Von Domokos Szabó
Sächsische Schweiz. Dieser Tag beginnt vor 70 Jahren. Am Rande von Pirna, in einem Flügel der Grauen Kasernen, einem Zweckbau aus unverputztem Naturstein. Das Gebäude hat eine Geschichte, die nur wenige kennen. Die hat nichts mit Militärstandort zu tun und auch nichts mit dem DDR-Museum, das heute hier einquartiert ist. Wegen dieser anderen Geschichte ist der Bundestagsabgeordnete Klaus Brähmig da. Trotz sommerlicher Temperaturen korrekt im Anzug und mit Krawatte, steht der CDU-Mann vor dem Gebäude und erwartet eine Delegation aus dem Rathaus. Es geht um die Ungarndeutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Ab dem 22. August 1947 kamen in mehreren Transporten an die 50 000 Menschen nach Pirna. Und sie landeten im Auffanglager in den Grauen Kasernen .
Den Frauen, Männern und Kindern von damals möchte Klaus Brähmig ein Denkmal setzen. „Sie hatten ihre Heimat verloren, ein Teil der Familie war vielleicht in Kriegsgefangenschaft, und hier wurden sie nicht gerade mit Begeisterung empfangen“, sagt der Parlamentarier. Grund genug für ihn, eine Gedenktafel zu initiieren. Sie wird nun am 22. August 2017 enthüllt. Der ungarische Vize-Botschafter kommt, Zeitzeugen sind dabei, und Klaus Brähmig wird stolz sein – eine seiner vielen Ideen ist Wirklichkeit geworden.
Heute muss er nur noch kurz Hände schütteln und dann geht’s schon zum zweiten Termin an diesem Tag, an dem der CDU-Mann von der SZ begleitet wird. Beim Tourismusverband in Pirna wartet Geschäftsführer Tino Richter. Brähmig ist Vorsitzender des Verbands. Die Tagesordnung ist straff und trotzdem dürfte Richter ahnen, dass auf ihn noch etwas zukommt. Er sieht’s positiv: Der Chef sei engagiert, stecke viel Herzblut rein, das bewirkt eben viel. Aber es hilft auch Brähmig: 400 Mitglieder hat der Verband, fast alle Bürgermeister sind dabei. Das ist ein wertvolles Netzwerk für den Politiker. Überhaupt sind Netzwerke eine Quelle seines Erfolgs. In der Besprechung geht es um Nachhaltigkeit. Eine Mitarbeiterin bemerkt, das sei ja ein abgedroschenes Wort. Und abstrakt noch dazu. Brähmig springt mit Ideen ein: Wie wäre es mit einer Bierstraße von Weesenstein über Pirna und Schmilka bis nach Krasna Lipa? Überall gibt es kleine Brauereien, die sich als Attraktion verbünden und sich gegenseitig stärken könnten. Bevor das Bier vom anderen Ende der Republik hergekarrt wird... Oder wie wäre’s mit einem Preis für umweltfreundliche Lösungen in Hotels? „Prüfen Sie das“, erteilt Brähmig einen Auftrag. „Ich komme nicht mal zum Telefonieren.“ Dann ist das Meeting vorbei: „Wir gehen das an.“
Schnellfragerunde: Wie Klaus Brähmig folgende Satzanfänge vervollständigt
Zur Person
Der 60-Jährige weiß nur zu gut, dass nicht aus allen Ideen etwas wird. Eine, die floppte, war der Bau einer Seilbahn zum Pirnaer Sonnenstein. Zu seinem Geburtstag vor wenigen Tagen sagte er vor einer großen Gästeschar: In der Politik schiebe man immer mehrere Projekte an, ohne zu wissen, ob sie ein Erfolg werden. „Aber jeder Tag ist eine neue Chance.“
Die nächste Chance wartet auf den Abgeordneten bei der Musikschule Sächsische Schweiz. Brähmig sitzt der Geschäftsführerin a.D. Angelika Reiß und einem Musiklehrer gegenüber. Zusammen beugen sie sich über das Programm für den Festakt zum Tag der Deutschen Einheit. Ausgerichtet von der CDU, diesmal im Schloss Graupa. Zwei Musikstücke sind schnell ausgesucht. Doch das war noch nicht alles.
Brähmig wünscht sich, dass sich die Musikschule ein Alphorn anschafft. Erst Anfang August hörte er das Instrument bei einem Konzert von Bergsteigerchören auf der Felsenbühne Rathen. Und war sofort begeistert. „Es klang fantastisch.“ Er ist sicher, dass ihm diese Bitte nicht ausgeschlagen wird. Die Ideen sind das eine, sagt er. Das andere sei, Verbündete dafür zu finden. Dass er die meistens gewinnt, ist nicht ohne Grund so. Als Abgeordneter ist Klaus Brähmig selbst Adressat von Wünschen und Bitten. In mehr als 30 Vereinen ist er Mitglied – vom Aurora-Erbstolln in Dorfhain bis hin zum Wintersportverein Altenberg. Geben und Nehmen als Prinzip – auch das stützt den Erfolg des Mannes, der seit 27 Jahren den Wahlkreis ununterbrochen im Bundestag vertritt. 2013 zog Brähmig mit einem Ergebnis von 50,2 Prozent ins Parlament ein. Mehr hatte kein CDU-Kandidat aus Sachsen und selbst in Ostdeutschland nur Kanzlerin Angela Merkel.
Das mit dem Alphorn kommt nicht von ungefähr. Bayern, Österreich, vor allem aber Südtirol sind für Brähmig Vorbilder. Sie stehen für eine heile Welt, in der Zusammenhalt und Heimat zählen. Ein Konservativer ist Brähmig durch und durch. Seine Sprüche über eine Schließung der Grenzen oder über Einschränkungen für die Aufnahme von Flüchtlingen kommen in der Region, die gleichzeitig so sehr auf den Tourismus setzt, gut an. Zuletzt stimmte er im Bundestag gegen die Ehe für alle. Seine Vorstellungen mögen umstritten sein, aber seine Bodenständigkeit honoriert der Wähler offensichtlich.
Zu Hause im Wahlkreis zählen noch andere Themen – wie etwa der Bau der Pirnaer Südumfahrung, die Brähmig zusammen mit anderen jahrzehntelang vorantrieb. Oder Investitionen in Schulen und Kitas, wo es aber gerade hakt. Das erklärt ihm Bürgermeister Klaus Tittel zusammen mit Landrat Michael Geisler (beide CDU) in Wehlen. Die Männer sind seit der Wende Weggefährten, stehen nun vor der örtlichen Grundschule. Tittel zeigt auf die nur teils erneuerten Fenster: „Vorne hui und hinten – na ja.“ Die Stadt hat alle Mühe damit, Handwerker zu finden. Zumindest zu bezahlbaren Preisen. Schuld ist die brummende Baukonjunktur. Da bekommt ein Investitionsprogramm wie „Brücken in die Zukunft“ schnell ein paar Bremsspuren. Brähmig will das ändern, hat auch schon einen Gedanken, wie. Dazu muss er an die Landesregierung herantreten – ebenfalls eine Idee, die vielleicht fruchten wird.
Finale in Freital. Im Technologiezentrum, neues Aushängeschild der Stadt, wird Brähmig von den Geschäftsführern der EKF Automation durch die Produktion geführt. Man sieht sich zum ersten Mal, der Ton ist sachlich. Das hier ist kein Heimspiel für Brähmig – im Ex-Weißeritzkreis ist er weniger bekannt als in der Sächsischen Schweiz. Die 60-Mann-Firma kämpft aber mit denselben Problemen wie andere Mittelständler: Generationswechsel, Fachkräftemangel. Die Politik, sagt Chef Hannes Jahn, solle mal den jungen Leuten zeigen, dass nicht jeder Banker oder Popsänger werden kann. Mechatroniker zum Beispiel ist nicht so gefragt. Kürzlich schrieb EKF eine Stelle aus: „Null Bewerbungen.“ Brähmig hört zu, helfen wird er kaum können. Es werden Visitenkarten ausgetauscht. Für die Firma ist das so etwas wie eine Einladung zum Brähmig-Netzwerk.
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