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„Das war keine Sternstunde der Demokratie“

Der Dresdner Stadtrat beschließt ein Förderprogramm für weltoffene Projekte. Die Debatte der Abgeordneten darum ramponiert Dresdens Ruf nur weiter.

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© Reuters

Von Andreas Weller

Die Stadt fördert Projekte, die die Dresdner ermuntern sollen, sich einzubringen und besser zusammenzuleben. Dafür gibt es pro Jahr 560 000 Euro. Das war die gute Nachricht zum Programm: „Wir entfalten Demokratie. Lokales Handlungsprogramm für ein vielfältiges und weltoffenes Dresden“. Denn der Rat diskutierte knapp zwei Stunden darüber. Es gab eine Allianz zwischen CDU, FDP, AfD und NPD dagegen, eine zum Teil unterirdische Debatte und die Bemühungen von Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP), den Ruf der Stadt aufzupolieren und die gespaltenen Dresdner zu einen, wurden ausgerechnet vom Rat torpediert.

CDU und FDP schlossen für sich sofort aus, diesem Programm zuzustimmen. Es fokussiere nur gegen Rechtsextremismus. Stadtrat Hans-Joachim Brauns (CDU) kritisierte, dass OB Hilbert im Vorwort schreibt: „Damit bildet Pegida auch die weit in der Gesellschaft verwurzelten fremdenfeindlichen, rassistischen und nationalistischen Ressentiments ab.“ Damit unterstelle der OB, die „bürgerliche Mitte“ sei rechts. „Wer hat Sie denn gewählt, Herr Hilbert? Doch wohl die bürgerliche Mitte, und die wird jetzt diskreditiert. Damit wird eine weitere Spaltung der Gesellschaft betrieben.“

Sein Fraktionskollege Georg Böhme-Korn ging noch weiter: „Für dieses Papier sollten Sie sich abgrundtief schämen, Herr Oberbürgermeister!“ Das Programm werde den Zusammenhalt nicht verbessern. Es fehle an Werten, etwa der freiheitlich demokratische Grundordnung. „Nur Respekt ist viel zu wenig.“ Es gebe nun mal diese Tendenzen in der Bevölkerung, und gegen diese solle die Stadt kein Programm erlassen. Dann bemühte Böhme-Korn einen mehr als unglücklichen Vergleich: „Das Ermächtigungsgesetz wurde 1933 auch ganz demokratisch beschlossen.“

Ein NPD-Stadtrat nannte das Programm „Verschwendung von Steuergeldern“ und meinte, Dresden sei bereits weltoffen – gegenüber Touristen, das genüge. Die AfD sprach von einem „Pamphlet“. AfD-Stadtrat Jörg Urban verharmloste gar rechtsextreme Straftaten: „Ja, zahlenmäßig sind das mehr als linksextremistische. Aber es sind meist Bagatelldelikte.“ Hilbert und die Stadtratsmehrheit aus Linken, Grünen und SPD wollen die Gesellschaft „umerziehen“. „Pegida steht für die Mehrheit der Bevölkerung“, behauptete Urban. Nun werde die „Minderheit“ mit Geld ausgestattet, um die „Deutungshoheit“ zu erlangen. Linksextremismus werde verharmlost, so Stefan Vogel (AfD): „Und möglicherweise finanziell unterstützt.“ Das sei „Zurüstung zum Bürgerkrieg“.

Die FDP hielt sich größtenteils aus der Debatte heraus, bekannte sich aber zur Allianz gegen das Programm. „Es widmet sich einem Thema, das drängend ist. Mehr aber leider nicht“, so Fraktionschef Holger Zastrow. Damit fiel er seinem Parteifreund OB Hilbert ebenfalls in den Rücken.

Linke, Grüne und SPD stellten klar, dass das Vorwort des OB benenne, dass rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen nicht nur am rechten Rand in Dresden erkennbar sind, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Damit sei nicht gemeint, die Mitte sei insgesamt rechts, so Jens Matthis (Linke). Die CDU deute das bewusst falsch. Dresden müsse dringend ein Signal senden, meint SPD-Fraktionschef Christian Avenarius. „Wir sind nach außen immer noch Pegida-Hauptstadt. Nun müssen wir herausstellen, dass wir auch Hauptstadt der Anti-Pegida-Bewegung sind.“ Extremismus, ob von links oder rechts solle nicht gegeneinander aufgewogen werden.

Avenarius forderte die CDU auf, die Position zu überdenken. „Sie bauen Ausreden auf“, kritisierte Michael Schmelich (Grüne) die CDU. „Das Programm ist nicht nach links gerückt, sondern die CDU nach rechts.“

Auch OB Hilbert schaltete sich ein. „Das war keine Sternstunde der Demokratie. Zeigt aber, wie dringend notwendig das Programm ist.“ Er habe es sehr genau gelesen, bevor er es unterschrieben habe. „Wenn wir überlegen, wo unsere Probleme liegen, ist diese Debatte beschämend.“ Zum Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz sagte der OB: „Historische Analogien haben ähnlich angefangen wie heute.“ Die Vorteile von Vielfalt erkennbar zu machen, könne man Umerziehung nennen. „Man kann es auch als ein Kennenlernen bezeichnen“, so der OB. „Wenn Menschen hier Angst haben, auf die Straße zu gehen, ist das beschämend“. Er verwies auf fremdenfeindliche Übergriffe, Pöbeleien zum islamischen Neujahrsfest, am 3. Oktober 2016 und zur Eröffnung von Kunstwerken auf dem Neumarkt. Am Ende stimmten der OB, Linke, Grüne und SPD für das Programm. Das reichte zwar, dürfte aber kein positives Signal sein.