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Das Zittauer Geisterhaus

Im Herbst wird das Verwaltungsgebäude der Hochschule abgerissen. Die SZ durfte noch einmal hinein.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Zittau. Hinter einigen Fenstern der roten Glasfassade hängen angegraute Stores und schlagen Falten. Früher gehörten solche Gardinen zu einem ordentlichen Büro. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude Z III der Hochschule gab es über 100 Büros, in denen bis vor Kurzem die gesamte Verwaltung und das Archiv untergebracht waren.

Die Flure sind verwaist.
Die Flure sind verwaist. © Mario Heinke
Im ehemaligen Senatssaal stehen noch Konferenzsessel.
Im ehemaligen Senatssaal stehen noch Konferenzsessel. © Mario Heinke
Was aus der Glaskunst im Eingangsbereich wird, ist noch unklar.
Was aus der Glaskunst im Eingangsbereich wird, ist noch unklar. © Mario Heinke

„Der Umzug ist fast abgeschlossen“, sagt Uta Jahnich von der Technischen Verwaltung. Sie bezog nach dem Studium im Jahre 1986 selbst eines der „besseren“ Büros im Verwaltungsgebäude. Deren Fenster liegen in Richtung Süden und sind dem Stadtring abgewandt. Die Büros auf der Südseite sind mit 23 Quadratmetern zudem etwas größer als die dem Ring zugewandten, die nur 14 Quadratmeter groß sind. „Die Kollegen in den kleinen Büros konnten wegen des Verkehrslärms nur bei geschlossenem Fenster telefonieren“, erzählt Frau Jahnich. In den Räumen auf der Südseite konnte es hingegen wegen der Sonneneinstrahlung sehr warm im Sommer werden. Der standardisierte Stahlskelettbau mit Vorhangfassade, zu DDR-Zeiten industriell gefertigt, steht in abgewandelter Form auch in anderen Städten des Ostens. Ende der 1960er Jahre sollen die ersten Mehrzweckgebäude dieses Typs gebaut worden sein. Markantes Merkmal ist die Glasfassade, wegen der das Haus im Volksmund auch „Aquarium“ genannt wurde. Zwischen den vorgehangenen Elementen klaffen große Fugen, in denen Vögel auch Nester bauten.

Den Eingangsbereich an der Wand gegenüber der Pförtnerloge ziert Glaskunst. „Kunst am Bau“ war zu DDR-Zeiten trotz Mangelwirtschaft gang und gäbe. Auch der im Jahre 1976 vom Bildhauer Joachim Liebscher geschaffene Brunnen „Energie, Kraft und Bewegung“ und die mit Emaille-Tafeln dekorierten neun Fahnenmasten vor dem Gebäude zeugten vom Bemühen, profane Neubauten durch dekorative Elemente zu ergänzen. Der Brunnen, seit Jahren außer Betrieb, verschwand im Jahre 2014, nachdem die Kugeln gestohlen wurden. Die Reste sind in der Hochschule eingelagert. Ein Rondell aus Kieselsteinen erinnert noch an seinen Standort.

Das Bürogebäude ist leer, verschlossen und videoüberwacht. An der Tür der Akademischen Verwaltung klebt eine Haftnotiz. „Leer“ steht auf dem Zettel. In den langen Fluren der fünf Geschosse hängen Informationstafeln, Plakate und Fluchtwegpläne, so als würden noch Menschen hier arbeiten. Ein altes Wandtelefon hängt direkt unter einem DSL-Router, als wolle jemand die technische Entwicklung in der Kommunikationstechnik demonstrieren. In einem Büro steht eine Reiseschreibmaschine vom Typ „Erika“ auf dem Boden. Im Raum daneben verstaubt ein altes Faxgerät auf dem Tisch und leere, abgegriffene Ordner liegen auf dem Boden. Die ersten vier Geschosse im Haus sind sichtlich abgewirtschaftet. Nur ganz oben, in der Chefetage, sieht es noch etwas frischer und sauberer aus. Aus dem Senatssaal und dem ehemaligen Büro des Rektors bietet sich ein fulminanter Blick auf das Zittauer Gebirge und den Jeschken. Beide Räume des gehobenen Standards verfügen über furnierte Einbauschränke an einer Wand und gemusterte Dekordecken.

Das sind die verbliebenen Spuren. Generationen von Studenten und Mitarbeitern arbeiteten in dem Gebäude. Bei der Einweihung gehörte es noch der „Ingenieurhochschule Zittau“, einer wichtigen Kaderschmiede, besonders für die Energiewirtschaft der DDR. Im Treppenhaus steht ein neueres Kraftwerksmodell. Noch weiß niemand, wo es hin soll“, sagt Uta Jahnich. Büromöbel und andere Ausstattungsgegenstände verschenkte die Hochschule in den vergangenen Wochen an Vereine oder gemeinnützige Einrichtungen. Die Verwaltung ist in das sanierte Haus Z I gleich gegenüber und in das Haus Z VII im Schwenninger Weg gezogen.

Im Herbst beginnt der dritte Bauabschnitt am Campus – der Rückbau des leerstehenden Geisterhauses, dem offensichtlich niemand eine Träne nachweint.