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Das Grußwort von OB Dirk Hilbert

Die Rede des Dresdner Oberbürgermeisters zur Eröffnung des Kunstwerks „Monument“ im Wortlaut:

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© SZ

Sehr verehrte Damen und Herren, zugegeben - das ist ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Zugegeben - schön ist das Monument nicht. Und ganz ehrlich - war es wirklich notwendig, mit verschrotteten Bussen den schönen Anblick „unserer“ aufwendig sanierten Frauenkirche so zu verbauen?

Liebe Dresdnerinnen und Dresdner, liebe Touristen, Durchreisende und Geschäftsleute, liebe Gäste, wir alle verfolgen die furchtbaren Ereignisse des Syrienkrieges und die Geschehnisse in Aleppo. Tagein, tagaus ziehen die Bilder in den Medien an uns vorüber. Vermögen diese Medienbilder noch, uns zu berühren und Mitgefühl herzustellen?

Manchmal bedarf es ungewöhnlicher Mittel, uns das Weltgeschehen, im wörtlichen Sinne, vor Augen zu führen. Eine Barrikade aus alten Bussen, von der Zivilbevölkerung in Aleppo als Sichtschutz gegen Scharfschützen errichtet, ist solch ein ungewöhnliches Mittel. Der Künstler Manaf Halbouni findet für sein Kunstwerk vor der Frauenkirche einen gleichsam präsenten wie historisch bedeutsamen Ort. Mit seinem „Monument“ auf dem Dresdner Neumarkt, das wir heute eröffnen, will Halbouni wachrütteln und vermitteln. Vermitteln zwischen den unterschiedlichen Orten Dresden und Aleppo zwischen unterschiedlichen Ereignissen, wie die Zerstörung Dresdens im 2. Weltkrieg und die Zerstörung Aleppos im Syrienkrieg vermitteln zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, und der gemeinsamen Hoffnung auf ein Leben in Frieden und Freiheit

Sehr geehrter Herr Halbouni (Manaf Halbouni, Künstler des „Monument“)., in Ihrer Personen vereinen Sie zwei Identitäten. Sie sind Syrer und Deutscher zugleich. Geboren und aufgewachsen sind Sie in Damaskus. Durch Ihre Mutter, die Dresdnerin ist, und durch Ihre Ausbildung an der HfBK Dresden sind Sie ebenso eng mit Deutschland und Sachsen verbunden. In Ihrem Werk teilen Sie mit uns Betrachtern Ihre zwei Perspektiven. Wie gut. Das wird in Dresden noch für einigen Gesprächsstoff sorgen und ist, wie kontrovers auch immer diskutiert, für unsere Stadt eine große Bereicherung.

Sehr geehrte Frau Mennicke-Schwarz (Christiane Mennicke-Schwarz, Leiterin Kunsthaus Dresden und Initiatorin und Veranstalterin von „Am Fluß/ At the River“), sehr geehrter Herr Nattermann, (Andreas Nattermann, Leitung Societätstheater, und Initiator und Veranstalter von „Am Fluß/ At the River“), sehr geehrter Pfarrer Feydt (Pfarrer Sebastian Feydt,Stiftung Frauenkirche), werte Förderer und Unterstützer, namentlich die Stiftung Kunst & Musik für Dresden, die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Ostsächsische Sparkasse, das Militärhistorische Museum und die Bundeswehr, die Osterberg Stiftung, liebe Gäste, so verrückt die Idee Manaf Halbounis einst erschien, drei ausrangierte Busse vor der Frauenkirche zum Monument zu erheben, so sehr merken wir heute, da das Werk eingeweiht wird, dass Kunst genau die Verbindung herstellen kann, für die unsere Vorstellungskraft im Alltag nicht ausreicht.

Was würde es bedeuten, wenn eine solche Barrikade aus alten Bussen in Dresden aufgestellt werden müsste, so wie es die Zivilbevölkerung in Aleppo zum eigenen Schutz tat? Dieses „Monument“ führt uns fühlbar vor Augen, dass eine Übertragung der Situation für uns nicht vorstellbar ist. Niemals werden wir ermessen können, wie es sich anfühlt, auf einer mit Barrikaden gesäumten Straße entlang zu gehen, wie sie in Pressebildern aus Aleppo zu sehen ist. Und dennoch vermittelt uns das „Monument“, dass wir an den Geschehnissen in der Welt dranbleiben müssen. Die Welt rückt zusammen. Die Ereignisse in Syrien und anderen Kriegsschauplätzen beeinflussen auch unser Leben, ob wir es wollen oder nicht.

Und das „Monument“ vermag noch etwas: Es schafft die Brücke zu unserer eigenen Geschichte. Es erinnert uns daran, dass auch in unserer Stadt Menschen verfolgt, erniedrigt und getötet wurden. Es erinnert uns an die Grausamkeiten des Nationalsozialismus und an den Konsens aus unserer Geschichte - dass nie wieder geschehe, was einst geschah. Und das ist wichtiger denn je, denn unsere Vergangenheit kann uns immer weniger von Zeitzeugen wachgerufen werden.

Die Rechtspopulisten, die nicht nur in unserer Stadt, sondern überall in Europa an Zuspruch gewinnen, bauen auf das Vergessen. Umso wichtiger ist es, dem Erinnern ein „Monument“ zu setzen.

Die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Spaltungen und ihre europäische Dimension sind auch ein wichtiges Thema in Dresdens Kulturhauptstadt-Bewerbung. Gern lade ich sie ein, sich einzubringen - wir wollen die Bewerbung partizipativ gestalten und möglichst viele unterschiedliche Ideen sammeln.

Und ich lade Sie ein, gerade nach der Auseinandersetzung mit dem „Monument“, ein persönliches Zeichen für Toleranz und Menschlichkeit zu setzen. In Erinnerung an die Zerstörung Dresdens vor 72 Jahren schließt sich Dresden wieder am 13. Februar zu einer Menschenkette zusammen. Bitte unterstützen Sie dieses weithin sichtbare Signal mit Ihrer Teilnahme.

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn ich den folgenden Dank an alle, die an dem Projekt „Monument“ mitgewirkt haben, auch ans Ende meiner Rede stelle - so möchte ich doch der Tatsache besondere Bedeutung schenken, dass dieses künstlerische Projekt von so Vielen getragen wurde und außergewöhnliche Kräfte mobilisiert hat.

Ich danke Herrn Robert Thiele für die umsichtige Projektleitung genauso wie dem Team des Kunsthauses, unserer Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch und den beteiligten Ämtern der Stadtverwaltung für Ihre Unterstützung.

Eine Barrikade aus Bussen in Dresden aufzurichten, ist etwas ganz anderes als in Aleppo, auch dies ist Teil unserer Realität. In Deutschland herrscht, Gott sei Dank, kein Ausnahmezustand. Aber es gelten, anders als in Aleppo, umfassende Sicherheitsbestimmungen. Daher gilt ein besonderer Dank auch denen, die alle Details genau geprüft haben und eine plangemäße, umsichtige Umsetzung dieses ungewöhnlichen Vorhabens ermöglicht haben.

Danken möchte ich nicht zuletzt dem besonderen Netzwerk von Partnern. Alle Partner haben weit mehr als nur Finanzielles beigetragen, sie haben gemeinsam an der künstlerischen Veranschaulichung einer Idee gearbeitet, die hier in Dresden ihren Ort hat, aber weit über Dresden hinaus ausstrahlt.