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Bund blockiert Entschädigung für DDR-Heimkinder

Ein Antrag von Sachsen und Thüringen liegt auf Eis. Dabei ist der Fall eigentlich völlig einleuchtend.

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© dpa PA/Ernst-Ludwig Bach

Von Peter Heimann, Berlin

Die Bundesregierung blockiert ein Gesetz zur Verbesserung der Lage von ehemaligen DDR-Heimkindern. Sachsen und Thüringen hatten zum Jahreswechsel über den Bundesrat einen entsprechenden Entwurf eingebracht. Das Bundeskabinett konnte sich nach SZ-Informationen nicht auf eine Zustimmung einigen. In seiner Stellungnahme, die am Mittwoch beschlossen werden soll, heißt es, die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung sei noch nicht abgeschlossen.

Die Ostbeauftragte Iris Gleicke (SPD) kritisierte den Vorgang gegenüber der SZ scharf: „Ich weiß nicht, warum die Bundesregierung eine so einleuchtende Gesetzesänderung nicht einfach durchwinkt und warum das einzelne Ressorts am Anfang komplett ablehnen wollten. Auch angesichts der großzügigen Rehabilitierung der Schwulen, die wir gerade beschlossen haben und die ich absolut richtig finde, ist das ganz einfach beschämend. Wer sich in einer solchen Frage aufführt wie der letzte Erbsenzähler und sich hinter lächerlichen Formalien verschanzt, darf sich nicht wundern, wenn die Ostdeutschen sich manchmal wie Bürger zweiter Klasse vorkommen. Ich erwarte und verlange, dass die Bundesregierung dem schleunigst geschlossen zustimmt.“

Die Initiative aus dem Osten war, wie man an den Antragstellern Sachsen und Thüringen unschwer erkennt, parteiübergreifend. Mit ihr soll die Stellung von DDR-Heimkindern, deren Eltern aufgrund politischer Verfolgung inhaftiert waren, verbessert werden. Sachsens CDU-Justizminister Sebastian Gemkow kommentierte die Einbringung damals so: „Es ist mir ein wichtiges Anliegen, das staatliche Unrecht in der ehemaligen DDR wiedergutzumachen. Wir können es nicht hinnehmen, dass den Betroffenen regelmäßig eine Entschädigung versagt bleibt, obwohl ihre Eltern Opfer einer politischen Verfolgung waren, unter der letztendlich auch sie gelitten haben. Durch den Gesetzentwurf kann ihre Situation schnell verbessert werden.“

Akten sind oft nicht mehr da

Die gegenwärtige Rechtslage stellt sehr hohe Anforderungen an eine Rehabilitierung von betroffenen Heimkindern. Sie müssen nachweisen, dass ihre Heimunterbringung politisch den Zweck verfolgte eine Benachteiligung herbeizuführen. Das gelingt ihnen regelmäßig nicht. Käme das Gesetz durch, reicht es, die eigene Unterbringung, sowie den damaligen Freiheitsentzug der Eltern nachweisen zu können. Auch Betroffene, deren Anträge bereits abgelehnt wurden, sollen erneut einen Antrag stellen können. Viele wissen allerdings noch nicht einmal, warum sie überhaupt in einem der Heime waren.

Gleicke: „Es geht darum, auch den Kindern von anerkannten politischen Gefangenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wer als ehemaliges Heimkind eine Opferentschädigung bekommen will, muss bis jetzt in jedem Einzelfall nachweisen, dass die Heimunterbringung als solche politisch motiviert war. Darauf soll künftig bei denjenigen verzichtet werden, die von den Jugendbehörden ins Heim geschickt wurden, weil ihre Eltern in der DDR aus politischen Gründen eingesperrt und im wiedervereinten Deutschland rehabilitiert worden sind. Das ist ein sehr guter Beschluss des Bundesrates und wichtig auch für alle, denen es in der Vergangenheit nicht gelungen ist, diesen Nachweis zu führen. Wie sollen sie das denn auch tun nach so langer Zeit und angesichts oft verschwundener Akten?“

Jugendhilfeakten sind häufig vernichtet worden, sind unvollständig oder enthalten keinen Hinweis darauf, dass auch die Anordnung der Heimeinweisung der politischen Verfolgung diente. Außerdem verschleiern sie mitunter den wahren Verfolgungscharakter. Falls Kinder in einem sehr jungen Alter in ein Heim eingewiesen wurden, können sie sich außerdem oftmals nicht mehr an die Umstände ihrer Heimunterbringung erinnern. Sofern ihre Eltern oder andere auskunftsfähige Personen nicht mehr leben, kann den ehemaligen Heimkindern auch aus diesem Grunde eine erfolgreiche Beweisführung verschlossen sein. Die Folge: Damals betroffene Kinder und Jugendliche können in der Praxis mangels erfolgreicher Rehabilitierung weder Kapitalentschädigung noch Opferrente geltend machen.

Wenn die Rehabilitierung erfolgreich ist, haben die DDR-Heimkinder einen Anspruch auf soziale Ausgleichsleistungen für die Nachteile, die ihnen durch die Heimunterbringung entstanden sind. Die Betroffenen können dann eine einmalige Kapitalentschädigung beantragen. Für jeden angefangenen Kalendermonat der Heimunterbringung wird ein Betrag in Höhe von 306,78 Euro gewährt. Darüber hinaus können die Betroffenen auf Antrag eine Opferrente erhalten, wenn sie mindestens 180 Tage im Heim untergebracht waren und in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind. Die Opferrente beträgt derzeit monatlich 300 Euro.