Merken

Brückenbauer Putin

Russlands ehrgeizigstes Bauprojekt wird früher fertig als geplant, weil es politisch so gewollt war: die neue Brücke auf die Krim.

Teilen
Folgen
© action press

Von Klaus-Helge Donath, SZ-Korrespondent in Moskau

Es war wohl nicht anders zu erwarten. Wladimir Putin kletterte natürlich selbst auf den Bock und lenkte den roten Kamaz-Lkw über die 19 Kilometer lange neue Krimbrücke. Gefolgt von einem Dutzend identischer Lastkraftwagen. Und die TV-Zuschauer durften per Live-Übertragung aus dem Führerhaus dabei sein. Der Präsident hat Wort gehalten und die Krim Russland ein Stück nähergebracht.

Vom ersten Spatenstich bis zur partiellen Einweihung am gestrigen Dienstag vergingen 27 Monate oder genauer 816 Tage. Auch beim Bautempo ist Russlands Präsident kaum noch zu übertreffen.

In einem Handstreich hatte Moskau im März 2014 die ukrainische Halbinsel annektiert. Schnell sollte der Bau der Brücke vonstattengehen, damit sich der russische Teil der Halbinsulaner auch zu Russland zugehörig fühlen konnte. Aus Moskauer Sicht ist die Krim seither nun auch offiziell wieder Teil des Mutterlandes.

Vor der Wiederwahl im März in den Kreml inspizierte Präsident Putin die „wichtigste Baustelle der Nation“ noch einmal und sinnierte: Es wäre doch schön, wenn Touristen schon mit Beginn der Sommersaison über die Brücke rollen könnten. Die Eröffnung war zunächst für Ende des Jahres geplant. Putins Wunsch machten auch die Planer zu ihrem Anliegen. Nun wurde der „Weg nach Hause“, wie die Brücke inoffiziell genannt wird, schon ein halbes Jahr früher fertig.

Allerdings dürfen zunächst nur Pkw’s und Busse passieren, der Lastenverkehr soll erst im Herbst anlaufen. Die beiden Trassen für den Schienenverkehr werden dann laut Plan 2019 freigegeben. 47 Züge in beide Richtungen sind pro Tag vorgesehen.

Mit 19 Kilometer Gesamtlänge zwischen der Tamaner Halbinsel und dem ukrainischen Kertsch stellt die Brücke auch einen Rekord auf: Sie verweist die bislang längste Brücke Europas, die Ponte Vasco da Gama über den Tejo in Portugal, mit 17,2 Kilometer auf den zweiten Platz.

Russlands Bauindustrie verfügt über lange Erfahrungen auf Großbaustellen. Nach gigantischen Unternehmungen in der Sowjetzeit kamen zuletzt die Olympischen Spiele und die Fußball-WM als Großprojekte dazu. Russland nutzt solche Anlässe, um überfällige Modernisierungen vorzunehmen.

Höhepunkt der Bauarbeiten war diesmal die Montage von zwei Brückenbögen mit einer Spannweite von 227 Metern. 72 Stunden dauerte die Installierung. 7 000 Tonnen wog der Eisenbahnbogen, 6 000 der für die Autobrücke. 35 Meter über dem Meer verläuft die Fahrbahn jetzt, damit auch künftig Schiffe zwischen dem Schwarzen und Asowschen Meer verkehren können.

Russland hat viel für Statistik übrig, sie ist stets auch ein Element des Patriotismus: So wurden zwölf Millionen Tonnen Baumaterialien verbaut, und bis zu 10 000 Arbeiter waren zeitweilig im Einsatz. 14 Millionen Reisende werden im Jahr erwartet und rund 13  Millionen Tonnen Lasten sollen im gleichen Zeitraum die Brücke passieren. Die Kosten belaufen sich auf 227,9 Milliarden Rubel – das sind umgerechnet rund drei Milliarden Euro).

Den Zuschlag für den Bau erhielt das Unternehmen „Stroigasmontasch“ des Oligarchen Arkadij Rotenberg. Eine Ausschreibung hatte es nicht gegeben. Arkadij ist ein alter Freund und einstiger Judotrainer von Wladimir Putin aus St. Petersburg. Zuletzt kursierten Gerüchte, Rotenberg hätte es abgelehnt, eine Versicherung für das Projekt zu übernehmen. Bereits 2016 waren zahlreiche russische Baufirmen, laut Putin sollen es mehr als 220 gewesen sein, mit US-Sanktionen belegt worden. Dem Prestigeprojekt konnte dies allerdings nichts anhaben.

Aus verkehrstechnischen und wirtschaftlichen Gründen sei der Bau nicht notwendig gewesen, meinte der Leiter des Instituts für Transportwesen an Moskaus Hochschule für Ökonomie, Michail Blinkin. Vielmehr seien politische Motive ausschlaggebend gewesen. Experten gingen vor dem Bau davon aus, dass das geplante Passagieraufkommen auch durch einen verstärkten Fährverkehr hätte geregelt werden können. Sergej Aksonow, Putins Statthalter auf der Krim, hofft unterdessen, dass die Brücke dazu beiträgt, die Zahl der Touristen auf der Halbinsel zu verdoppeln – von derzeit knapp fünf auf acht bis zehn Millionen im Jahr.

Von Russland aus war die Krim bislang nicht über einen direkten Landweg zu erreichen. Bislang gab es nur zwei Wege: entweder mit dem Flugzeug oder mit der Fähre, auf die Urlauber teilweise stundenlang warten mussten.

Mit der Brückeneröffnung untermauerte Russland seinen Anspruch auf die annektierte ukrainische Halbinsel. Es sei ein historischer Tag, der alle in Russland lebenden Menschen mit der Krim verbinde, sagte Putin bei der Zeremonie. „Die Brücke ist ein Symbol unserer Einheit und Freiheit.“ Die Fertigstellung des Baus stehe in einer Reihe mit den größten russischen Erfolgsgeschichten. Schon vor mehr als hundert Jahren hätten die Menschen von einer Brücke auf die Krim geträumt, sagte Putin. „Dank Ihrer Arbeit ist das Wunder nun vollbracht!“ Sanktionen und Blockaden des Westens hätten den Bau nicht aufhalten können. Ein anderes Brückenprojekt, die Querung über die Lena war wegen der Krim verschoben worden. Dieses Großprojekt soll nun 2020 nachgeholt werden.

Lkw-Fahrer Wladimir Putin war am Dienstag jedenfalls begeistert über die Geschwindigkeit, in der die Brücke errichtet wurde. Und Putins Beifahrer Alexander glaubt zu wissen, warum: Niemandem sei es um den Lohn gegangen, allesamt waren nur Patrioten am Werk. (mit dpa)