruf „Post“ aus der Gegensprechanlage den Haustüröffner gedrückt hat.

Gauner benötigten in der Regel nicht einmal 15 Sekunden, um ein Fenster aufzuhebeln. Je länger ein Öffnen dauert, umso eher gehen Kriminelle weiter. Viele Eigentümer scheinen das erkannt zu haben, denn seit Jahren steigt der Anteil der vergeblichen Einbrüche. Mittlerweile bleiben 42 Prozent aller Einbruchsvorhaben beim Versuch. Das zeigt, dass sich gute Sicherung bewährt. Wer noch 15-Sekunden-Fenster hat, sollte daraus einfach lernen.