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Der erhellende Moment

Der Dresdner Enrico Martini entdeckt neben dem Football eine neue Leidenschaft – als geschlagener Novize beim MMA.

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© kairospress

Von Alexander Hiller

Nach 50 Sekunden war alles vorbei. Der Ausflug eines abenteuerlustigen Footballers in eine der härtesten Kampfsportarten der Welt.

Aus dieser Lage kann sich Martini nicht mehr befreien. Der umsichtige Ringrichter bricht das Duell ab.
Aus dieser Lage kann sich Martini nicht mehr befreien. Der umsichtige Ringrichter bricht das Duell ab. © kairospress

Enrico Martini bestritt am Sonnabend beim MMA-Live-Turnier in der Margon-Arena einen der 13 angesetzten Kämpfe. Der Footballer, bis 2009 bei den Dresden Monarchs, 2014 mit Deutschland Europameister und beim österreichischen Serienmeister Swarco Raiders Tirol eine etablierte Größe in der überschaubaren europäischen Football-Szene, wagte sich in seiner Heimatstadt auf ungewohntes Terrain. Der 29-Jährige hätte sich zweifellos einen weniger handgreiflichen Ausgleichssport als MMA suchen können. Doch der Vollkontaktsport Mixed Martial Arts, der eine Mixtur aus mehreren Kampfsportarten wie Boxen, Ringen, Karate oder Muay Thai darstellt, hatte es dem gebürtigen Finsterwalder, der in Dresden aufgewachsen ist, irgendwie angetan. „Ich habe das als privates Training in mein Workout eingebaut. So habe ich den Kampfsport für mich entdeckt“, sagt Martini. Erst seit einem halben Jahr hält sich der Dresdner so parallel zum normalen Football-Training fit. Dann ging alles ziemlich schnell. Bruder Riccardo pflegte persönliche Kontakte zum hiesigen Gladiator-Team, dem Gastgeber des MMA-Turniers vom Sonnabend.

Schnell wurde Enrico Martini als Kampfpartner für einen Amateurfight auserkoren. Vielleicht zu schnell. Sein MMA-Debüt in der Dresdner Margon-Arena im Mittelgewicht (bis 84 Kilogramm) beginnt er voll austrainiert, mit Waschbrettbauch und 79 Kilogramm Körpergewicht. Sein Gegner, der Tscheche Petr Kubik, hatte bis dato einen Amateur- und einen Profi-MMA-Kampf in seiner Vita stehen. Im Dresdner Kampfkäfig trafen die beiden Unerfahrenen aufeinander – in einem auf zweimal fünf Minuten angesetzten Duell. Nach einigen Schwingern und einem veritablen Treffer mit seiner rechten Faust landeten Kubik und MMA-Novize Martini am Käfigrand. Dort hebelte der Tscheche den Deutschen mit einer Judotechnik aus, Martini landete hart auf dem Rücken – sein Rivale kniete über ihm und deckte ihn mit Fausthieben ein, die Martini mal besser, mal schlechter abwehrte.

Im Unterschied zu anderen Kampfsportarten ist das Schlagen auf einen am Boden liegenden Rivalen beim MMA erlaubt. Aus dieser Lage konnte sich Enrico Martini nicht mehr befreien. Der umsichtige Ringrichter beendete das Duell vorzeitig. „Meine Strategie, den Kampf übers Boxen und Kickboxen zu bestreiten, war schnell dahin. Im Bodenkampf habe ich mich vielleicht etwas zu naiv, zu unstrukturiert verhalten. Aber ich habe in den paar Sekunden jede Menge gelernt“, sagt der Footballer. Die Rivalen stehen nach dem Abbruch auf, umarmen sich fair. Martini wischte sich nur einmal kurz über eine Schramme am linken Auge. Sein Kontrahent kniete sich noch vor der offiziellen Urteilsverkündung vor Martini hin und zollte ihm somit Respekt. Auf seinem Facebook-Profil postete Martini am Sonntag ein Foto mit der kleinen Blessur und garnierte es mit den Worten: „Ich danke allen für den großartigen Beistand gestern!! Außer kleinen äußerlichen Blessuren keine Verletzungen. Mir geht es gut und bin ab morgen wieder in Innsbruck“. Auch hier verdeutlichte sein Kontrahent das, was viele Anhänger des MMA-Sports an dem martialischen Kampfsport neben der Action im Käfig so begeistert: der faire und respektvolle Umgang miteinander: „Respekt für dich, Enrico Martini. Es war mir eine Ehre, mit dir zu kämpfen“, schrieb der Tscheche.

Seinen Ausflug in die Kampfsportszene bereut Martini selbst aufgrund der missglückten Premiere keineswegs. „Überhaupt nicht“, stellt Martini sofort fest. Das klingt nach Fortsetzung, die sich der Footballer nach seiner endlichen Karriere im Trikot der Raiders durchaus vorstellen kann und will. „Ich bin sehr ehrgeizig, bei jedem Sport, den ich betreibe“, sagt der Eurobowlsieger von 2011, der in Innsbruck mit einer privaten Schwimmschule seinen Lebensunterhalt verdient.

„Der Kampf in Dresden war ein erleuchtender Moment“, sagt Enrico Martin, dessen Opa väterlicherseits vor etlichen Jahren mal DDR-Meister im Amateurboxen geworden war. Der Ex-Leichtathlet, der im Dreisprung auf knapp 14 Meter kam – zu wenig für eine weitere Leistungsförderung im Sportgymnasium Dresden –, hat offenbar im wahrsten Sinne des Wortes Blut geleckt. „Nach meiner Footballkarriere könnte das meine neue sportliche Herausforderung werden“, sagt Martini. Dieses vielleicht etwas zu vorschnelle Debüt bringt ihn davon nicht ab – eher im Gegenteil.