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Das große Fressen auf den Feldern

Wildschweine richten massive Schäden an, auf denen die Landwirte meist sitzen bleiben. Putzkaus Agrarbetrieb geht deshalb zusammen mit dem Jagdpächter neue Wege.

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© dpa

Von Ingolf Reinsch

Putzkau. Irgendwo im Maisfeld zwischen der Putzkauer Tankstelle und der Sandgrube haben sie sich versteckt – die Wildschweine. Bis das Feld im Spätherbst abgeerntet wird, können sich die Tiere dort wie im Schlaraffenland fühlen. Sie haben Schutz, können fressen und ihre Frischlinge aufziehen.

Marko Birnstengel, Geschäftsführer des Putzkauer Agrarbetriebes
Marko Birnstengel, Geschäftsführer des Putzkauer Agrarbetriebes © Steffen Unger

Marko Birnstengel, Chef der Landbewirtschaftung Wesenitztal GmbH in Putzkau, tun die unerwünschten Gäste diesmal besonders weh. Denn erstmals seit über 15 Jahren hat er nicht nur Silagemais angebaut, der relativ zeitig geerntet und später ans Vieh verfüttert wird, sondern hochwertigen Körnermais, der bis zum November steht und nach der Ernte an Lebensmittelproduzenten verkauft wird. An die Schäden, die die Wildschweine bis dahin anrichten könnten, möchte der Landwirt gar nicht denken. Zumal jetzt schon feststeht, dass er Ernteausfälle durchs Wild nirgendwo geltend machen kann. Im Unterschied zu anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern, gibt es in Sachsen keine Wildschadenskasse, die den Bauern Ernteausfälle kompensiert.

Gesetzliche Änderung

Schon seit Jahren trifft der erfahrene Landwirt deshalb Vorkehrungen. So vermeidet er es , Raps und Mais – Kulturen, in denen sich die Wildschweine im Sommer und Herbst gern zurückziehen – in Waldnähe anzubauen, was im hügligen, waldreichen Gelände rund um Putzkau gar nicht so einfach ist. Auch große, zusammenhängende Flächen bestellt er nicht mehr mit diesen Kulturen, „wohl wissend, dass ich hinterher mit den Schäden allein dastehe“, sagt Marko Biernstengel. In diesem Jahr geht er nun noch einen Schritt weiter und legte auf einem seiner Maisfelder zwei Bejagungsschneisen an. Sie trennen das Maisfeld noch zusätzlich, sodass keine zusammenhängende Fläche des Feldes größer als drei Hektar ist. Jagdpächter Andreas Wunde errichtete in den Schneisen Hochstände. Der Vorteil: Wildschweine können so bereits jetzt und nicht erst zur Erntezeit bejagt oder durch Schüsse vom Feld vertrieben werden. Eine gesetzliche Änderung erleichtert seit vergangenem Jahr das Anlegen solcher Schneisen.

Bereits seit Jahren arbeiten Landwirt und Jäger zusammen, um der Wildschweinplage Herr zu werden. So kündigen Bauern, nicht nur in Putzkau, den zuständigen Jagdpächtern an, wann sie einen Mais-Schlag abernten. Die stehen dann schon mit ihren Flinten bereit, wenn die Erntemaschinen anrollen.

Die Zahl der Wildschweine in der Region Bischofswerda wächst seit Jahren, sagt Andreas Wunde. Begründet ist das vor allem durch mehrere milde Winter in Folge, die den Tieren gute Bedingungen und ausreichend Nahrung boten. In den kälteren Jahreszeiten ziehen sich die Schwarzkittel ins Dickicht der Wälder zurück; in den wärmeren Monaten fühlen sie sich auf den Feldern zu Hause – anfangs im Raps, dann im Mais. Hinzu kommen Wühlschäden auf frisch bestellten Feldern.

Jäger arbeiten zusammen

Seit Jahren steigen die Zahlen der zur Strecke gebrachten Wildschweine kreisweit. Im jüngsten Jagdjahr 2015/16 waren es im Landkreis Bautzen 3 563 Tiere, rund 500 mehr als im Jagdjahr zuvor. Im Jagdjahr 2011/12 wurde im Landkreis Bautzen 2 542 Wildschweine geschossen, sagte Gernot Schweitzer, Pressesprecher des Landratsamtes. Rückschlüsse von diesen Abschusszahlen auf den tatsächlichen Umfang der Wildschweinpopulation im Kreis sind aber kaum möglich, betont der Kreis-Sprecher. Hierbei spielen mehrere Faktoren eine Rolle – etwa die Art der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, die Aktivitäten der Jäger, die Reproduktion des Schwarzwildes aufgrund Witterung und Äsungsangebot außerhalb der Vegetationsperioden, aber auch eine Änderung im Verhalten der Tiere aufgrund der Wolfsvorkommen. Eine Tendenz, die auch Jagdpächter Andreas Wunde seit einigen Jahren beobachtet. Aufgrund der Bedrohung durch den Wolf schließen sich Wildschweine zu größeren Rotten zusammen. Ähnlich ist es beim Rehwild.

Unter anderem durch die Zusammenarbeit mit Jägern der Region, wie es in Putzkau geschieht, können Landwirte vorbeugen, sagt Gernot Schweitzer. Denkbar ist es auch, kleinere Anbauflächen durch einen Elektrozaun zu schützen, damit die Schwarzkittel gar nicht erst aufs Feld kommen. Für Landwirt Marko Birnstengel ist auch ein solcher Zaun eine Option, um seinen kleinen Betrieb vor Ernteausfällen zu schützen. Sein Betrieb bewirtschaftet 600 Hektar Feld- und Wiesenfläche. 18 Hektar davon hat er mit Körnermais bestellt, den er bei gutem Ertrag im Spätherbst auch gut verkaufen kann. Seine Erfahrung besagt aber auch: „Es gibt kein Jahr ohne Wildschäden.“