Merken

Den Russen in die Hände gefallen

In „Spur der Ahnen“ wird beim MDR am 30. Mai das Geheimnis um die Schurichts aus Folbern gelüftet. Tochter Helga Klinik ging dafür auf die Suche.

Teilen
Folgen
© Katja Herr

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Die Dreharbeiten in Großenhain, Folbern und an sieben weiteren Stationen sind abgeschlossen – die Verantwortlichen beim MDR-Fernsehen hatten – so heißt es – bei der Abnahme Tränen in den Augen: Am 30. Mai wird in der Serie „Spur der Ahnen“ das Schicksal von Helga Klinik erzählt. Die heutige Dortmunderin wurde als Helga Schuricht 1951 im Waldheimer Frauengefängnis geboren. Ihre Eltern waren die Folberner Gastwirtsleute Erna und Max Schuricht. Bekannt ist, dass sie wegen Spionage beziehungsweise „Konterrevolutionärem Verbrechen gegen die Sowjetunion“ verhaftet und die Mutter dafür auch zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde. Der Vater kam schnell frei und ging in den Westen. Doch was ist damals in Folbern wirklich geschehen?

1957: Helga Schuricht (l.) wird eingeschult.
1957: Helga Schuricht (l.) wird eingeschult. © Katja Herr
1951: Erna Schuricht nach ihrer Verhaftung.
1951: Erna Schuricht nach ihrer Verhaftung. © Katja Herr

Vater ging in den Westen

Redakteurin Katja Herr ging mit Helga Klinik auf Spurensuche. Gedreht wurde bei der IG Mahnmal in der Großenhainer Marienkirche, wo die Schurichts als Opfer in den Gedenkbüchern verzeichnet sind. Gedreht wurde auch bei der 82-jährigen Ortschronistin von Folbern, Gisela Redmond. „Dadurch konnte Frau Klinik endlich Fotos aller Familienangehörigen bekommen – sie war während der Dreharbeiten mal himmelhoch jauchzend und dann wieder sehr betrübt“, so die Leipziger Filmemacherin. Im Meißner Kreisarchiv fand sich die 100-seitige Pflegeakte. Demnach wurde Helga nach nur neun Tagen ihrer Mutter weggenommen und zu Pflegeeltern gegeben. Familie Uschner war Verwandtschaft – Ewald Uschner war der Cousin von Erna. „Die Mutter wollte nicht, dass ihre Tochter zum Vater kommt“, sagt Katja Herr. Max Schuricht soll dem Alkohol zugesprochen haben, er wurde nicht angeklagt, ging in den Westen. In Berlin fand das Drehteam seine Fluchtakte. Er gab damals wirtschaftliche Gründe an. Die Folberner Gaststätte hat Tante Frieda Hantschik übernommen.

Behütet aufgewachsen

Erna Schuricht wurde verhör- und haftbedingt schizophren. Ihre Tochter besuchte sie mit ihrer Pflegemutter noch regelmäßig bis zu ihrem Tode 1962. Dabei sollte die Familie nach der Haft der Mutter wieder zusammengeführt werden. Heute weiß Helga Klinik, dass sie dankbar sein kann für die Kindheit bei den Uschners. „Hier wuchs sie behütet auf und bekam die Chance auf Bildung“, sagt Katja Herr.

Sehr tragisch und emotional seien die Recherchen zu dieser Folge „Spur der Ahnen“ gewesen, heißt es. Und dramatisch bis zum Schluss. Katja Herr erzählt, dass am letzten Drehtag noch bestellte Akten aus Moskau „in einem Affenritt“ nach Deutschland kamen. Das war möglich, weil Helga Klinik mithilfe der IG Mahnmal Marienkirche eine Rehabilitierung ihrer Mutter erreicht hatte. Über Nacht ließ das Drehteam die 70 Seiten übersetzen. Die Überraschung, die sich damit ergab, ist im Film zu sehen. „Dieses Schicksal zeigt, wie schlimm die 1950er Jahre waren und dass die Sowjetarmee auch dann noch DDR-Bürger anklagen konnte, wenn scheinbar die Besatzungsmacht gefährdet war“, so Katja Herr. Das Beispiel Schuricht ist deshalb sowohl ein besonderer Einzelfall als auch symptomatisch für jene Jahre.

Helgas Oma, die sich um ihre drei Brüder kümmerte, wird nur kurz erwähnt. Die Geschichte um Bruder Klaus Schuricht, der das Radeburger Gastwirtsehepaar Else und Paul Thomschke auf dem Gewissen hat, bleibt bewusst ausgeblendet. „Wir wollten uns auf den Spionageverdacht konzentrieren, und ob das wirklich stimmte“, sagt Katja Herr. Bis heute hat das weder die IG Mahnmal noch Helga Klinik herausbekommen. „Ich hatte nur die Stasiakte meiner Mutter“, sagt die Dortmunderin. Sie hat damit nicht nur ihre eigene Lebensgeschichte aufgearbeitet, sondern auch Zeitgeschichte.

30. Mai, 20.15 Uhr, MDR-Fernsehen „Spur der Ahnen“