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Den Blackout im Blick

Es gibt Kraftwerke, die dann ins Spiel kommen, wenn es in Deutschland einen Stromnetz-Zusammenbruch geben würde. Sie zählen zu den systemrelevanten Kraftwerken - und deren Zahl nimmt zu.

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© dpa

Anna Ringle

Trebbin. Auf dem stillgelegten Gelände werden Turbinen gepflegt und gewartet - obwohl sie gar keinen Strom für den Markt produzieren. Die riesigen Gasturbinen des Kraftwerks Thyrow liegen südlich von Berlin in Brandenburg, bis zu 15 Mitarbeiter werkeln hier in Schichten. Die Anlagen haben vor allem eine Aufgabe: Anspringen, wenn es zu einem Netz-Blackout käme.

Schwarzfall nennen Experten das Ereignis, das sich niemand wünscht - wenn Stromnetze großflächig zusammenbrechen. Würde ein Blackout eintreten, kämen Kraftwerke ins Spiel, die eine Schwarzstartfähigkeit haben. Sie können unabhängig vom bestehenden Netz in Betrieb genommen werden.

In Thyrow würde das dann so ablaufen: Vom Standort kommt Spannung zu einem Braunkohlekraftwerk in der Grenzregion zu Polen. Das läuft an und von dort wird weitere Spannung verteilt, so dass sich das Netz nach und nach wieder aufbauen kann, wie das Energieunternehmen Leag mitteilt.

Bundesweit gibt es nach Angaben der Bundesnetzagentur 120 Kraftwerksblöcke, die schwarzstartfähig sind. Das entspreche einer Leistung von 9,7 Gigawatt. Zum Teil sind die Kraftwerke im aktiven Strommarkt, zum Teil sind sie stillgelegt und damit in Reserve.

Das weitläufige Gelände in Trebbin-Thyrow zum Beispiel hätte eigentlich umfunktioniert werden können. Die Anlage wurde 2016 vom Strommarkt genommen. „Der Standort war am Markt nicht wirtschaftlich“, sagt der Leiter des Bereichs Energiewirtschaft beim Energieunternehmen Leag, Frank Mehlow. Die Bundesnetzagentur stuft jedoch einen Teil des Standorts als systemrelevant ein. Was ist die Folge?

Mehrere Mitarbeiter - darunter Elektrotechniker - kümmern sich weiterhin unter anderem um die Wartung und Instandhaltung der Geräte. Flüssigkeiten müssen in Bewegung bleiben, der Gasdruck regelmäßig überprüft werden und es gibt Probefahrten der Turbinen. Darüber hinaus läuft eine Fernüberwachung in einer zentralen Warte.

Dass Thyrow in Reserve gehalten wird, kostet jährlich Millionen. Die Kosten sind im Vergleich zum früheren Betrieb gesunken, wie Mehlow erklärt. Er spricht von einer einstelligen Millionensumme übers Jahr verteilt. Laut Bundesnetzagentur werden solche Kosten auf die Netzentgelte umgelegt.

Zwei Turbinen laufen an diesem Tag im Probebetrieb. Arbeiter sind draußen unterwegs. Ein Erdgasspeicher liegt unter einer Wiese, von dem die Turbinen versorgt werden können. Das Kraftwerk Thyrow entstand nach Leag-Angaben zu DDR-Zeiten in den 1980er Jahren. Der Großraum Berlin sollte so versorgt werden.

50Hertz, der Übertragungsnetzbetreiber in Ostdeutschland und im Raum Hamburg, listet drei Kraftwerke auf, die Bestandteil seines Netzwiederaufbaukonzeptes sind. Neben Thyrow handelt es sich demnach um die Pumpspeicherkraftwerke Goldisthal in Thüringen und Markersbach in Sachsen. Diese sind aber - anders als Thyrow - gleichzeitig am aktiven Strommarkt beteiligt.

Vor allem Wasser-, Pumpspeicher- und Gaskraftwerke eignen sich laut Bundesnetzagentur für einen Schwarzstart, weil sie im Vergleich zu anderen Kraftwerken weniger Energie benötigen, um anzufahren. Für den Netzwiederaufbau sind der Behörde zufolge die Übertragungsnetzbetreiber in Deutschland zuständig.

Gab es eigentlich schon einmal einen Blackout in ganz Deutschland? Die Bundesnetzagentur sagt Nein. Auf Regionen bezogen gab es demnach im Münsterland im Winter 2005 einen großflächigeren Ausfall wegen Schneechaos‘ und Sturms. Strommasten knickten damals wie Streichhölzer um. Hunderttausende Menschen waren betroffen. Der Stromausfall zog sich über Tage hin.

Nicht nur die Schwarzstartfähigkeit kann nach Angaben der Behörde ein Grund sein, warum ein zur Stilllegung angezeigtes Kraftwerk als systemrelevant eingestuft wird. Ein weiterer ist die Bedeutung eines Standortes für die Versorgungssicherheit in einem Netzgebiet. Das relevante Kraftwerk, das eigentlich stillgelegt ist, kommt dabei zum Einsatz, wenn sich zum Beispiel im laufenden Strommarkt in einem Gebiet eine Unterversorgung abzeichnet. Solche Kraftwerke müssen nicht unbedingt gleichzeitig schwarzstartfähig sein.

Die Zahl der als systemrelevant eingestuften Kraftwerke aufgrund ihrer Bedeutung für den laufenden Netzbetrieb ist seit 2013 gestiegen, wie die Behörde mitteilt. Als einen Grund nennt sie den schleppenden Netzausbau. Die Kosten für Vorhaltung und Betrieb systemrelevanter Kraftwerke beliefen sich demnach auf insgesamt etwa 219 Millionen Euro im Jahr 2015. Die Zahlen für das vollständige Jahr 2016 lägen noch nicht vor.

Die Systemrelevanz eines Kraftwerks wird in einem bestimmten Zyklus überprüft. Für den Standort Thyrow gilt sie laut Leag zunächst bis zum Sommer 2018. Parallel zur Systemrelevanz soll das Areal im Rahmen der Energiewende zum Beispiel als Pilotstandort für einen Technologie-Mix entwickelt werden, sagt Mehlow. Das sei eine Option. (dpa)