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Superleicht-Speichen aus Textilfaser

Mit extra leichten Faser-Fahrradspeichen wollen vier Chemnitzer den Markt erobern. Mit ihrer Idee liegen sie im Trend: Mit technischen Textilien erwirtschaftet die ostdeutsche Textilbranche die Hälfte des Umsatzes.

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© dpa

Chemnitz. So leicht wie Karbon und deutlich billiger: Mit Speichen aus synthetischen Textilfasern wollen Chemnitzer Wissenschaftler Fahrräder leichter machen. Je nach Anzahl der verbauten Speichen könnte dann jedes Laufrad bis zu 200 Gramm weniger wiegen. „Das ist eine Einsparung von mehr als 50 Prozent und vergleichbar mit Karbon“, sagte Ingenieur Ingo Berbig der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Professur für Fördertechnik, die zur Maschinenbau-Fakultät der TU Chemnitz gehört, hat die neuartige Speiche gemeinsam mit drei Kommilitonen entwickelt.

Im kommenden Jahr wollen die Wissenschaftler eine Startup-Firma gründen, um die Speiche, die deutlich günstiger als Karbon werden soll, auf den Markt zu bringen. Das Patent sei bereits angemeldet, so Berbig. Bislang produzieren die Forscher ihre Speichen in Handarbeit im Unilabor. Dort haben sie unter anderem schon eine Ausdauerprüfung über 100 000 Kilometer überstanden. Auch die ersten Feldversuche seien erfolgreich verlaufen, hieß es.

Ein Prototyp ist derzeit in der Fahrrad-Sonderausstellung des Chemnitzer Industriemuseums zu sehen. Die hellbeige Farbe springt als erstes ins Auge - während Fahrradspeichen meist Silber oder Schwarz sind und aus Stahl oder Aluminium.

Die angehenden Gründer liegen mit ihrer Idee voll im Trend der hiesigen Textilindustrie: Mit technischen Textilien erwirtschafteten die rund 350 in Sachsen und Thüringen ansässigen Unternehmen der Branche 2015 rund die Hälfte des Jahresumsatzes von 1,8 Milliarden Euro. Dem Verband der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (vti) zufolge arbeitet bereits jeder zweite vti-Betrieb mit Hightech-Fasern. Technische Textilien seien aktuell der wichtigste Wachstumsmarkt. Einer der Gründe für den Boom: das geringe Gewicht.

Auch die Chemnitzer Ingenieure wollen damit punkten. Ein normales Sportrad habe 28 bis 32 Speichen, erklärte Berbig. Im Vergleich zu einem Standardsystem aus Metall wiegen die Textilspeichen demnach insgesamt 140 bis 160 Gramm weniger. Je nach Anzahl der Speichen seien sogar bis zu 200 Gramm weniger pro Laufrad drin.

Was auf den ersten Blick marginal klingen mag, sei in der Praxis Gold wert, sagt der Wissenschaftler. „Bei Wettkämpfen muss ich mein etwa acht bis neun Kilogramm schweres Rad mitunter über unwegsame Strecken bewegen. Da ist bereits eine Gewichtsreduzierung von wenigen hundert Gramm willkommen“, sagte Daniela Storch, die ebenfalls zum Gründerteam gehört und als Profi-Mountainbikerin im Rennstall des Sportartikelherstellers Scott aktiv ist.

Weil Ingo Berbig genauso leidenschaftlich Rad fährt, entstand die Idee, Hobby und Beruf zu kombinieren. Bereits seit zehn Jahren läuft an der Chemnitzer Uni ein vom Bund gefördertes Forschungsprojekt. „Wir arbeiten daran, wie Textilien im Maschinenbau innovativ eingesetzt und deren Vorteile genutzt werden können“, erläutert Berbig. Letztlich sei ein Fahrrad nichts anderes als eine technische Anwendung in diesem Bereich.

„Innovative und mit Zusatzfunktionen ausgestattete Textilerzeugnisse für spezielle Anwendungen verbessern die Chancen auf den hart umkämpften Märkten deutlich“, ist vti-Hauptgeschäftsführer Bertram Höfer überzeugt. Ohne derartige Produkte könnten die ostdeutschen Mittelständler langfristig nicht bestehen. (dpa)