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Der fünfte Mann

Anschieber Jannis Bäcker will wieder mit Francesco Friedrich um Titel fahren. Dafür zog er sogar von Schalke nach Pirna.

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© Marko Förster

Von Stephan Klingbeil

Altenberg/Pirna. Bergauf, bergab – und neben den Laufeinheiten in Pirna täglich zum Krafttraining ins Fitnessstudio: Anschieber Jannis Bäcker vom Bobteam des Pirnaer Doppelweltmeisters Francesco Friedrich ist bis in die Haarspitzen motiviert. Er will zurück in den Schlitten, mindestens in den Vierer. Bäcker ist der Ersatzmann in dem zuletzt so erfolgreichen Quartett mit Bobpilot Friedrich vom BSC Sachsen Oberbärenburg und den weiteren Anschiebern Thorsten Margis, Martin Grothkopp und Candy Bauer. Als fünfter Mann stand der 32-Jährige in der angelaufenen Saison fast immer außerhalb der Bahn. Anders als in Vorjahren blieben alle Teamkollegen unverletzt. Nur ein Mal, zum Weltcup-Abschluss in Pyeongchang, saß er im Viererbob – für Grothkopp, dessen Frau da hochschwanger war.

Das Team holte zwar nur den elften Platz. „Es war aber auch sehr eng und am Ende haben Kleinigkeiten entschieden, an Jannis lag es jedenfalls nicht“, so Friedrich. „Und man muss auch sehen, dass wir nur 0,5 Sekunden hinter dem Ersten lagen.“ Der Russe Alexander Kasjanow gewann. In den anderen Rennen drückte Bäcker seinen Kollegen von draußen die Daumen. „Klar habe ich für sie gefreut“, verweist er etwa auf die WM-Titelfahrten von Friedrich & Co. im Zweier- und Viererbob in Königssee. „Für mich persönlich war die Situation trotzdem nicht so leicht, ich war ja fit.“

Vorschlag abgelehnt, heimzufahren

Ähnlich sah das bei den Weltcup-Wettkämpfen in diesem Winter aus. „Ich hatte Franz zwischendurch gefragt, ob ich nicht lieber nach Hause fahren und im Notfall dann zurückkommen solle, statt nur daneben zu stehen“, sagt Bäcker. „Aber er wollte unbedingt, dass ich da bleibe, beim Team.“

Bei allen Rennen, außer beim Weltcup in Übersee, im kanadischen Whistler, war Bäcker dabei – als Ersatzmann. Das war frustrierend. „Aber die anderen drei hatten bessere Startzeiten, saßen zurecht im Schlitten“, erklärt der aus Unna in Nordrhein-Westfalen stammende Sportsoldat.

Nun beginnt schon die Vorbereitung auf die Olympiasaison. Neue Runde, neues Glück? Es wird jetzt ernst. Zusammen mit „Franz“, dem aktuell besten Bobpiloten der Welt, startet der ehemalige Zehnkämpfer in diesen Tagen ins Training. Jetzt stemmt er Gewichte im Aktiv Sporthotel in Pirna, später folgen weitere Übungseinheiten. Nach ein paar Tagen Osterurlaub in der alten Heimat, bei der Familie, stehen die ersten Startertests und Schubeinheiten an.

Bäcker hat ein Ziel, dem ordnet er alles unter. „Ich will zu Olympia“, so der 32-Jährige. Es wären die zweiten Winterspiele für den Bobsportler vom BSC Winterberg. Bereits in Sotschi 2014 war er dabei. Beim deutschen Debakel, wo auch er mit Friedrich als amtierender Weltmeister mit Rang acht die erhoffte Medaille klar verpasste. Kurz darauf verletzte er sich schwer. Lange laborierte er an den Folgen eines Anrisses der Patellasehne. 2015/16 das Comeback – nach der verpassten Heim-WM in Winterberg, und einer elend langen Reha half er mit, beim Weltcup in Altenberg den Sieg im großen Schlitten einzufahren.

Doch dann der nächste Rückschlag. Ausgerechnet zur WM in Igls war der Vierer-Schlitten mit ihm zu schwer. „Da Candy schneller war als ich, kam Gregor Bermbach als Leihgabe von einem anderen Team.“ Sein WM-Traum zerplatzte, der Vierer verpasste dann nur hauchdünn Gold.

Für Jannis Bäcker beginnt jetzt der Neustart. Trainer Gerd Leopold räumt ihm „realistische Chancen“ ein, es zurück in den Schlitten zu schaffen. „Er muss sich reinhängen“, sagt er. „Da ist es gut, dass er jetzt das Team im Nacken spürt.“ Worauf Leopold anspielt, ist die Entscheidung Bäckers, im vorigen September vom Stadtteil Schalke in Gelsenkirchen nach Pirna zu ziehen.

Als Einzelkämpfer hätte er es nicht mehr geschafft, sich für Einsätze zu empfehlen. „Ich war nach der Saison 2015/16 ganz schön down. Auch weil ich sehen musste, dass mir leistungsmäßig die anderen Jungs im Team langsam enteilen“, sagt Bäcker. „Da hat meine Frau den Vorschlag gemacht, dass wir nach Sachsen ziehen – um näher dran zu sein, um öfter mit den anderen zu trainieren.“ Als seine Marzena dann selbst eine Arbeitsstelle in Kreischa gefunden hatte – das sei ihr wichtig gewesen –, machten beide Nägel mit Köpfen.

Sie zogen dann ins 570 Kilometer weit entfernte Pirna-Copitz, in die Nähe von Francesco Friedrich. „Diese Entscheidung hat mich vorangebracht“, betont der Zweierbob-Weltmeister von 2013. Seiner Frau gefällt es sehr in Pirna, ihm ebenfalls. Auch wenn er während der Saison noch nicht so viel gesehen hat von der Region wie sie. „Die Landschaft ist toll, die Menschen sind offen und freundlich. Hier könnten wir auch nach Ende meiner Karriere bleiben.“ Als gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel fände er sicher Arbeit. „Wenn ich in dieser Saison hinterherhänge, ist Schluss für mich.“ Doch daran verschwendet der 1,98-Meter-Mann keinen Gedanken. „Ich will meine Chance nutzen – und bei Olympia eine Medaille holen.“