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Der Angeklagte schweigt

Der Mann soll bei einer Brandstiftung in einer Pulsnitzer Firma beteiligt gewesen sein. Und ihm wird noch mehr vorgeworfen.

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© Rainer Hanke

Von Reiner Hanke

In schwarzen Pfützen spiegelt sich der graue Winterhimmel. Wo eigentlich das Dach einer Halle sein sollte, sind verrußte Streben. Brandreste liegen auf Haufen, daneben zerstörtes Baumaterial und ein ausgebranntes Autowrack. Die Halle neben dem Baumarkt in Pulsnitz An der Schäferei stand am 28. Juni des Vorjahres in Flammen. Die stiegen kurz nach 3 Uhr hoch in den Nachthimmel. Brandstiftung wurde schnell vermutet. Jetzt steht einer der mutmaßlichen Beteiligten vor Gericht. In Handschellen führten Justizbeamte Patry H. am Donnerstagmorgen in den Saal 222 des Landgerichtes Görlitz, Außenkammer Bautzen. Dort muss sich der 23-jährige polnische Staatsbürger vor der Großen Strafkammer verantworten.

Diese Lagerhalle An der Schäferei in Pulsnitz ging im Sommer 2016 in Flammen auf. Jetzt steht am Landgericht in Bautzen ein 23-Jähriger vor Gericht. Das soll nun klären, inwieweit er daran beteiligt war.
Diese Lagerhalle An der Schäferei in Pulsnitz ging im Sommer 2016 in Flammen auf. Jetzt steht am Landgericht in Bautzen ein 23-Jähriger vor Gericht. Das soll nun klären, inwieweit er daran beteiligt war. © René Plaul

Lagerhalle brannte lichterloh

Die Staatsanwaltschaft wirft dem jungen Mann vor, am 28. Juni mit zwei unbekannten Komplizen die Lagerhalle einer Estrichfirma An der Schäferei in Pulsnitz in Brand gesetzt zu haben. Es geht um Brandstiftung oder zumindest um Beihilfe zur Brandstiftung, war den Worten von Richterin Carmen Becker, der Vorsitzenden der Großen Strafkammer zum Prozessauftakt zu entnehmen. Bei dem Feuer brannte eine Lagerhalle mit sämtlichem Inventar aus. Den Schaden bezifferte Staatsanwalt Matthias Müller auf 400 000 bis 500 000 Euro. Ein Postverteilzentrum und eine Werkstatt in der Nachbarschaft wurden ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen.

Das Fahrzeug mit dem Angeklagten hinter dem Steuer – ein Renault Megane – wurde etwa eine Viertelstunde nach dem Ausbruch des Feuers in der Nähe des Tatorts gestoppt. Doch P. entzog sich und das Fahrzeug der Kontrolle. Es begann eine wilde Verfolgungsjagd auf der Autobahn 4 bis kurz vor Bautzen. Der Angeklagte habe nach den Worten des Staatsanwaltes versucht, die Polizei abzuschütteln. Dabei habe er einen Verkehrsunfall provoziert und eine Leitplanke gerammt. Auch ein Benzinkanister sei aus dem Auto auf das Polizeifahrzeug geworfen worden.

Außerdem sei P. auf einen Beamten zugesteuert, um seine Flucht fortsetzen zu können. Der Angeklagte habe Unfallflucht begangen und Leib und Leben eines Polizisten in Gefahr gebracht. Ja sogar dessen Tod in Kauf genommen, um die Straftat zu verdecken. Der Staatsanwalt spricht von versuchter gefährlicher Körperverletzung durch den Angeklagten. Darüber hinaus soll an vier Prozesstagen auch geklärt werden, welchen Anteil der Angeklagte an dem Feuer hat. Ihm droht eine mehrjährige Haft, wenn sich die Vorwürfe der Anklage bestätigen. Die verfolgte der junge Mann im grauen Kapuzenshirt manchmal ernst, manchmal lächelnd und stets ohne Kommentar. Sein Verteidiger, der Dresdner Rechtsanwalt Ulf Israel, teilte bei Prozessbeginn mit, sein Mandant werde zu den Vorwürfen schweigen. Er sieht seinen Mandanten als Opfer des Verfahrens, er sei für andere Zwecke missbraucht worden, zumindest was den Vorwurf der Brandstiftung betrifft.

Trennung vom Subunternehmer

Beim Schweigen des Angeklagten blieb es auch, während erste Zeugen vernommen wurden. Zu denen gehörte der damalige Mieter der Halle und geschädigte Pulsnitzer Bauunternehmer Peter Putzke. Zehn Jahre Aufbauarbeit an der eigenen Firma gingen in einer Nacht in Flammen auf, sagte er gegenüber der SZ. „Es ging ums Überleben.“ Leider habe er sich aber von Mitarbeitern trennen müssen. „Wir haben wieder klein angefangen.“ Inzwischen habe er eine neue Lagerhalle und auch wieder Technik angeschafft. Es sei nicht leicht, die Firma wieder auf die Beine zu bringen. Er sprach für seine Firma von einem Schaden von 150 000 Euro an Maschinen, Transportfahrzeugen und Baumaterial. Seine Aussage warf zugleich ein neues Licht auf den Fall. So hatte er sich wenige Wochen vor dem Brand von einer polnischen Firma getrennt, die als Subunternehmer für ihn tätig war: „Es passte nicht mehr.“

Für diesen Subunternehmer war auch der Angeklagte auf Baustellen der Firma Putzke tätig gewesen. Es sei aber alles einvernehmlich auseinandergegangen, so der Zeuge. Ein Mitarbeiter des Subunternehmers sei zu ihm gewechselt. Doch so ganz reibungslos lief die Trennung wohl doch nicht, zumindest aus Sicht des Ex-Partners. So habe der ihn per Kurznachricht beschimpft, räumte Putzke ein. Zwei Wochen vor dem Brand sei das Auto des neuen Mitarbeiters demoliert worden. Und der habe den Chef auch gewarnt. Seine Devise war es wohl, Ruhe zu bewahren.

Richter und Verteidiger hakten noch einmal nach, um möglichen Motiven für eine Brandstiftung, vielleicht gar einem Racheakt, auf den Grund zu gehen. Ausstehende Forderungen zum Beispiel. Nein, es sei alles im Reinen gewesen, so die Aussage von Peter Putzke, während der Angeklagte weiterhin schwieg. Ob sich das im Verlauf des Verfahrens noch ändern wird, ließ der Rechtanwalt im Gespräch am Rand der Verhandlung offen.

Der Angeklagte befindet sich derzeit in Untersuchungshaft. Der nächste Verhandlungstag ist für den 2. März angesetzt.