Merken

Das Schmiedefeuer brennt noch

Der Betrieb Metallbau Kalix wird in sechster Generation von der Familie betrieben – seit genau 200 Jahren.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Antje Steglich

Lorenzkirch. Alt und Neu liegen in Lorenzkirch dicht beieinander. Nur eine Mauer und eine Treppe trennen Stanzmaschine und Schweißgerät vom alten Schmiedefeuer. Hubert Kalix ist in beiden Welten zu Hause. Für den Unternehmer ist es einerseits selbstverständlich, am Computer Stahlkonstruktionen, Tore oder Treppenanlagen zu planen und mit modernster Technik in der sogenannten neuen Schmiede gleich neben seinem Büro herzustellen. Aber ein- bis zweimal im Monat entflammt der 53-Jährige eben auch noch das Feuer in der alten Schmiede, das 1939 von Großvater Friedrich-Ernst Kalix das erste Mal geschürt wurde. Meißel aller Größen werden hier zum Beispiel für Baufirmen aufbereitet. Und wie schon der Opa bindet sich Hubert Kalix dann die abgegriffene Lederschürze um, erhitzt das Metall im Feuer und schlägt zwischen Hammer und Amboss eine neue Spitze heraus. „Ich versuche, das am Leben zu erhalten“, sagt der Diplomingenieur zu der alten Schmiede-Tradition. Schließlich ist die Geschichte des Handwerkes ganz eng mit der seiner Familie verbunden.

Tradition ist Hubert Kalix wichtig: Zum Jubiläum ließ er einen Schmied an die Fassade seiner Firma malen.
Tradition ist Hubert Kalix wichtig: Zum Jubiläum ließ er einen Schmied an die Fassade seiner Firma malen. © Sebastian Schultz
Das mehr als hundert Jahre alte Foto von der Ursprungsschmiede hängt noch heute in der guten Stube: Das Haus wurde 1979 abgerissen und auf dessen Grundmauern ein Wohnhaus errichtet. Die Schmiede war bereits 1939 in einen Neubau nur wenige Meter weiter gez
Das mehr als hundert Jahre alte Foto von der Ursprungsschmiede hängt noch heute in der guten Stube: Das Haus wurde 1979 abgerissen und auf dessen Grundmauern ein Wohnhaus errichtet. Die Schmiede war bereits 1939 in einen Neubau nur wenige Meter weiter gez © Repro/Sebastian Schultz

Der Huf- und Waffenschmied Johann Christian Kalix legte einst den Grundstein, als er mit 27 Jahren eine kleine Dorfschmiede in Lorenzkirch eröffnet. Er will an der damals bedeutenden Frankfurter Salzstraße von den Händlern und Wallfahrern profitieren. Ende April 1817 meldet er laut Kirchenregister das neue Gewerbe im Ort an – und ist wohl recht erfolgreich. Denn sieben Jahre später schon baut er für sich und seine Familie ein neues Wohnhaus mit integrierter Werkstatt. Später wird die Kalix-Schmiede immer wieder von Vater zu Sohn weitergegeben und Stück für Stück um- und ausgebaut. „Es waren immer genug Jungs da“, sagt Hubert Kalix über die Familiengeschichte. Und so war es auch für ihn und seinen Bruder Ernst-Albrecht selbstverständlich, den Schmiedeberuf zu erlernen. „Aber mir wurde davon abgeraten“, erinnert sich Hubert Kalix an die Eignungsuntersuchung am Ende seiner Schulzeit. Aufgrund einer Rückenerkrankung lernt er also zunächst im Riesaer Stahlwerk und hängt auch noch ein Ingenieurstudium dran. Ein halbes Jahr ist er mit der Inspektion von großen Kran-Anlagen betraut. „Aber das war nichts für mich“, sagt Hubert Kalix heute. „Und die Wende änderte sowieso alles.“ Hubert Kalix kehrt in den Familienbetrieb zurück. Die Brüder übernehmen 1993 die Leitung des Betriebes, modernisieren, bauen die neue Schmiede und eine neue Zufahrt für große Zugmaschinen und meistern gemeinsam das erste große Hochwasser. – Bis ein tragischer Unfall 2012 das kleine Unternehmen völlig auf den Kopf stellt.

Bruder Ernst-Albrecht stirbt, und Hubert Kalix überlegt mehrfach, den Betrieb aufzugeben. „Ich hatte einen Hänger“, gibt er heute offen zu. Erst mit der Zeit fasst er neuen Mut. Und mittlerweile sei es keine Last mehr, zwölf Stunden am Tag und öfter auch am Wochenende ranzuklotzen. Die ganze Familie hilft, sagt Hubert Kalix. Und er und seine beiden Mitarbeiter können sich selbst im Winter nicht über mangelnde Aufträge aus ganz Deutschland beklagen. „Es macht mir wieder Spaß“, sagt der 53-Jährige, während er seinen Blick stolz über das Firmengelände in Lorenzkirch schweifen lässt.

Von hier wegzuziehen, zum Beispiel in das gut erschlossene, hochwassersichere Gewerbegebiet Zeithain, sei zwar manchmal ein flüchtiger Gedanke, nie aber eine echte Option gewesen. „Man fühlt sich mit der Erde hier verbunden“, sagt Hubert Kalix. Auch wenn sein Metallbau der einzig verbliebene Betrieb vor Ort sei, glaubt er an den Standort – und baut weiter aus. Eine weitere Werkstatthalle unter anderem für die Lagerung von Material soll genauso entstehen, wie die Scharte im Elbdamm vor der Schmiede wieder aktiviert werden soll. Denn Hubert Kalix baut für die Zukunft. Auch er hat zwei Söhne.